41. Chapter - Erschütterung (John's Sicht)

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Ich war gerade mit Sam auf dem Weg nach Hause, als mein Handy klingelte. Ich nahm es aus der Tasche, unbekannte Nummer.

Sam sah mich fragend an, doch ich zuckte nur mit den Schultern und hob ab.

"John Adams?"

"John, Gott sei dank, du hebst ab! Hier ist Mary Brown, die Mutter von Patty. Ich weiß nicht wen ich anrufen sollte, aber dann kamst du mir in den Sinn, weil du ja gut mit ihm befreundet bist. Ich dachte, du wolltest wissen, was passiert ist, aber vielleicht auch nicht, und vielleicht störe ich dich gerade auch bei etwas, am besten, ich rufe später nochmal an. Aber er ist doch den Freund, deshalb dachte ich du willst es vielleicht wissen", ertönte sofort die feminine Stimme. Mary klang sehr nervös und angespannt, völlig zusammenhanglose Sätze.

"Mary, beruhigen Sie sich erst mal. Ein und Ausatmen. So, uns jetzt erzählen Sie mir, was ist mit Patty passiert?", fragte ich ruhig und geduldig.

"John, er wurde von einem Auto angefahren. Er liegt im Krankenhaus, bewusstlos. Bis jetzt ist er noch nicht aufgewacht. Ich mache mir solche Sorgen, wenn er innere Blutungen hat oder so. Ich meine, er ist der einzige, den ich habe! Kannst du bitte her kommen, ich fühle mich so einsam und schrecklich"

Ich antwortete ihr, dass ich sofort losfahren werde und verabschiedete mich. Meine Kehle war wie zugeschnürt, ich war total geschockt.

"Wer war das?", fragte Sam interessiert. Er musste mein Gesicht beobachtet haben.

"Pattys Mom. Er hatte einen Unfall. Willst du mit ins Krankenhaus?"

Er sah mich bestürzt an. "Natürlich, er ist auch mein Freund!"

Gemeinsam schwangen wir und wieder auf die Fahrräder und machten uns mit Affenzahntempo auf den Weg zum Krankenhaus. Sam schrieb Vivien und Isabelle eine SMS, in denen er sie knapp aufklärte, was mit Patty passiert ist, und in welchem Krankenhaus er jetzt lag.

Als wir vor dem riesigen Gebäude unsere Fahrräder abschlossen, stürzte Mary aus dem Haus. Sie sah sich hektisch um, erfasste mich und kam auf uns zu gestolpert.

"John, ein Glück, dass du da bist! Und du bist wohl Sam? Spielt keine Rolle, kommt! Patty ist immer noch nicht aufgewacht. Und ach ja, Jordan ist auch da. Er hat den Krankenwagen alarmiert", sprudelte es aus ihr heraus.

Dann drehte sie sich um und lief wieder auf die Schiebetüren des Gebäudes zu. Wir folgten ihr schweigend und betraten hinter ihr das Krankenhaus. Sofort wurde alles hell. Draußen begann schon der Himmel dunkel zu werden, obwohl es erst halb fünf war. So kurz vor Weihnachten ging die Sonne eben schnell unter.

Mary lief zu einem der Aufzüge und drückte den Knopf für die fünfte Etage. Quälend langsam sprang der Zeiger von EG zu der Eins, dann zu der Zwei, zur Drei und dann zur Vier. Dort stieg ein Mann ein und drückte EG.

Ich wurde schon ganz ungeduldig, als der Auszug endlich bei der fünften Etage hielt und die Türen öffnete, stolperte ich fast aus dem Gang. Mir wurde langsam übel.

Mary nannte uns die Zimmerzahl, 548. Sie führte uns durch die mit Neonlicht erleuchteten Gänge und hielt schließlich vor einer weißen Tür mit einer schwarz gemalten 548 drauf.

Leise drückte sie die Klinke herunter und trat ein. Sam und ich folgten ihr. Gespannt bis in die Füßspitzen sah ich auf das Bett, nur ein Arzt und ein geschundener Körper waren in dem Raum.

Der Arzt sah auf, erblickte Mary und stand auf. "Madam Brown, Sie brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen. Ihr Sohn ist aus der Gefahrenzone. Aber er wird noch eine Weile weg sein. In spätestens vier Stunden wird er aufwachen. Geben Sie mir bitte Bescheid, falls sich etwas verändert"

"Ja, ja, mach ich", stotterte Mary und der Arzt ging nickend an mir vorbei aus der Tür.

Schnell setzte sich Mary neben den Körper auf das Bett und streichelte die Hand.

Schweigend setzte sich Sam auf den Stuhl, der in der Ecke stand und ich setzte mich auf die andere Seite des Bettes. Pattys Gesichtsfarbe war blasser als sonst und seine Augen waren geschlossen, ebenso sein Mund.Er hatte eine kleine Beule auf der Stirn, die rötlich verfärbt war. Sein Arm war verbunden und er röchelte leise. Wahrscheinlich wurde er an der Rippengegend getroffen.

"Der Arme", hörte ich mich sagen. Ich schaute Mary zu, wie liebevoll sie ihren Sohn berührte und wie sie ihm schöne Dinge sagte.

Wie gerne hätte ich auch Eltern, die sich so um mich kümmerten...

Die Türklinke quietschte, als Viv und Isa gefolgt von Jordan in das Zimmer traten. In den Gesichtern der Mächen spielte sich Bestürzung und Schock wieder.

In Jordans Augen konnte ich nicht lesen. Er sah müde aus, tiefe Augenringe waren unter seinem Auge zu sehen. Er sah sogar noch schlimmer aus, als in der Schule. In seiner Hand hatte er einen Kaffee.

"Mary, hier ist Ihr Kaffee", murmelte er leise und gab ihn der rothaarigen Frau.

"Danke, Jordan. Das ist sehr freundlich von dir"

Er nickte und setzte sich neben Sam im Schneidersitz auf den Boden. Viv und Isa kamen zu mir rüber und besahen sich den bewusstlosen Patty.

"Weiß man denn schon, wer in angefahren hat?", fragte Isa in den Raum. Auf die Frage war ich gar nicht gekommen!

"Ja, ein älterer Herr, er sagte, dass seine Bremse nicht richtig funktionierte, und er deshalb in die Werkstatt wollte, als er meinen Sohn anfuhr. Er hat sich entschuldigt und das mit der Versicherung und so, hat er gesagt, klären wir später", erzählte Mary.

Isa nickte und fuhr Patty mit der Hand über die Augen. "Hoffen wir, dass er gut träumt"

"Wann wacht er auf?", fragte nun Jordan.

"Spätestens in vier Stunden", antwortete ich, da ich sehen konnte, dass Mary gerade abgelenkt war.

Jordan nickte, niemand wollte mehr sagen, als nötig.

Plötzlich knurrte mein Magen. Ich hatte ja schon seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen.

"Sam, kommst du mit runter in die Cafeteria? Ich hab Hunger", fragte ich und zog ihn einfach mit mir mit.

"Wartet, wir kommen auch noch mit. Ich brauch nen Kaffee", meinte Isa und die Mädchen folgten uns. Im Erdgeschoss setzten wir uns kurz in die Cafeteria. Ich aß ein Kuchenstück, Isa trank einen Cappuccino.

Kurz nachdem wir uns hingesetzt hatten, kam Mary bei uns vorbei.

"Hallo, ich wollte noch fragen, ob ihr ein bisschen bei Patty bleiben könnt, wärend ich mich zu Hause ausruhe. Jordan hat gesagt, ich bräuchte mal ein bisschen Abstand, und ich muss wirklich sagen, ich fühle mich echt fertig"

"Natürlich, bleiben wir noch etwas", meinte ich.

Die anderen nickten nur.

"Danke, ihr seid echt toll!"

Und damit verschwand sie.

Viv und Isa sahen sich an, und dann zu mir: "Sorry John, aber wir können nicht mehr so lange bleiben. Morgen ist ja das Schulprojekt in Geschichte, da müssen wir noch ein Referat machen"

"Okay, Sam?"

"Gut, gehen wir wieder hoch?"

Ich nickte und wir verabschiedeten uns. Zusammen fuhren wir wieder in den fünften Stock und suchten den Weg zum Zimmer.

Die Tür stand einen Spalt offen, deshalb spitzte ich hindurch. Dort saß Jordan auf dem Bett neben Patty und streichelte ihm über die nicht geschundenen Stellen im Gesicht. Eine liebevolle Geste.

Still schloss ich die Tür und ließ die beiden allein.

"Wir werden hier nicht gebraucht, Sam"

Love me, Boy!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt