Belastbarkeit

42 2 0
                                    

Elgalad traute sich selbst nicht zu, weder mental, noch körperlich, denn hatte er seinen Herrn kämpfen sehen. Doch verstand er, dass nur jemand solche Stärke erlangen könne, indem er über viele Jahre hinweg jenes Leben führte; das Leben eines Kriegers, mit all seinen Tücken.  Im Grünwald, von Legolas trainiert und ausgebildet, verglich er seine Fähigkeiten mit denen des Prinzen.

Er war voller Eifer, seit sein Herr ihm zum ersten Mal ein Holzschwert gab, um ihm das Kämpfen zu lehren und er hatte sich mit voller Konzentration in seine weitere Ausbildung gestürzt, welche ihm von Legolas geboten wurde. Es war seine Art die Einsamkeit und verlorene Liebe zu unterdrücken und vergessen. Er fühlte sich leer, denn die offene Wunde würde niemals beginnen zu heilen, doch als er den Wald und sein Reich betreten hatte fühlte er sich zum ersten Mal wieder mit etwas, jemandem verbunden. Als der Prinz ihn aufnahm, nahm er sich vor, von allen akzeptiert zu werden – und geliebt zu werden.

Natürlich müssten die Waldelben ein derartiges Training absolvieren. Dort, wo sie weilten, herrschte ein dunkles Grauen und da sie sich nicht versteckten, schützten sie sich und ihr Volk mit ihren Waffen. Sie kämpften um ihr Zuhause.

Vanimórë hatte in der Tat nur wenig über die Silbernen gewusst, über ihre Bräuche und Traditionen, doch hatte auch er Elgalad schon berichtete von Prüfungen und 'Ritualen', welche die jungen Elben überstehen mussten, um als Erwachsen angesehen zu werden, sich das Recht erst verdienten Waffen und Rüstung zu tragen. Es schien also realistisch, sollte ein Elb den Wunsch haben einen höheren Rang zu erreichen, ähnliche Prüfungen bestehen zu müssen. Malthador hatte Recht, denn niemand wurde als Krieger geboren. Elgalad wagte es nicht, sich vorzustellen, was sein geliebter Herr hatte überstehen müssen, um eines so gehobenen Kämpfers würdig zu werden; der eiserne Wille und sein Stolz, welcher seinen Geist vor dem Ruin wahrte. Seine Pain war weitaus größer und schwerwiegender gewesen, als die geringen Peitschenhiebe, welchen Elgalad ausgesetzt war. Er schämte sich.

Das ist noch gar nichts, jeder Krieger muss dies überstehen!

Er wünschte nicht, Legolas hübsches Gesicht vor Scham verzerrt zu sehen, oder von jenem zu hören, dass er seine Talente als Krieger hinter sich lassen sollte.

Nein! Ich werde das schaffen!

Er stellte sich den Ausdruck auf seines Herrn Gesicht vor; beschämt, enttäuscht, hörte beinahe, wie jener sagte: Du enttäuschst mich, Kind.

Wieder einmal stiegen Tränen in seine Augen, nicht vor Schmerz, sondern vor Einsamkeit.

Wenn ich den Prinzen nicht stolz machen kann und – selbst, wenn er es niemals erfahren würde – meinen Herrn, so kann ich dem Königreich nichts bieten und werde fortgehen. Ich werde keine Schande über Legolas bringen und auch nicht über meinen Herrn!

