Chapter 24

507 36 4
                                    

Mein Blick glitt vorsichtig zu meinem Arm.

Was sollte ich jetzt nur antworten? Ganz einfach. Die Wahrheit.

"Weil es einem manchmal einfach zu viel wird, Harry. Es wird so eine große Last, das man das Gefühl hat, sie nur noch so loswerden zu können."

Sein Atem stockte.

"Du kannst sie auch anders los werden. Bitte mach das nicht mehr."

Jetzt tat er auch noch so, als würde er sich für mich interessieren.

"Ich helfe dir. Ich werde dir helfen es nicht mehr zu tun."

Tja, es war einfacher getan, als gesagt.

"Kannst du nicht, Harry. Du kannst meine Vergangenheit nicht ändern! Du kannst mir meinen Vater nicht zurück holen. Du kannst meine Lage nicht verbessern. Du kannst nichts dagegen tun!"

Meine Stimme würde lauter.

"Es ist einfach so wie es ist. Akzeptiere es. Warum interessierst du dich überhaupt für so etwas wie mich? Normalerweise schaust du so Mädchen wie mich doch nichteinmal an!"

Ich wollte hier nicht länger bleiben. Nicht mit ihm, in dieser Wohnung.

"Ich will raus. Lass mich raus!"

Tränen sammelten sich in meinem Auge und ich schaute mich panisch nach einem anderen Ausgang, außer der Tür, um. Vergeblich.

"Lass mich hier raus!!" brach ich in mich zusammen und fing an zu weinen.

Ich fühlte mich so hilflos, wie noch nie zuvor.

Ich hörte Schritte auf mich zukommen und vergrub meinen Kopf in meinen Knien. Als nächstes spürte ich einen Arm, um mich und eine Hand, welche meinen Rücken vorsichtig streichelte, woraufhin ich eine Gänsehaut bekam.

"Shhh, alles wird gut" Hörte ich Harrys sanfte Stimme.

"Nichts wird gut! Es wird nie etwas gut. Hörst du? NIE!" Immer mehr Tränen floßen über meine Wange und fielen auf den Holzboden.

Harry seufzte und dann umarmte er mich einfach.

Ich fühlte mich geborgen in seinen Armen. Irgendwie sicher. Ich sollte das nicht fühlen.

Und in diesem Moment spürte ich das erste mal, das Harry mir vielleicht doch etwas bedeutete. Denn wenn er das nicht täte, hätte ich ihn schon längst, zitternd weg gedrückt.

*

Nach einer Weile hatte ich mich beruhigt und löste mich von ihm. Schwach wischte ich mir meine restlichen Tränen weg und schaute auf zu Harry, der mich leicht lächelnd ansah.

"Geht es dir besser?"

Ich nickte leicht. Es ging mir tatsächlich besser. Ich hatte dies einfach gebraucht, jemanden der mich in die Arme nimmt und tröstet.

Harrys P.O.V.

Leicht lächelnd blickte ich auf sie herab. Sie war so zierlich, ich hatte angst sie würde zerbrechen wenn ich sie berührte.

Ich wusste nicht warum sie in sich zusammengebrochen war, aber ich wusste sie hatte mehr durchgemacht, als so manch anderer.

Ich hatte einfach das Gefühl, sie brauchte jemanden, der sie in den Arm nahm. Sie sah die meiste Zeit traurig aus.

Ich fragte mich ob das an ihrer "nicht guten Erfahrung mit Männern" lag.

Sie meinte vorhin ich könne ihren Vater nicht zurück holen. War er gestorben? Warum?

"H-Harry?" Hörte ich ihre leise, zarte Stimme die mich aus meinen Gedanken riss.

"Mhm?"

"Danke"

"Wofür?"

"Dafür, das du mich getröstet hast, anstatt mich einfach nur bemitleidend anzusehen oder wegzugehen"

Und das erste mal sah ich sie lächeln. Es war zwar nur ein leichtes Lächeln, doch es sah so viel schöner an ihrem hübschen Gesicht aus, als ihr ängstlicher oder emotionsloser Blick.

Vorsichtig Strich ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und blickte in ihre wunderschönen, braun-grünen Augen.

Es war komisch. Ich hatte dieses Gefühl noch nie für ein Mädchen. Dieses Gefühl, sie beschützen zu müssen und für sie da zu sein. Außerdem war sie das schönste Mädchen was ich jemals gesehen hatte. Ich verstand nicht warum sie so unsicher war.

Sie war perfekt, außer das sie etwas zu dünn war. Hatte sie eine Essstörung oder war ihre Figur einfach so gebaut?

Da ich so in meinen Gedanken versunken war, hatte ich garnicht bemerkt das sie nicht mehr neben mir saß. Seufzend stand ich auf und schaute mich um und sah wie sie sich einen dicken Winter Pullover anzog. War ihr kalt?

Ich traute meinen Augen nicht als ich ihre Wirbelsäule und jede einzelne ihrer Rippen sah. Dies war eindeutig nicht normal.

Sie erschrak als sie mich bemerkte und zog ihren Pullover schnell runter.

"Warum isst du nichts?" In meiner Stimme war Zorn zu hören.

Ich wollte ihr keine Angst machen, doch ich wollte nicht das ihr etwas passierte.

"I-ich.." Ängstlich glitt ihr Blick durch den Raum.

"Du kommst jetzt mit." Grob packte ich sie an ihrem Arm und zog sie in die Küche, während ich die Schluchzen hörte.

Ich holte ein Brot und beschmierte es mit einer dicken Schicht Butter.

"Iss das" befehlte ich ihr, woraufhin sie panisch ihren Kopf schüttelte.

"Ich hab keinen Hunger!" Verteidigte sie sich.

"Das hat Gemma auch immer gesagt, bis sie eines Tages Tot neben der Toilette lag."

Stay strong || H. S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt