Albus stürzte sich in die Schulaufgaben. Er verbrachte Tage, Nächte, Wochen damit Aufsätze zu schreiben, seine Hausaufgaben zu erledigen, sich in der Bibliothek eine Unmenge von Büchern auszuleihen und am See oder im Gemeinschaftsraum über ihnen zu büffeln. Überall, wo Scorpius und Alice nicht waren.
Er kam erst spät Abends in den Schlafsaal, wenn die anderen bereits schliefen und würdigte Scorpius keines Blickes, zog seine Vorhänge zu und wartete am nächsten Tag darauf, dass er hinausging, bevor er den Weg in die große Halle zum Frühstück antrat.
Und dennoch begegnete er ihnen manchmal trotzdem. Sie lachten miteinander, gingen Händchenhaltend durch die Gänge und verursachten ihm Magenkrämpfe und Brechreiz. Nach außen hin ignorierte er es. Innerlich kämpfte er mit dem Drang, ihnen ein Beinchen zu stellen oder Scorpius die Nase zu brechen.
Er war so besessen von den ganzen Aufgaben und Büchern, dass er sogar vergaß, mit Jack zu reden und er wusste, dass dieser sich Sorgen machte. Er kam jeden Morgen und jeden Abend beim Essen zu seinem Tisch, brachte ihm einen Kelch Kürbissaft und ein Stück Toast aber Albus rührte nichts davon an. Er schaffte es einfach nicht, irgendetwas hinunter zu bekommen. Und er sah furchtbar aus.
Als er sich eines Morgens im Bad gerade eine Ladung Wasser ins Gesicht spritzte und sein Blick in den Spiegel fiel, erkannte er sich beinahe selbst nicht wieder. Seine Haare standen noch schlimmer ab, als sonst. Seine Augen starrten ihn finster und leer an und tiefe Augenringe zeichneten sich darunter ab. Er war blass. Er hatte sogar abgenommen.
Rose versuchte ebenfalls, ihn immer wieder aufzuheitern. Sie half ihm beim lernen, sie nahm ihn mit nach Hogesmeade in Onkel Georges Schwerzartikelladen aber es interessierte ihn einfach nicht. Es lenkte ihn nicht ab. Lernen lenkte ihn ab. Wenn er sich auf die Prüfungen konzentrierte, war sein Verstand wenigstens mit Dingen beschäftigt, die ihn forderten.
Scorpius sprach ihn ein paar Mal an. Er versuchte eine ganze Woche lang irgendetwas aus ihm heraus zu bekommen und er flehte beinahe darum, dass Albus ihm endlich sagte, was los war aber Albus ignorierte ihn. Eigentlich war es nicht einmal fair, dass er das tat. Scorpius war ihm nichts schuldig. Er konnte zusammen sein, mit wem er wollte und er konnte küssen, wen er wollte. Albus sollte sich für ihn freuen aber er freute sich kein bisschen. Er hasste es sogar noch mehr, als er für möglich gehalten hätte.
Er ging auch James und Lily aus dem Weg, weil er sich Sorgen machte, sie könnten ihren Eltern schreiben, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte und das wollte er nicht. Sie sollten sich keine Sorgen um ihn machen müssen. Eigentlich ging es ihm doch gut. Seine Noten erholen sich nicht nur, sondern schossen nach zwei Wochen sogar so sehr in die Höhe, dass Professor Hyade ihn an einem Freitag nach dem Unterricht abfing, ihm sagte, sie sei unglaublich stolz auf ihn und ihm dann ganze zwanzig Punkte für Slytherin gab. Er freute sich darüber. Wirklich. Auch, wenn es ihn nicht trösten konnte.
»Albus, wir...Müssen reden«, sagte Jack an einem Samstag Ende November, als sie in den drei Besen saßen. Albus hatte ein Buch vor sich ausgebreitet und schrieb gerade einen Aufsatz für Professor Longbottom und blickte nicht einmal auf, als Jack ihn ansprach.
»Worüber?«, fragte er nur und kritzelte den Satz zuende. Jack seufzte.
»Darüber, was mit dir los ist. Du bist nur noch mit Hausaufgaben beschäftigt und du ignorierst jeden, der versucht eine normale Unterhaltung mit dir zu führen. Wie lange hast du nicht mehr geschlafen? Du siehst verdammt fertig aus.«
»Es geht mir gut«, sagte Albus nur und schlug die Seite des Buches um, während er den Text darin überflog. Einen Moment lang war es still und Albus freute sich schon darüber, dass Jack aufgehört hatte ihn auszuquetschen, als dieser erneut anfing zu sprechen.
»Ich wollte das eigentlich nie fragen aber...« Er hielt Inne, unsicher und fuhr dann fort. »Ist es wegen Malfoy? Weil er...Weil er mit Alice Bowle geht?«
Albus erstarrte, spürte wie sein Herz einen Schlag aussetzte und fasste sich sofort wieder, bevor er einen weiteren Satz auf das Pergament schrieb.
»Nein«, sagte er kalt, ohne ihn anzusehen. »Wie kommst du überhaupt darauf? Es ist mir egal, mit wem Scorpius geht. Das ist seine Sache.«
Wieder legte sich Stille über sie. Drüben am Tresen lachte Hagrid über etwas, dass Professor Flitwick gerade erzählt hatte und drei Viertklässler zwei Tische weiter tuschelten miteinander. Albus' Feder kratzte über das Pergament. Jack seufzte erneut.
»Hast du...Mit ihm geredet? Du weißt schon, weil wir darüber gesprochen haben, dass er dein bester Freund ist.«
»Ich will nicht mit ihm reden, ok?«, erwiderte Albus etwas zu energisch und riss beim umblättern beinahe die Buchseite heraus. »Erzähl mir...Erzähl mir einfach wies beim Quidditch Training war. Hat Walsh sich umstimmen lassen, was die Aufstellung angeht?«
»Interessiert dich das wirklich oder willst du nur vom Thema ablenken?«
Er hatte ihn ertappt. Albus hielt Inne, sodass die Tinte einen Klecks auf seinem Pergament hinterließ und starrte unverwandt auf den Aufsatz hinunter.
»Worauf willst du hinaus, Jack?«, fragte er leise.
»Darauf, dass ich das hier kenne und das es nichts mit Prüfungsstress und Hausaufgaben zu tun hat. Du kannst Malfoy und Bowle nicht zusammen sehen, Albus. Spiel mir nichts vor. Ich bin kein Idiot.«
Albus ließ die Schultern sinken, wagte es jedoch noch immer nicht, Jacks Blick zu erwidern. Er wusste es. Er wusste es und wenn Albus jetzt noch weiter log, dann würde er die Sache noch schlimmer machen. Er wollte Jack nicht hintergehen.
»Und...Seit wann weißt du es?«, fragte er leise.
»Seit du letzte Woche draußen am See einfach aufgestanden und gegangen bist, als du die beiden gesehen hast«, erklärte Jack. Er klang nicht wütend. Nichteinmal enttäuscht. Nur ein wenig niedergeschlagen. »Hör zu, ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich denke, fast jeder in unserem Alter weiß das aber...Du darfst dich deswegen nicht so fertig machen. Es geht vorbei.«
»Ich habe wirklich nicht das Gefühl, dass das irgendwann vorbei geht, Jack«, murmelte Albus. »Aber...Danke. Bist...Bist du sauer?«
»Nein«, antwortete Jack zu seiner Erleichterung. »Ich werde nicht Lügen und behaupten, dass es mir nichts ausmacht aber...Es ist ok. Ich komme klar.«
»Jack, ich...« Er legte seine Feder beiseite und blickte unsicher zu ihm auf. »Als ich gesagt habe, dass ich gerne mit dir zusammen bin, habe ich nicht gelogen. Ich mag dich wirklich.«
»Ich weiß«, erwiderte Jack und lächelte ein wenig traurig. »Ich mag dich auch, Albus. Sehr sogar. Aber ich denke, du bist Momentan einfach nicht bereit für eine Beziehung.«
»Du...Machst Schluss mit mir?«, fragte Albus und blinzelte ein paar mal verwundert.
»Sieh es als gemeinsame Einigung«, erwiderte Jack, seufzte über Albus' fassungslosen Blick und rutschte auf der Bank genau neben ihn, so wie er es bei ihrem ersten Date dort gemacht hatte.
»Albus, du bedeutet mir wirklich viel«, flüsterte er und Strich ihm eine Strähne seiner Haare aus dem Gesicht. »Und ich verbringe gerne Zeit mit dir aber...Du bist gerade völlig durcheinander und ich glaube nicht, dass ich dir dabei helfe, deine Gedanken zu ordnen. Ich denke eher, dass ich dich dabei störe.«
»Das ist nicht wahr«, erwiderte Albus kopfschüttelnd. »Ich will nicht...Ich will nicht, dass du denkst, du könntest mir auf die Nerven gehen. Das tust du nicht. Ich...Ich weiß nur einfach nicht mehr, was richtig ist.«
»Aber du wirst es herausfinden«, erwiderte Jack und grinste, während er den Daumen über Albus' Lippen gleiten ließ. »Weil du klug bist und wundervoll und weil du nicht aufgibst. Albus...Ich wünsche dir wirklich alles Glück dieser Welt.«
Und dann küsste er ihn zum letzten Mal, stand auf und verließ das Pub, während Albus an die Stelle starrte, an der er vorhin noch gesessen hatte und nicht wusste, ob er erleichtert sein oder schon wieder in Tränen ausbrechen sollte.
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Give Me A Reason - HP Scorbus FF
FanficAlbus Potter und Scorpius Malfoy treten ihr fünftes Jahr in Hogwarts an und eine Achterbahn der Gefühle beginnt. * ::Textausschnitt:: Erneut spürte er, wie seine Augen brannten und zwang sich, unberührt in den Kamin zu starren aber er wusste, dass...