Er hatte geglaubt, dass er von wenig Wert war, dass er es nicht hätte besser machen können, sobald er sich mit seinem Herrn verglich. Doch hoffte er, dass er unter Legolas Führung in die Reihen der Krieger steigen könnte. Und so war es geschehen, dachte er. Er wurde Patrouillen zugewiesen und bekämpfte die großen Spinnen. Bis hier hatte er Glück gehabt, nur mit kleinsten Wunden davonkommend, doch mussten alle, die sich Krieger nannten, größeres Leid aushalten, bis zum Tode kämpfen, wenn man es ihnen befahl, Malthador war im Recht. Sein Herr hatte ihm die Geschichten über Gondolin im Ersten Zeitalter berichtet, von den Söhnen des Fëanor, von Fingolfin und Fingon; große Golodhrim, welche im Kampf gestorben waren und mit so viel Mut und Stolz in die Kriege gezogen waren, dass Elgalad beeindruckt war und sein Herz sich mit Ehrgeiz füllte. Wenn andere dies schaffen konnten, dann könnte er das sicherlich auch?

Ich werde keine Schande bringen!

Selbst durch seine natürliche, grazile Art, die eines Elben Inne war, konnte er die Wunden auf seinem Rücken nicht vollständig versorgen, doch tat er, was er konnte, so gut es ging, zerdrückte die heilenden Pflanzen in seinen Händen und verschmierte den Saft, der daraus gewonnen wurde. Vorsichtig zerriss er eines seiner Laken und verband sich damit den Leib, streifte sich anschließend seine Tunika über. Die andere war blutverschmiert und er musste versuchen sie zu reinigen, ohne dass jemand das Wissen der Geschehnisse erlangte. Seine Rüstung anzulegen war schmerzhaft, doch schürften die Bandagen, die er um sich gewickelt hatte, seine Wunden nun nicht mehr auf. Und so würde er schnell heilen; es würden keine Narben bleiben.

Er kämmte sein Haar, flocht es und goss sich Wein in einen Krug, nahm einen großen Schluck. Er war nicht hungrig; mehr als alles andere, wünschte er zu ruhen. Er atmete tief ein, streckte sich und verließ sein Gemach.





~ ~ ~




In den nächsten Wochen schien der Schmerz ihn am Leben zu halten, kleine, feine Linien waren unter seinen einst klaren Augen zu erkennen und er biss die Zähne zusammen, dass niemand erahnte, was vor sich ging. Seine Haut wurde fahler und er sprach nur noch selten.

„Er ist still geworden, seit der Goldoh in seiner Nähe war.“ Sagte Malthador, als Legolas eine Gruppe Soldaten befragte.

„Ja,“ antwortete der Prinz nach kurzem Überlegen, denn es war wahr. „Achte auf ihn, ich wünsche nicht, dass er dem Wald entflieht, denn nur Eru weiß, wohin es ihn tragen würde.“

„Er wird nicht gehen, mein Herr.“ Versprach der Kommandeur.

Am Abend eines Festes sprach Malthador zu Elgalad, sagte, er solle sich amüsieren. Er war, so musste er zugeben, überrascht, dass der junge Elb so ein Durchhaltevermögen aufwies, doch war er sich sicher, dass auch er früher oder später den Qualen erliegen würde und er aus dem Walde verbannt würde.

Die formelle Kleidung anlegend, die er nun trug, ging Elgalad zu der großen Halle, in der das Hauptspektakel stattfinden würde. Er konnte den Gesang schon von weit hören, roch den Wein, sah das Licht der Bäume, die beinahe so Hell strahlten wie die Sterne am Himmel. Anstelle von Freude, empfand er nur diese unerträgliche Leere in sich, als würde es nirgends einen Platz für ihn geben, niemanden, der ihn empfing.

Still ging er vorwärts, niemanden erkennend, bis er den König und Legolas fand, die sich unterhielten. Ihre Zweisamkeit zerriss sein Herz, denn auch er sehnte sich nach dem Einen, der ihm zu Leben verhalf. So hoffte er, dass seine Ausbildung ihm hier einen Platz, ein Zuhause schaffte.

Dies ist nun mein Heim. Ich muss beweisen, dass ich ihm gewachsen bin.

Er war glücklich, dass Malthador seine Ausbildung begonnen hatte, denn so, hoffte er, zeigten der König und Legolas, dass sie ihn für würdig hielten, zu bleiben. Er war Dankbar dafür.

Tief in seinem Inneren wusste er, dass er nicht nach Anerkennung suchen sollte, denn der Schmerz, auch wenn es kein gutes Zeichen war, war vielleicht doch kein schlechtes. Doch was ein Elb tat, konnte nicht falsch sein. Er hatte Orks gesehen, die Schwarzen, kalten Ùlairi, wusste, wie das Böse aussah und wie es sich anfühlte und hatte gesehen, durch die Augen seines Herrn, was wahre Folter war. Im Vergleich dazu, war Malthador lieblich und sanft, dachte er im Stillen. Er nahm seine Aufgabe ernst und war dennoch fair. Die Krieger seiner Legion brachten ihm viel Respekt entgegen und er hatte wahrscheinlich viele von ihnen selbst ausgebildet. Anscheinend hatte Legolas ihm das abverlangt und hoffte, dass er es schaffen würde, Elgalad durch seine Prüfungen zu führen. Hätte er die Wahl gehabt, so hätte Elgalad es als angenehmer empfunden, sollte der Prinz ihn trainieren, doch, so wie Malthador sagte, hatte Legolas andere Pflichten, die seiner Aufmerksamkeit bedurften.

Elgalad hätte nicht an Legolas gezweifelt, hätte sich nicht unwohl gefühlt, ebenso wenig, sollte sein Herr ihn ausbilden. Er vertraute beiden, dachte, dass, was auch immer sie taten, richtig war. Und so setzte er sich der Pain aus, konnte dennoch nicht verhindern, darüber nachzudenken, dass Malthador gefallen an der Ausbildung fand – und er schämte sich für jene Annahme.

Ein Diener brachte ihm Wein und er nickte dem Kommandeur zu, der ihm die Erlaubnis zu erteilen schien. Er hoffte, dass niemand seine derzeitigen Qualen in seinen Augen lesen könne.

„Elgalad?“ er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Legolas ihn ansprach und eine Hand auf seinen Arm legte. „Komm, sitz mit uns.“ Er lächelte, führte ihn hin zu dem Tisch, an dem Thranduil stolz und erhaben saß, dessen Haupt von bronzenen Blättern gekrönt war.




~ ~ ~




Barad-dûr. Groß, gehüllt in Schatten, stiegen Türme, gelehnt an Mauern, welche jene Kreaturen beherbergten, die Angst und Schrecken verbreiteten, in den Himmel empor und Rauch in die Lüfte steigen ließ. Ein Ort des Schreckens.
Es war gewaltig. Erbaut um Macht auszustrahlen und alles in seinem Blick einzuschüchtern, die Mauern waren eisern, dennoch sanft und kunstvoll. Sauron wusste um dunkle Schönheit.
Fensterlose Kerker waren in die Erde gelassen und ihre Wände deuteten auf Verzweiflung und Folter. Gänge leiteten jeden zu Hallen und Treppen, alles aus dem selben Stein. Ganz oben, die Spitze des Höchsten Turmes, war die Kammer des Auges.

Nur wenige hatten jenen Ort betreten, außer der Nazgûl, des Mundes und der dunklen Diener, die ihrem Herrn ihre Dienste boten. Und Vanimórë.
Der Palantir wurde auch dort gelagert, denn dies war wahrhaftig der Ort der Macht. Er regierte nicht direkt über Rhun, den Harad oder Khand, doch verehrten die Völker ihn, wie sie auch Morgoth verehrt hatten, einige aus Angst und andere aus Stolz.

Was macht einen Ort böse, grauenvoll? Nichts wurde dafür kreiert, kein Land, keine Pflanze, kein Lebewesen; doch sind sie alle anpassungsfähig, was kalt und grausam wirkt, doch der Lauf der Dinge ist. Mordor war schon immer ein Land des Feuers gewesen und Sauron hatte es gewählt, wegen seines Vulkanes und die Berge, die wie eine Festung um das Land prangten. Doch war das Land, auch wenn es einsam und düster wirkte, von neutraler Natur, bis Sauron kam. Barad-dûr schien Saurons Geist zu erfassen und wurde zum Zentrum seiner Herrschaft, bis nur noch wenige jenen Ort erblicken konnten, ohne dass ihr Herz schwer wurde.





