der Zorn eines Elben

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Maglor betrat den Wald nicht, der seinen grünen Mantel über die Ebene warf. Einst war dort ein weiterer Wald gewesen, ein Ort geschmiedet aus Legenden und Mythen, dort wo die schönsten Kinder Ilúvatars wandelten und unter dem seichten Lichte der Sterne tanzten.
 
Er hatte mächtige Baumstämme gesehen, die in die Höhe ragten, wie die Türme aus Tirion, einst silbern und voller Glanz, schließlich befleckt und blutverschmiert. Niemand hätte es gewagt Lúthien zu nahe zu kommen, so lange sie lebte, doch als das Wispern begann, dass ein Silmarill Doriath erleuchtete, so kam der Eid erneut ins Leben.
 
Am Anfang gab es Trauer und Leid, ein Leiden, welches viel Blut und Krieg verlangen würde bis schließlich Zorn und Wut geboren waren und es keinen Rückweg mehr gab…
 
„Die Kinder!“ nach all den Jahren hörte er noch immer die Stimme seines älteren Bruders. „Findet die Kinder!“
 
Eluréd und Elurín, die Söhne Diors, welche von Celegorms Männern gefangen wurden und schließlich in den Wäldern dem Tode geweiht waren…
 
Zu viel Blut, und er suchte noch mehr zu vergießen…
 
Er hatte seine Harfe nicht mehr angerührt, seitdem er sicher war, dass man ihm folgte und so kam er schnell voran, bis er schließlich zu einem kleinen Fluss trat, der ihm den Weg versperrte. Klar und ungeschützt, hell erleuchtet war seine Umgebung, denn er sah tief in das Grün hinein. Er wäre geschwommen, um das andere Ufer zu erreichen, doch wollte er seine Harfe trocken halten und es war das Einzige, was ihm aus den alten Tagen längst vergessener Zeiten noch geblieben war. Es dauerte eine Weile bis er einen Platz gefunden hatte und das Ziehen in seinem Herzen wurde stärker, denn kamen seine Verfolger näher, und doch fand er schnell einen Pfad, der von vor Hufspuren und Wagenrillen niedergetrampelt war.
 
Auf der anderen Seite des Flusses sah er verlassene Rastplätze, ausgebannte Feuerstellen und Spuren von Pferden. Er wurde vorsichtiger und hielt sich abseits der Straßen und Wege auf. In der dritten Nacht holte er eine Gruppe von reisenden ein, wartete dennoch im Schatten bis sie ihr Lager aufschlugen und die Tiere anbanden und Maglor trat näher, um ihren Gesprächen zu lauschen. Ihre Sprache ähnelte die Sprache der Ostlingen und so hörte er, wie sie über Saurons Niederlage sprachen.
 
Schließlich gingen die Männer zu Bett und die Feuer erloschen, während die Sterne am Himmel funkelten und Maglor führte seine Reise fort
 
Esgaroth… Thal… Erebor…
 
Viele Menschen gab es hier und einige Zwerge. Er wusste nicht, weshalb der, den er suchte, hier sein sollte und vielleicht gab es auch keinen Grund, es war egal. Maglors Gesicht schien im Licht der Sterne aus Marmor gemeißelt und er trug seine Maske eisern.
 
Ich habe niemanden, den ich um Rat bitten kann. Ich habe zwei Eide abgelegt, und einer konnte nie erfüllt werden. Aber der zweite – Ich werde keine Ruhe finden, bis ich es zu Ende gebracht habe. Ich schiebe es schon zu lange vor mir her, und ich hate zu viel Furcht vor Mordor und auch wusste ich nie, wo er sein könnte, doch nun bin ich nah…
 
Er stockte, erstarrte beinahe, als er die Vibration in der Erde spürte und das Geklapper von Hufen hörte. Sie waren schnell. Ohne zu denken, zog er sein Schwert und rannte.
Er hörte schreie von den Händlern und sah noch rechtzeitig, wie sie rannten und dabei von den Männern auf den Pferden erschlagen wurden, einige zu Tode getrampelt.
 
Ein Pferd galoppierte ohne Reiter auf Maglor zu und er duckte sich rechtzeitig, um den gefährlichen Hufen auszuweichen. Doch dann spürte einen stechenden Schmerz in seiner Schulter und voller Furcht drehte er sich herum und sah, wie ein weiterer Reiter mit Pfeil und Bogen auf ihn zielte.
Im letzten Moment sprang er zur Seite; ein Hieb, Verlust, ein Sprung… Sämtliche Schwerkraft verließ ihn und mit voller Kraft schwang er seinen Angreifer zu Boden. Man würde ihn in Ketten legen und so war es ein fairer Kampf zwischen ihm und den Männern, die so ohne Skrupel wehrlose Händler im Schlaf ersuchten zu töten.
 
Über ihm schienen die Sterne im Dunkel zu erstarren während er zu sich kam. Die Wunden, die ihm zugefügt wurden waren noch frisch, doch ignorierte Maglor sie, als er von Leiche zu Leiche wanderte, nach dem Puls fühlte – schließlich aber nichts fand…
 
Was haben die Angreifer gewollt? Die Karren? Die Pferde? Gold? Er war sich bewusst, dass Männer aus Gier kämpften und Sippenmord war ein häufiges Vergehen.
Hinter sich hörte er plötzlich ein Wimmern und ein großer Hund kam auf ihn zu. Er kniete nieder und bedachte den Wunden eines Blickes und im Osten erschien ein helles Licht.
 
„Ich werde dich versorgen, Mellon.“ Versprach er. „Aber erst werde ich die Leichen beseitigen und bestatten.“
 
Er hatte weder Schaufeln, noch etwas anderes, was ihm das Ausgraben der Gräber erleichtern würde, und keine Steine lagen in der Nähe, sodass er kleine Gräber hätte bauen können. Und so hob er die leblosen Körper auf einen der Karren und entfachte ein Feuer. Diejenigen, die er erschlagen hatte, die Angreifer, ließ er, als Warnung für andere, liegen.
 
Die Händler hatten viele Waren, die er als Verpflegung nutzen konnte und so nahm er, was er benötigte und griff anschließend nach seiner Harfe, um den Toten eine letzte Freude zu bereiten.
 
Als er fertig war, nahm er seine Taschen und rief den Hund zu sich, um sich dem Gehen zuzuwenden. „Ich werde dich Huan nennen, denn gab es einst jemanden, der diesen Namen trug.“ Sagte er. „Und er war Nobel und mutig. Wirst du mir folgen oder in die Freiheit wandern?“
 
Als er also ging, folgte Huan ihm.
 
 
 
 
 
 
~ ~ ~
 
 
 
 
 
 
Maglor flocht seine Haare und zog sich die Kapuze tief ins Gesicht und tätschelte mit der anderen Hand den Hund.
 
„Bleib bei mir.“ Murmelte er, als sie näher an eine Stadt traten.
 
Die Sprache, die dort gesprochen wurde, erinnerte ihn an die Menschen aus Bree. Er horchte, als Männer und Frauen ihren Aufgaben nachgingen, und fühlte sich fehl am Platz, denn war er einsam und wusste, dass er nirgends zu gehörte.
 
Dies ist kein Ort für mich. Die Welt hat sich weiter gewandelt und mich zurückgelassen.
 
In seinen Erinnerungen suchte er nach seinen Brüdern, seinem Vater, eine Zeit noch vor dem Eid. Hell wie Juwelen funkelten ihre Augen und ihre Stimmen waren ein Chor der Engel und er tauchte in seine Gedanken, wie ein Kind sich in die Arme seiner Mutter warf.
 
Ein Karren stieß ihn leicht an, als er vorübergezogen wurde und warf ihn wieder ins Hier und Jetzt. 
 
Zwei Männer gingen an ihm vorbei, öffneten eine Tür einer Taverne und der Duft von gepökeltem Fleisch drang an seine Nase.
 
Es war später Nachmittag und die Taverne war nicht zu sehr besucht. Ein Mädchen wirbelte durch eine Tür, trug Krüge, die sie auf der Theke abstellte. Der Mann, der hinter jener stand, stockte kurz, als er den großen Fremdling sah, der mit dem Hund nähertrat. Er strahlte Gefahr aus, und doch war ihm, als würden viele dieses tun, die er in seinem vergleichsweise kurzen Leben gesehen hatte.
 
„Herr?“
 
„Habt Ihr Wein?“ die Worte waren von einem ihm fremden Akzent geschmückt. „Ich komme aus dem Süden. Bei wem soll ich einen Angriff melden? Einige Händler liegen ungefähr eine Meile von hier an einem Fluss.“ Mit einer Hand deutete er in die Richtung. Sie war weiß und elegant, als hätte er nie das Handwerk gerührt, nie etwas schwereres gehoben, als einen vollen K  rug und doch war an seinen Lenden ein Schwert.
 
„Ein Angriff, Herr? Wart Ihr dabei?“ fragte Baed, der etwas Wein in einen Krug goss. „Wolfstan, Edric. Habt ihr das gehört?“
 
„ja, wir haben es gehört. Unten am Fluss?“ die Männer waren jung, und ihre Gesichter trugen die Züge des Nordens. „Wisst Ihr, wer die Angreifer waren?“
 
„Berittene Soldaten. Sie hatten viele Waffen. Ich habe die Leichen dort liegen gelassen, doch konnten einige mit den gestohlenen Pferden fliehen.“
 
„Sie kamen aus dem Osten.“ Grunzte Baed. „Aye, wir haben Gerüchte gehört, über jene, die nach dem Krieg Herrenlos sind. Habt Ihr sie getötet?“ Der Kopf des größeren neigte sich leicht. „Einige. Ich tötete einige. Wie ich bereist sagte: einige stahlen Pferde und ritten davon. Ich habe alles hinterlassen, was dort war. Die Händler hatten keine Waffen bei sich du es war Nacht. Ich habe ihnen im Feuer die letzte Ehre gewährt.“
 
„Ich werde die Nachricht an unseren Herrn herantragen.“ Sagte Edric. „Er wird gewiss einige Männer dorthin schicken wollen. Kannst du uns führen?“
 
„Ich werde euch den Weg beschreiben, doch kann ich nicht umkehren. Ich suche nach… jemandem.“
Edric öffnete kurz den Mund, hielt es jedoch für besser, zu schweigen; was gab es denn noch zu sagen? Würde ein Mann ihnen diesen Angriff denn melden, wenn er teil der Angreifer gewesen wäre?
 
„Kommt!“
 
Und so gingen die zwei um Bericht zu erstatten.
 
Baed sah, wie etwas weiße Haut zum Vorschein kam, als der Elb zum Trinken ansetzte.
 
„Seid Ihr auch ein Orkjäger?“ fragte er. „Ihr erinnert mich an einen, der vor nicht allzu langer Zeit hier weilte. Seit der Krieg vorüber ist, kommen viele hierher, um das Land von dem Ungeziefer zu befreien. Und es soll einen neuen König im Süden geben, aber dies ist sehr weit weg und wir müssen uns hier um unseresgleichen kümmern.“
 
Der Fremde nahm einen weiteren Schluck und wartete.
 
„Einige Frauen wurden von Orks entführt. Und nur wenige trauen sich. Aber dieser Eine, der hatte genügend Mumm und brachte auch einige zurück.“ Er lächelte. „Sie waren verletzt, aber am Leben und sie sagten, er habe alle Orks dort getötet. Er bezieht oben noch immer sein Zimmer.“ Baed deutete mit seinem Haupt nach oben an die Decke. „Er bleibt ein bis zwei Nächte und geht dann wieder. So groß, wie Ihr. Ganz in schwarz gekleidet. Ein Elb aber keiner aus dem Wald. Haare länger als das, einer Jungfrau und seine Arme mit Ranken verziert. Aber wenn er wirklich Orks jagt und zahlt, dann soll es mir egal sein.“
 
Maglor wurde unruhig, denn wusste er, dass sein Warten und seine Suche hier vielleicht ein Ende gefunden haben würde. Sein Puls bebte durch seinen Körper.
 
„Hatte er violette Augen?“ fragte er neugierig. „Trug zwei Klingen?“
 
„Ihr kennt ihn, Herr? Aye, das soll er sein.“ Nun goss sich der Eigentümer selbst einen ein und nahm einen großen, kräftigen Schluck.
 
„Ich kenne ihn. Und ich bin auf der Suche nach ihm.“ Sagte Maglor.
 
„Meist jagt er in den Grauen Bergen, Herr. Seid Ihr also auch ein Jäger?“
 
„Er kommt immer wieder her?“
 
Baed nickte. „Meistens. Wir wissen nicht, wann, aber wir halten ihm sein Zimmer frei.“ Er wurde still, als das Mädchen wieder eintrat und weitere gewaschene Krüge abstellte. Neugierig beäugte sie den Fremden, ehe sie ihren Rock provokativ anhob, sich schnell drehte und schließlich wieder verschwand.
 
„Aelfritha sucht sein Interesse für mehr als nur Wein und Essen zu wecken.“ Sagte er bitter. „Sie vergeudet ihre Zeit. Er ist aus Eis.“
 
Oh nein… nein, da habt Ihr unrecht. Maglor schob seinen leeren Krug nach vorn und wartete, bis man nachgoss. Nicht aus Eis. Eis hätte mich nicht retten können…
 
Er hörte, wie er selbst sagte: „Ich werde ein Zimmer beziehen, guter Mann. Ich werde nach ihm suchen, aber auch ich brauche ein Zimmer zum Ruhen.“ Er griff in seinen Mantel, um einige Münzen zu greifen.
 
„Ich kann Euch das Zimmer neben seinem geben.“ Baed griff nach dem Silber und deutete zur Treppe…

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