Son of cruelty

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– Sie war eine stolze Frau, Moriel aus dem Hause Finrod, stolz und zutiefst liebevoll. Ihre Liebe zu ihrem Mann war feurig und leidenschaftlich. Keine Katastrophe und kein Exil hätte ihr Band durchbrechen können, dachte sie.

"Ich werde immer für dich sein" hatte sie gesagt. "Nichts wird uns trennen. Ich habe es geschworen. Versprich mir, dass nichts und niemand zwischen uns stehen wird. Versprich es!"

Und er hatte es ihr versprochen, ein undurchschaubares Lächeln auf den Lippen, nahm er ihr Gesicht in die Hände und küsste sie, bis sie anfing vor Verlangen zu Brennen, ein neues Licht erstrahlend unter den kalten Sternen von Endor.
Dies war vor langer Zeit und er war fort, sie hatte ihn sterben sehen... und dennoch an diesem Ort, einst so voller Ruhe und nun verzerrt vor Schwärze und Dunkelheit, kam er zu ihr: Hendunàr, ihr Gemahl. Doch diese Augen... Es waren nicht die Seinen, brillant und sanft. Diese waren kalt, verschlangen ihre Schönheit, welche wie ein Stern in der Dunkelheit zu scheinen schien.

"Moriel," hatte er gewispert. "Ich liebe dich."

Aber Hendunàr hatte sie nie geliebt, als wäre sie nichts. Sie zwingend, hart und wild und mit jedem Stoß hörte sie das hänselnde "Ich liebe dich."

Er war tot, und doch hier, auf ihr, in ihr. Sie klammerte sich an ihren Glauben, ihre Hoffnung, als man sie schändete, ihre Gedanken schaukelnd, wie ein Schiff auf hoher See, welches von der Küste trieb, wie einst die Schwanenschiffe aus Alqualonde. Er war tot... Er war hier... Er musste hier sein, das andere Bild, wie schwarze Pfeile ihn durchbohrten, wie Klingen auf ihn nieder schlugen, bis er unter den Hieben starb... war nicht die Wahrheit. Sie war nicht von Krallen gehalten wurden, welche ihr Gewand zerrissen hatten und sie streichelten, bis sie von einem ungehörten Befehl gestoppt wurden und sie in den Nebel zerrten. Stimmen um sie herum wahrnehmend, die Geräusche eines Scharmützels, schrie sie auf, doch der Nebel verschluckte sie und hinterließ keine Spuren.

Nein...! Er war nicht tot. Er war hier, mit ihr...

Hendunàr...!

Sie hatte ihre Augen geschlossen gehalten. Als es vorüber war, atmete sie erleichtert, verloren in sich, aus, lebendig nur in ihrer Erinnerung.

"Du wirst dich nun ausruhen," hatte Sauron gesagt, und fügte ein weiteres Wort hinzu, ein Name voller Dreck und Fäule, geformt von Mündern, die die Sprache der Eldar beleidigte. Er lachte und fasste ihren Bauch an, direkt über dem Mutterleib. Und sie erkannte, durch den neu erschaffenen Wahnsinn in ihr. Sehr tief in ihr begann sie zu Flehen.

In dem Jahr ihrer Schwangerschaft, wanderte ihr Verstand. Sie war im Wahn; nur die Kraft von Morgoth hielt ihre Seele gekettet an ihren Körper.
Und nachdem sie gebar, starb Moriel. Sie schenkte ihren Zwillingen die feurige Schönheit der Eldar, ihren Stolz und, als wäre es ihr letzter Wille gewesen, ihre Fähigkeit zu Lieben.


Tol-in-Gaurhoth 464 erstes Zeitalter


Einst war es schön, dachte der Junge, während seine Finger über die raue Oberfläche der Wände strichen. Unter den Staubschichten, Gravuren von einst opaleszierenden Perlen, schimmerten sie sanft. Er betrachtete sie.

Er wanderte wo immer seine Füße ihn hin trugen, wann er wollte. Niemand würde ihn anfassen; sie wussten es besser, diese Kreaturen mit ihren verfaulten Zähnen und den gefährlichen Klauen.
Sie beobachteten ihn, verfolgten ihn, aber legten keine Hand an, und so flüchtete er sich manchmal in verlassene Räume, wo reiche Gemälde Staub und Dreck sammelten und reich an Spinnengewebe waren. Das Schimmern von goldenen und silbernen Fäden schien durch den Modder hindurch. Die meisten waren herunter gerissen, alles von Wert gestohlen, aber der Eindruck von Kraft und vollendeter Schönheit war noch zu erkennen.

Wer waren sie? Wer erbaute dies? Fragte er sich.

Wer erbaute dies? Diese Stimme ergriff seine Gedanken, wie ein Adler seine Beute ergreift. Eine eiserne Hand und Eis schloss sich um den Hals seiner Tunika, an dem zerschlissenen Stoff reißend.

Ich werde es dir zeigen!

Die Füße des Jungen hasteten nach Halt an den Stufen, während er nach unten befördert wurde. Er wehrte sich, bekam einen harten Schlag, als würde er zur Aufmerksamkeit gezwungen. Ein blauer Fleck erstrahlte auf seiner von Dreck befleckten Wange und er schmeckte Blut, als er sich auf die Zunge biss. Seine Augen, unter rußigen Wimpern erstarrten mit violetter Verweigerung.

Er hatte Todes Angst vor Sauron, Meister des Turmes; dort war eine bedrohliche Kraft in ihm, eine verwirrende, kalte Schönheit. Sein Blick glitt durch die Augen und in den Verstand. Vor ihm fühlte man sich als Nichts. Seine Schwester versuchte sich zu verstecken, wenn Sauron in deren Kammer kam, und es war ihre Angst, die den Jungen dazu zwang in sich selbst nach Bravour zu suchen, den er sich nicht einmal selbst hätte vormachen können.
Deren Essen war arm und verbraucht, und das Wasser schmeckte, als hätte es schon lange in einem rostigen Krug stehen müssen. Die dünnen Decken kratzten auf der Haut; ihre Kleidung war formlos und die Füße waren nackt.

Man konnte die zwei Kinder für vaterlose Diebe in einer verwesenden Stadt von Männern halten. Vanimórë, hatte man ihn genannt und seine Schwester nannte man Vanya.

Sauron hatte gelacht, ein humorloses Lachen, als er die Namen verkündete; niemand wusste wieso, nur das ein gewisser Nachdruck anwesend war.

Vanimórë lernte zu stehlen kurz nachdem er das Laufen lernte. Er stahl Brot, manchmal Fleisch und, geschickt wie ein Fuchs, floh wieder in seine Kammer. Wenn er erwischt wurde, wurde er misshandelt, aber nur von dem Meister persönlich, niemand anderes fasste ihn an. Vanya schaute zu, bis ihre Tränen ihre Sicht versperrten, Sauron anflehend aufzuhören, und anschließend versorgte sie seine Wunden. Vanimórë schrie nie und er bettelte niemals.

Als Sauron ihn ergriff wehrte sich Vanimórë, wurde gegen eine Wand geschleudert. Sein Schädel knackte bedrohlich an dem harten Stein, und weiße Lichter beeinträchtigten sein Sehvermögen.

"Du wirst dich mir nicht widersetzen, Dummkopf! Du hast eine Frage gestellt, und ich werde dir Antworten."

Vanimórë verlor sein Gleichgewicht und wurde hinter dem Meister her gezogen, barfuß und mit sich immer weiter vermehrenden Kratzern an den Füßen und Beinen.

Sie irrten tiefer in den Turm, einen Ort den der Junge noch nie gesehen hatte. Die Räume wurden einst als Vorratskammern verwendet, nun erfüllten sie einen anderen Zweck.
Manchmal hörten Vanya und Vanimórë schreie, und sie wussten, dass sie hier entstanden.

Orks in Rüstungen standen Wache an der Tür. Sie öffneten sie, sich beinahe anrempelnd in ihrer Hast, als Sauron an ihnen vorbeischritt, in den Raum, in dem ein Feuer rot glühte. Vanimórë sah, wie einige Utensilien in ein Kohlebecken geworfen wurden, hörte ein Zischen und roch den verbrannten Gestank.

"Hier, Sklave, sieh." Saurons Stimme hielt pures, kaltes Amüsement, als er sein langes Haar zurückwarf, das Kind zwingend aufzugucken. In Ketten hing eine Figur, seine Arme über seinem Kopf gestreckt. Seine Haut war übersäht mit blauen Flecken und brennenden Wunden von heißem Metall, die eben jenen zum Weinen brachten. Vanimórës Magen drehte sich um, aber Erstaunen gewann die Überhand und besänftigte die aufsteigende Galle. Er hatte noch nie jemanden gesehen, wie ihn. Eine große Masse an schwarzem Haar umrahmte das Gesicht des Mannes und hing bis zu seinen Schenkeln. Seine Haut war weiß, wie der Marmor, welchen der Junge unter dem Schmutz an den Wänden einst erblickt hatte.
Während Sauron sprach, wandte der Gefangene seinen Blick empor, und Vanimórë starrte wie verzaubert in sein gequältes Gesicht, welches erstaunlich ehrenhaft wirkte. Seine Augen hielten so ein Licht, dass das Kind eine Welle von Bezauberung, Tränen hervorrief und ein verlangen in ihm weckte.

"Nein, mein Herr, nein! Lasst ihn gehen!" sein betteln war instinktiv und der Mann erstarrte und seinen Lippen verließ eine Flut an Worten, die einer fremden Sprache entsprangen. Vanimórë konnte ihn nicht verstehen, aber der Hass und die Abscheu vermischten sich mit seinen eigenen Emotionen, dass er einen unerwarteten und schockierenden Sinn dafür aufkeimen ließ, Partei zu ergreifen. 

"Ich soll ihn gehen lassen? In Ordnung." Sauron lächelte. Der Griff an Vanimórës Haaren wurde schwächer und er trat vor die angekettete Person, seine langen Finger auf seiner Brust. Dann stieß  er seine Finger hindurch und riss sein Herz heraus.

"Nein!" Vanimórë sprang auf Sauron zu, seine dünnen Gliedmaßen in langen Ärmeln hängend. Seine Schulter knackte unter dem Druck, eines festen Griffes, er wurde zurück gestoßen, seinen Hintern über den Boden kratzend. Aufschauend, fühlte er eine heiße Spur über sein Gesicht fließen. Das Herz schien eine Ewigkeit weiter zu schlagen, ehe es verstummte.
"Schön, findest du nicht? Nein?" Sauron schmierte dickes, frisches Blut über Vanimórës Haut. "Sie haben Tol-in-Gaurhoth gebaut, Sklave. Noldor Elben. Nur Haut und Knochen und Blut, damit ist alles gesagt und getan."





~ ~ ~





In dem kleinen Raum, den er mit seinem Zwilling teilte, rollte sich Vanimórë ein. Seine Schwester ihn hilflos wiegend.
"Sie haben diesen Ort erbaut," würgte er hervor. "Er war wunderschön." sein Gesicht, von Tränen rein gewaschen, aufblickend. "Er sah aus, wie... wie du, Vanya."

Er hatte noch nie, an diesem Ort, seine Reflektion gesehen, ansonsten hätte er realisiert, dass der Gefangene auch ausgesehen hatte wie er selbst.  "Vielleicht sind wir ihre Kinder." Er schluckte unter Tränen bei dem Gedanken. "Vielleicht... werden sie eines Tages für uns kommen, um uns zu holen?", "Aber warum hatten sie uns hier gelassen?" Vanya strich durch sein zerzaustes Haar und reichte ihm ein Glas Wasser. "Ich weiß es nicht," gab er zu, einen Arm um sie legend. "Vielleicht waren wir auch zu klein, um weg zu laufen."

Angband: 464 Erstes Zeitalter

Der Wind wehte unerbittlich kalt aus dem Norden. Berge wandern an ihrer rechten Hand für viele Tage, während ihrer Reise in den Norden, und manchmal sahen die Kinder weit oben, Vogelförmige  Wesen; denn die Spitzen, eben jener Höhen, war das Zuhause der großen Adler. Dahinter fand man, versteckt vor den Augen Melkors, die strahlende Stadt Gondolin, welche von Turgon, dem zweiten Sohn von Fingolfin, regiert wurde. Vanimórë wusste dies noch nicht. Ihm war nur wenig bekannt.

Einst, als sie die großen Leeren durchquerten, jene noch Ard Galen hießen, aber als Dagor Bragollach kam und das ganze Grün erstarb, bekam es einen neuen Namen, Anfauglith, der keuchende Staub. Nichts wuchs mehr. An einigen Tagen waren die Fußspuren der Orks, so wie die Spuren der Trollwächter, wie ein neu erbauter Pfad aus Knochen.

Die Augen der Kinder waren geweitet, als sie die Berge erblickten, die vor ihnen lagen, immer weiter empor kletternd. Hier, an einem abgelegenem Ort in den Eisen-Bergen, wurde in einer künstlich angelegten Vertiefung Angband erbaut, die Eiserne Hölle.  Bei diesen Ausgrabungen wurden die drei Spitzen von Thangorodrim freigelegt, welche starken Rauch, gefährlich und doch verlockend, freiließen. In schwarz und monströs hoch kletterten sie in einen roten Himmel, weit über den Wolken, welche die Sterne, wie Mauern umzingelten. In Tol-in-Gaurhoth, umgeben von dickem Nebel, hatten die Kinder nie Sterne zu Gesicht bekommen. Verwundert und begeistert erstarrte Vanimórë bei ihrer Schönheit, doch als sie Angband näher kamen, verloren die Sterne ihren Glanz, durch eine tiefe Dunkelheit, die alles verschlang.

Angband, der Geburtsort einer großen Kraft.

Der Weg, den sie gingen, verlief unter großen Zinnen, unter einem Abgrund und hinein in einen tieflaufenden Tunnel, gegen den sich die Kinder sträubten. Der Horror und die Angst war allgegenwärtig in den kleinen Körpern der Zwillinge, und sie hielten sich, bis Saurons Hand die beiden auseinander schlug. Die kleinen Füße trommelten lautlos hinter ihm her, die labyrinthartigen Treppen hinab, vorbei an Räumen, aus denen rote Lichter flammten und lautes Gelächter und Geschreie ertönten. Ungleiches stoßen widerholte und widerholte sich, und drang durch die Geräuschkulisse.

Es kam ihnen vor, wie ein Zeitalter, bis sie zu metallenen Türen kamen, geformt, wie ein, durch Reißzähne definierter Mund, und was sie bewachten rief Angst und Schrecken hervor und ließ ihre Kehlen zuschnüren. Im ersten Moment sahen die Kreaturen aus, wie Schatten, doch konnte man eine Aura von dunkler Macht und Feuer erkennen, die man nicht mit dem bloßen Auge erkennen konnte, sondern nur durch den kindlichen Ur-Instinkt wahrgenommen wurde. Wenn sie sich bewegten, waren ihre Augen Feuergetränkt und brennende Mähnen thronten auf ihren Schultern; entweder große Flügel oder Mäntel waren hinter ihnen. Beide trugen große Schwerter.
Die Türen wurden geöffnet und Sauron trat ein. Er trieb die Kinder und zog sie an Säulen vorbei, aus denen höllisches Licht entsprang. Etwas – Jemand – saß auf einem hohen Thron am Ende der Kammer.

Das beklemmende Gefühl von Unterdrückung traf sie, wie eine eiserne Faust und beförderte sie auf ihre Knie. Zucken und Zittern zog sich hastig durch Vanimórës Körper, und seine Zunge war von einer Staubschicht bedeckt, als er Sprach, dunkel, wie eine unendliche Nacht, den Ton von nackter Gewalt und Macht von sich gebend.

"Seht auf."

Wie hypnotisiert, von der Macht, die in Mittelerde ruhte, schauten die zwei auf. Vanimórë musste ein Schreien unterdrücken. Er hörte seine Schwester wimmern und aus Reflex griff er nach ihrer kleinen Hand. Sie war, wie aus Eis.
Groß und grausam war er. Seine Augen schimmerten in rot und schwarz, und Macht erstrahlte in ihnen. Sein Wille verlangte nach Unterwerfung und Gehorsam, so dass sie vor ihm krochen, wie das Nichts, was sie waren; und sie hätten es getan, wenn sie nicht in dem Bann von dem, was er über seinen Brauen trug, gefangen würden.

Die Krone war aus schwarzem Eisen, reich verziert und schwer. Klauen trugen drei Juwelen, dessen Licht selbst diese Dunkelheit erhellten. Dort sahen die Zwillinge die Silmarill, gestohlen von Fëanor in Formënos, die Folgen eines Schwurs, welchen Melkor zum Lächeln, aufgrund der Tragödie, brachte.

"Sie könnten Elben sein, außer der Augen."

Vanimórë biss sich auf die Zähne, als eine Hand – sie brannte...! - sein Kinn erfasste.
"Schön, findest du nicht, mein Herr?"

"Dein Blut, meine Kraft wird ihren Wachstum steigern, so, wie es aussieht. Interessant. Ja, ich bin zufrieden..."

Dein Blut? Dachte Vanimórë, wie in Trance, und hörte kurz darauf ein schallendes Lachen.

"Erkennst du denn nicht deinen eigenen Vater, wenn du ihn siehst, Junge?"

Das Lachen wurde von den Wänden zurückgeworfen, als würde sie ihn selbst auslachen. Die Kinder duckten sich.

Nein! Weinte Vanimórë ohne einen Ton von sich zu geben. Er ist nicht unser Vater... Nicht unser Vater...! Nicht! Nicht...! Wie das Ende der Welt, erfasste Vanimórë tiefe Schwärze



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The Dark Prince Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt