Kapitel 13

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Belle

Mir war heiß und dann wieder kalt. Dann heiß, dann kalt. So verlief meine ganze Nacht. Ich war kaum bei Sinnen, deswegen erkannte ich nur eine verschwommene Gestalt, die sich um mich kümmerte. Ich wagte zu behaupten, dass es Mia war. Aber ich war mir nicht sicher, denn mir fielen ständig die Augen zu.

»Miss Night«, hörte ich ihr leises Flüstern. »Wachen Sie auf« Jetzt war ich mir sicher. Es konnte nur Mia sein.

Mühevoll blinzelte ich und schlug die Augen auf. Ich grummelte vor mich hin. Meine Beine schmerzten als ich mich versuchte aufzurichten. Mia eilte mir zur Hilfe.

»Gut, Sie sind wach.«, lächelte sie. Hart schluckend nickte ich. Mein ganzer Mund und mein Hals waren wie ausgetrocknet. Nicht einmal schlucken konnte ich. Mia neigte leicht den Kopf. »Es wird gleich ein Farbloser kommen, um mich wieder wegzubringen, aber Sie werden leider noch eine Weile hier aushalten müssen. Während Sie geschlafen haben, habe ich ihre Wunden versorgt. Es hat sich entzündet, deswegen haben Sie sehr hohes Fieber.« Nur mit Mühe schaffte ich es ihr zuzuhören. »Hier nehmen Sie das.« In ihrer kleinen Handfläche verbarg sich eine weiße Tablette, die sie zu meinem Mund führte.

Reflexartig presste ich die Lippen fest aufeinander und schüttelte den Kopf. Wenn es von den Farblosen kam, dann wollte ich das nicht. Mich konnten sie nicht täuschen. Vielleicht hatten sie Mia bereits auf ihre Seite gezogen, aber ich war nicht dumm!

»Vertrau ihnen nicht«, krächzte ich schwach.

Seufzend senkte sie die Hand mit der Tablette. »Wir haben keine andere Wahl, verstehen Sie nicht? Wenn Ihr Fieber nicht bald runtergeht, dann-«

Stur schüttelte ich den Kopf. »Ich lasse nicht zu, dass man mich vergiftet.«

Meine Worte frustrierten sie. Sie legte die halbe Flasche Wasser und die Tablette neben mir auf dem Boden ab und stand auf. »Es ist Ihre Entscheidung, Miss. Aber ich muss jetzt gehen. Draußen wartet ein Farbloser auf mich.«

Etwas gekränkt über ihre Verbundenheit mit den Farblosen, nickte ich. Wieso durfte sie einfach hier reinspazieren und mit mir reden ohne von einem Farblosen überschattet zu werden? Was hatte sie ihnen alles verraten, dass sie ihr vertrauten?

»Ich hoffe, Sie kommen hier bald raus.«, fügte sie beim Gehen noch hinzu ehe sie an der Tür klopfte und diese dann aufschwang. Sie ging davon und ließ mich wieder in meiner bitteren Einsamkeit zurück.

Es ging mir immer schlechter und mir fehlte jegliche Kraft nach Hilfe zu rufen. So kam es, dass ich über meinen Schatten sprang und diese unbekannte Pille zu mir nahm und aus der Flasche trank. Jetzt konnte ich nur beten, dass mir nichts passierte. Ich hatte keine andere Wahl gehabt.



Die knarrende Tür weckte mich aus meinem endlosen Schlaf. Licht fiel in den dunklen Raum und erhellte ihn augenblicklich. Sofort tränten meine Augen, über die ich rieb während ich mich aufrappelte. Eine schwarze Gestalt trat ein, holte ein klirrendes Schlüsselbund heraus und sperrte die Gittertür auf. Ich rang noch mit meiner Sehschärfe als die Person sich vor mich kniete. »Wie geht es dir?«

Ich hielt die Luft an und fuhr mir ein letztes Mal über die Augen. »Pherb?«

Ich vernahm ein leises Schmunzeln. »Du hast dir also meinen Namen gemerkt.«, stellte er das Offensichtliche fest. »Ich bin hier, um dich zu deiner neuen Unterkunft zu begleiten.«

Erleichtert schloss ich die Augen. Endlich kam ich aus diesem Drecksloch raus! Nun bildete sich die Frage: Wohin?

Für seine Verhältnisse zog er mich sanft auf die Beine und ich konnte es mir nicht verkneifen mich zu fragen, warum er auf einmal sanfter mit mir umging. Lag es an den Wunden, die sich auf meinen Beinen entzündet hatten? Mein Fieber war bereits gesunken und ich fühlte mich auch schon um einiges wohler in meiner Haut. Auch dank Mia, die meine Wunden versorgt und mit Verband eingewickelt hatte. Ich nahm mir fest vor, mich bei der nächsten Gelegenheit bei ihr zu bedanken.

Als wir ans Tageslicht traten, kniff ich ungewollt die Augen zusammen. Von der schwarzen Gefangenenzelle, in die kein Funken Licht einstrahlte, in die helle Freiheit wechseln war ein enormer Unterschied. Außerdem hatte ich da unten jegliches Zeitgefühl verloren gehabt. Wie viele Tage nach dem Eintreffen waren nun vergangen? Ein ganzer Tag?

»Welchen Tag haben wir?«, traute ich mich zu fragen. Mit meiner rechten Hand schirmte ich die Sonnenstrahlen von meinen Augen ab.

Pherb warf mir einen kurzen Seitenblick zu während wir an weiteren Farblosen an den Straßenrändern vorbeiliefen. »Den 26. Mai«

Überrascht riss ich die Augen auf. »Ich war drei ganze Tage da unten?!« Das würde heißen, dass die Suche meines Vaters erfolglos lief!

»Ja, du hast die ganze Zeit geschlafen. Und wahrscheinlich erinnerst du dich auch nicht daran, dass eine Ärztin bei dir unten war, um dich zu untersuchen oder dass du dennoch einmal am Tag eine kleine Mahlzeit und eine halbe Flasche Wasser zu dir genommen hast?«

Verwirrt krauste ich die Stirn. Aber war nicht Mia bei mir?

»Auf jeden Fall bist du jetzt bereit wie deine Freundin, Mia wenn ich mich nicht irre, anzufangen zu arbeiten und dich wenigstens als nützlich zu erweisen. Mia hat uns alles was sie wusste erzählt. Deswegen wird sie auch nicht bestraft. Einige Farblose verstehen sich sogar langsam ziemlich gut mit ihr.« Das dachtet ihr vielleicht, was? »Nur noch du musst endlich mit deinem Wissen rausrücken. Mehr wollen wir doch gar nicht. Und wenn du nicht nochmal in einem Kerker für diesmal längere Zeit vergammeln willst, solltest du es auch tun.«, predigte mir der Rothaarige.

Ich schluckte schwer und senkte den Blick auf meine Füße, die mich auf einmal nur sehr schwer tragen konnten. »Ich weiß gar nicht mehr als Mia.«, murmelte ich in der Hoffnung er würde es mir glauben, aber da irrte ich mich gewaltig.

»Bella, stimmt's?«

Erneut nickte ich.

»Wir haben nur ein Ziel vor Augen. Wir wollen die Rote Prinzessin finden.«

»Was wollt ihr von ihr?«, schoss es etwas zu schnell aus mir raus und mein Herzschlage verdoppelte sich. Als sein Blick misstrauisch wurde, fügte ich schnell noch hinzu: »Ähm, ich meine, sie hat doch nichts mit dem Ganzen zu tun, oder?«

Er blieb weiterhin misstrauisch. Nachdenklich zog er die rechte Augenbraue hoch und sah mich aus den dunklen Augen seitlich an. Schnell wandte ich den Blick ab. »Wir haben kein Problem mit ihr falls du das meinst. Aber wir haben ein Problem mit ihrem Vater.«

»William Night«, murmelte ich.

»Genau« Seine Augen blickten wieder stur nach vorne. »Bella, sieh dich doch mal um.«

Ich tat, was er sagte und begutachtete die ganzen runtergekommenen Häuser und die kleinen dürren Menschen, die zwischen den ganzen Ruinen saßen und uns beobachteten. Augenblicklich wollte ich meine Augen verschließen und dieses Bild aus meinem Kopf schlagen. Aber das war nicht möglich, deswegen sah ich dem Kind, dessen Rippen teilweise rausstachen, dabei zu, wie es einem dreckigen Ball hinterherrannte. Innerlich wiederholte ich die Worte meines Vaters: Sie verdienen nichts Besseres. Das sind Kriminelle.

Jetzt fragte ich mich aber was dieses Kind getan hatte, um eine solch grauenvolle Kindheit zu verdienen. Was für Eltern hatte er? Diebe? Vergewaltiger? Mörder?

»Wir sind keine schlechten Menschen, nur weil William Night uns als welche bezeichnet.«, sagte Pherb als könnte er meine Gedanken lesen. »Manche von uns haben in der Vergangenheit schwerwiegende Fehler begangen, aber jeder lernt aus ihnen. Man gibt uns keine Chance in der Gesellschaft, deswegen müssen wir uns unsere Chancen selber schaffen.«

»Ich weiß nichts über die Rote Prinzessin.«, sagte ich, weil ich nicht wollte, dass er weitersprach. Es tat weh und ich hatte Angst, dass ich seinen Lügen noch Glauben schenkte.

»Bella-«

»Nein!«, herrschte ich ihn ungewollt an. »Ich sagte, ich weiß nichts!«

Ob er wohl meine Panik spürte, mein Herz laut gegen meinen Brustkorb schlagen hörte und meine Schweißperlen, die mir den Nacken entlang rollten, sah?

»Dann wirst du es hier mit Jack sehr schwer haben.«

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt