Kapitel 26

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„Wie gesagt, und dann bin ich hier gelandet", endete ich meine Erzählung. Ich hatte den beiden Spinnen gerade alles zusammengefasst, was passiert war, seit ich hier im Dorf war. Beide saßen direkt vor meiner Zelle und starrten mich an. Fast so, als würden sie mir wirklich zuhören.

„Ach ja, und falls ihr es noch nicht wisst: Ich bin übrigens Lina", sagte ich. Keine Ahnung, ob ich mich schon vorgestellt hatte – hier drinnen wurde man langsam verrückt. Ich wusste nicht, wieviel Zeit schon vergangen war. Einmal war Arac mit einem Glas Wasser, einem Eimer und Klopapier vorbeigekommen. Eine richtige Toilette gab es hier natürlich nicht. Ekelhaft!

„Ihr beide habt ja keine Namen, oder?", fragte ich. Die beiden Spinnen klickten leise und bewegten ihre massigen Körper von links nach rechts und wieder zurück. Was, wenn sie wirklich verstanden, was ich sagte?

„Wisst ihr was?", sagte ich. „Scheiß auf Arac. Ihr bekommt jetzt beide einen." Ich zeigte auf die Erste von ihnen, die mit der etwas helleren Behaarung und dem grauen Muster am Rücken. „Du bist ab heute Websie, okay?" Die Spinne klickte bloß, doch irgendetwas sagte mir, dass sie einverstanden war. Ich drehte mich zu der anderen, die vollkommen pechschwarz war. „Und du bist Spidey."

Websie machte einen kleinen Schritt näher an die Zelle. Ich erhob mich von meinem Sitzplatz und trat an das Gitter. Vorsichtig streckte ich beide Hände aus und berührte damit jeweils ein langes, haariges Bein von Spidey und eines von Websie. Eigentlich waren die beiden ja ganz süß, wenn man so darüber nachdachte. Sie waren groß und flauschig, wie ein Riesenteddybär. Klar, die acht Augen und Giftzähne wirkten vielleicht abschreckend, aber solange sie niemanden damit attackierten, konnte man ihnen das ja nicht vorwerfen – so waren sie nun mal auf die Welt gekommen. Und wenn man sie lange genug aus der Nähe betrachtete, wirkten sie gar nicht mehr so gruselig.

„Okay, ihr beiden", sagte ich und setzte mich wieder. Diesmal blieb ich direkt vor dem Gitter. „Wie lange gibt es euch eigentlich schon? Und werdet ihr gut behandelt? Wenn ihr so groß seid, braucht ihr bestimmt eine Menge Futter."

Spidey klickte leise, während Websie die Beine ausstreckte und sich flach auf den Boden legte.

„Steckt ihr auch hier fest?", fragte ich. „Könnt ihr auch nicht ins Sonnenlicht, oder dürft ihr einfach nur nicht?"

Die beiden antworteten nicht, aber irgendwie wirkten sie niedergeschlagen. Falls Spinnen denn niedergeschlagen sein konnten.

„Arac ist ein Arsch", fuhr ich fort. „Er selbst geht nach draußen, aber ihr müsst hier unten bleiben. Ich meine, klar, es würde eine Weile dauern, bis die Leute keine Angst mehr vor euch hätten, aber es gibt ja genug Menschen, die Riesenhunde halten, also werden sie sich schon auch an Riesenspinnen gewöhnen können." Ich zögerte kurz. „Ihr esst doch keine Menschen, oder? Das wäre nämlich blöd."

Websie klickte einmal in voller Lautstärke, als würde sie sich über meine Aussage empören.

„Entschuldige, natürlich nicht", sagte ich schnell. „Tut mir leid, das ist alles noch recht neu für mich."

Ein paar Sekunden lang blieb es still zwischen uns. Ich seufzte laut. „Was mit euch allen passiert ist, tut mir leid", sagte ich. „Keine Ahnung, wie ihr beide in diese Geschichte verwickelt seid, aber ich denke, ein paar hundert Jahre Strafe sind mehr als genug. Vor allem, wenn manche hier gerade einmal Kinder waren, als alles passiert ist." Ich schüttelte den Kopf. „Wenn ich es könnte, würde ich sofort mit meinen Eltern reden und die Sache klären – aber nein, Arac hält es ja für besser, mich hier festzuhalten und meine Eltern zu erpressen. Ich kann nur hoffen, dass mich irgendjemand hier findet."

Ich presste die Lippen aufeinander. Was, wenn ich schon mehrere Tage hier festsaß? Jake und Jared machten sich bestimmt Sorgen! Oder aber es war erst eine halbe Stunde vergangen und sie wussten noch nicht einmal, dass ich weg war.

Die Bewohner von Harrowville (Band 1: Spinnen) | Wattys 2022 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt