Bis das Ende naht

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Vanimórë nahm einen brennenden Zweig aus dem Feuer. Er strich mit der anderen Hand sanft über den Klee auf der Wiese, malte dann ein Zeichen auf die Erde.

„Das Zeichen des Hauses Oropher." Er gab Elgalad einen Moment Zeit, damit sich jener jenes einprägen konnte, dann wischte er es mit seinem Fuße fort, schaute sich dabei um, um sicherzugehen, dass ihnen niemand gefolgt war und sie keine Spuren hinterließen.

„Komm."

Während die Tage und Nächte verstrichen, befiel das Gemüt Elgalads Trauer und Schwermut. Sein Herr sagte wenig und was er von sich gab, war das nötigste. Wenn die Nächte klar waren, der schwarze Himmel ohne Wolken über ihnen prangte, schien Eärendil durch sie hindurch und verwandelte die Ebene in einen blau-weißen Zauber.

In der siebten Nacht, als die Sterne besonders zu strahlen schienen, setzte sich Vanimórë und öffnete seinen Wein. Er erzählte Elgalad, wie er sich einst fühlte, als er zum ersten Mal den Stern, den die Elben Gil Estel nannten, erblickt hatte. Er hatte Morgoth Bauglir gesehen, der die Eiserne Krone, geschmückt mit drei Juwelen, trug und in den Tiefen Angbands hatten sie gestrahlt, als würden sie jenen herausfordern, der sie einst gestohlen hatte.

Er sah die Silmarill!

Trotz der langen Zeit, die die zwei miteinander verbracht hatten, wurde Elgalad von der Erkenntnis des Alters seines Herrn überrannt, welch langes, dunkles Leben er hatte führen müssen.

„Es begann im Westen, dort, wo Aman lag," murmelte Vanimórë. „Ich hoffte, dass es ein Zeichen der Valar war, dass sie Mittelerde nicht vergessen hatten." Ein bitteres Lächeln um seine Lippen spielend, beendete er den Satz. Er war so jung gewesen, wusste nichts von den Jahren der Sklaverei, die ihn erwarteten, und hatte dennoch immer auf den Frieden und die Freiheit gehofft.

Für dich gibt es keine Freiheit.

Die Worte Saurons ertönten in seinen Ohren wie ein lang verlorenes Echo.

Wie konnte ich denken, ihn zu kennen, ihn zu verstehen? Elgalad beobachtete, wie die Schatten der Flammen das Gesicht schmiedeten, fragte sich, was durch den hübschen Kopf ging, dass es diesen Gesichtsausdruck erbrachte.

Doch wie kann man jemanden kennen, ohne Zeuge seiner Taten zu sein?
Er war Zeuge von Zuneigung, Fürsorge gewesen und von etwas, was er dachte sei... Liebe.

~ ~ ~

Das Rascheln der Blätter des Waldes sang durch den Wind, der die Hitze der Sonne über die Landen wehte. Er war stark, trocken und wehte ihre Haare vor ihre Gesichter, so dass sie nur noch ein Wirr-war aus Schwarz und Silber vor sich erkennen konnten.

„Hier," sagte Vanimórë. „Es fühlt sich an, als... ich kann sie spüren."

Ich auch. Dachte Elgalad, doch sagte er nichts, während er das Spiel des Windes in den hohen Baumkronen beobachtete.

„Nun, geh."

Seine Brust drückte sich zusammen. Er konnte nicht einatmen, seine Augen schwer vor nicht vergossenen Tränen.

„mein H-herr, b-bitte lass dies ni-icht das Ende sein." Bettelte er.

„Alle Dinge enden eines Tages, Meluion. Selbst Arda, so sagt man. Komm," Vanimórë griff nach dem Arm des jüngeren und brachte ihn vor den Waldrand. „Sprich mit dem König, oder dem Prinzen."

B-bitte!" Elgalad konnte nicht verhindern, dass seine Knie nachgaben, noch wollte er die Kraft dazu aufbringen und so fiel er nach vorne auf die Erde. Die Schatten der Wipfel bedeckten seinen Leib, als sie näher an den Wald traten. Vanimórë hielt an und drehte den am Boden liegenden Elben.

„Du kannst ein neues Leben beginnen, Kind. Selbst, wenn die Umstände anders wären, so könnte ich dich dennoch nicht bei mir halten."

Ich würde deine Unschuld beschmutzen, dich biegen und schmieden, bis du nichts mehr wärst, als Sklave meines Willens, meiner Gelüste. Und davon habe ich viele.

„I-ich will k-kein Le-eben ohne d-dich!"

„Eines Tages wirst du verstehen, dass dies ein Geschenk ist, Meluion. Es ist das einzige, was ich dir bieten kann." Mit einem Finger strich er sanft über die hohen Wangen und Elgalads Augen blitzten vor Emotionen, die darauf warteten aufgefangen zu werden.

„Freiheit... du kannst nicht wissen, von welcher Größe dieses Geschenk ist! Nimm es!"

„Ich wi-ill doch n-nur mit dir zu-usammen sein!" flüsterte Elgalad.

„Ich weiß..." überraschen sanft berührten die Lippen Vanimórës die Braue des kleineren.

„Ich würde alles für dich tun." Die grauen Augen schlossen sich und er drückte sich näher an den Leib seines Herrn.

„Mein Kind, du würdest sterben. Geh, wenn du mich wirklich liebst, dann geh. Ich werde an dich denken und wissen, dass es dir hier bei deinem Volk gut geht, und das wird mich trösten. Schwöre mir, dass du mir nicht folgen wirst. Ich muss wissen, dass du außerhalb Saurons Reichweite bist."

Sauron sah zu, würgte und zwang Vanimórë seinen Willen auf. Der so nah am zerbrechen war...

„Geh!" Schrie er. Vor seinen Augen spielten sich Bilder ab, die sein Blut in Wallung brachten. Er konnte sich selbst dabei beobachten, wie er Elgalad zu Boden riss, die Beine spreizte, sich über ihn beugte, seine Kleidung zerriss und mit einem Stoß tief in ihm eindrang. Er hörte, wie jener weinte, fühlte, wie der Muskel zu reißen drohte...

„Mein H-herr?"

Vanimórës Augen öffneten sich, Schweiß tropfte von seiner Stirn.

„Wenn ich hier in der schwarzen Sprache schreie und bleibe, dann wirst du sehen, wie mich eintausend Pfeile der Elben durchlöchern und mich töten." Seine Stimme drang in den Kopf Elgalads. Geh!

Er rannte. Goldene und grüne Blätter peitschten in sein Gesicht während er rannte. Der Boden des Waldes war mit einem Teppich aus längst gefallenen Blättern vieler Herbste bedeckt, doch machten seine Füße keinen Laut.

Er wusste nicht, wann er angehalten hatte, doch ließ er sich von der friedliche Stille des Waldes umarmen. Irgendwo pfiff ein Vogel und über ihm, wehte der Wind noch immer durch die Wipfel. Die Luft war ein wild duftendes Parfum, erdig und frisch. Es berührte ihn, wie die Hand seines Geliebten sein Herz zu berühren vermochte.

Mein Herr! Lass es nicht für immer sein! Nicht auf Ewig! NichtaufEwigEwigEwig...

Der Ruf erreichte Vanimórë, als gen Süden zog. Sein Gesicht verhärtete sich und er verweigerte jegliche Verbindungen zu Elgalad.

Es muss auf Ewig sein, Meluion. Bis der Himmel bricht und die Berge in die große See stürzen und das Ende naht, es gibt keine Welt für uns. ~


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