~ ~ ~





Er tanzte, tanzte alleine durch die Schatten, durch Zwielicht, bemalt und parfümiert, goldene Strähnen in seine Mähne geflochten, während das rötliche Licht seine Haut in Blut tauchte.

Lúthien hatte einst für Melkor getanzt und später hatte ein weiterer Nachkömmling eines Maia und einer Elbin getanzt, auf das das Verlangen erneut in ihm aufkeimte.
Melkor beobachtete den Sohn Saurons aufmerksam, seine Eleganz und er wartete, bis das Blut sein Glied in Wallung brachte, erst dann würde er an den Ketten ziehen, die um Vanimórës Hals gelegt waren und ihn zu seinem Throne schleifen. Manchmal drückte er einen Krug, gefüllt mit warmen Blut, an die Lippen des Sohnes, presste Fleisch, herausgerissen vom Leibe eines Dieners, in seinen Mund. Dann würde seine Hand das Gold aus dem Haar entfernen, zog daran, bis das stolze Gesicht sich vor Wut verzerrte und dann würde er lachen. Und, während er lachte, zwang er den Sklaven dazu, sich auf sein erigiertes Glied zu setzen, schaute zu, wie Schmerz in den Augen explodierte und seine Hände nach Halt suchten.

Als Melkor in die Leere verbannt wurde, hatte Vanimórë für Sauron tanzen müssen, der seinen Sohn begehrte, wie ein Trunkenbold eine Dirne, und ihm zeigte, dass seine Kraft und Macht grenzenlos waren, egal wie sehr Vanimórë an Fähigkeiten gewann, er auf Ewig ein Sklave sein würde.

Er ruft nach dir, kannst du ihn hören? Seine Finger griffen nach den Hüften des Sohnes. Der schöne Elb. Er schreit nach dir. Eines Tages, mein Liebling, wird er nach mir schreien.

Nein!

Vanimórë fühlte, wie die Seele Elgalads nach ihm rief. Es war keine Macht, keine Magie, sondern ein Band geformt aus Liebe und der Schmerz hatte es getroffen, wie ein Pfeilhagel aus Feuer, er brachte seinen Kopf empor und der Mund schaute zu. Er beobachtete die Reaktion des dunklen Prinzen mit kühlem Amüsement.

Was wird ihm angetan?

  Sein Geist versuchte, Elgalad ausfindig zu machen, bis Sauron schließlich seine Macht nutzte und alles, außer sich selbst in Schatten hüllte. Und dann hatte man nach ihm gerufen.

„Er lebt noch, er wird leben, mein Sohn, außer das Schicksal selbst sollte sich umentscheiden, sich mir zuwenden, so wie du.“ Das Flüstern hauchte an seine Ohren und der Hunger Saurons nahm überhand an, sodass die Kammer durch keuchende Geräusche erfüllt wurde, Seufzer aus Schmerz und Lust.

Vanimórë atmete tief durch, hielt sich so starr wie er nur konnte, während sein Vater ihn leidenschaftlich nach vorne zog. Lippen berührten seinen Hals, wanderten zu seinen Wangen, zwangen ihn, den Mund zu öffnen.

„Mein schönstes Werk…“ Finger glitten durch seine nun zerzausten Haare, fuhren seinen Rücken hinab und ließen dabei keinen Wirbel aus. „Du wirst ihn wiedersehen – auch wenn, für nur kurz. Küss mich.“

Ich werde ihn töten!

Ihre Lippen kämpften, Zungen, wie Schwerter geführt, wurden Eins.

Bevor du ihn besitzen darfst, so schwor Vanimórë, werde ich ihn töten!

The Dark Prince Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt