Kapitel 17

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Als ich am Morgen aufwachte, fühlte ich mich gut. Bis zu dem Moment, als ich mich aufrichtete und ein stechender Schmerz durch meinen Kopf schoss. Ich ließ mich zurück ins Bett fallen und schloss die Augen mit einem Stöhnen wieder.

Langsam kehrten die ersten Erinnerungen zurück. Ich hatte getrunken – viel getrunken, zumindest das wusste ich noch. Ich zwang mich dazu, zu blinzeln, und blickte zu meinem Nachtkästchen. Irgendjemand hatte mir dort ein Glas Wasser hingestellt. Wer auch immer es war: Ich liebte ihn jetzt schon. Meine Kehle fühlte sich nämlich an wie Sandpapier und ich hatte das Gefühl, meine Stimme würde versagen, wenn ich es auch nur versuchte, ein Wort hervorzubringen. Ich setzte mich ein Stück auf, auch wenn mein Kopf heftig dagegen protestierte, und leerte das Wasser in einem Zug hinunter. Schon besser! Ein bisschen zumindest. Ich war immer noch vollkommen verschwitzt und fühlte mich so ekelhaft, als hätte ich fünf Tage lang nicht mehr geduscht. Dementsprechend roch ich wahrscheinlich auch.

So war es also, betrunken zu sein. Also einmal im Leben musste ausreichen, denn ein zweites Mal wollte ich so einen Abend nicht erleben! Obwohl dieser rosarote Likör echt verdammt gut geschmeckt hatte...

Nein! Einmal reichte!

Kurz schloss ich die Augen wieder. Was war denn noch alles geschehen? Ich runzelte die Stirn. Ich hatte getrunken, ich hatte getanzt ... und dann? Ich sah Jareds Gesicht vor mir. Mir wurde eiskalt. Ich hatte wohl hoffentlich nicht versucht, ihn zu küssen, oder? Oder?

Es wollte mir nicht einfallen. Dafür tauchte vor meinem inneren Auge jetzt Maude auf. Was hatte sie nochmal gesagt? Auch irgendetwas mit küssen ... ach ja, dass Mel sie geküsst hatte.

Warte, was? Doch, irgendwie ergab das Sinn, aber ... na ja, hoffentlich hatte ich das nicht nur geträumt. Irgendwie waren die beiden nämlich schon süß zusammen.

Stimmt, genau! Maude hatte jemanden geküsst, nicht ich! Ich hatte also nicht Jared geküsst!

Die Freude hielt nur eine kurze Sekunde an. Was zum – wieso ärgerte ich mich jetzt darüber? Ich sollte lieber froh sein, dass ich jetzt nicht vor einer peinlichen Situation stand!

Aber egal, was war noch passiert? Genau, dieser verrückte Typ war aufgetaucht, dann hatte ich noch mehr getrunken, und dann...

Hatte ich mich übergeben. Genau, ich hatte in einen Blumentopf gekotzt, weil ich dachte, das wäre besser, als alles auf dem Boden zu verteilen.

Und dann hatte ich erst recht auf den Boden gekotzt. Konnte bitte irgendjemand eine Schaufel bringen, mich damit erschlagen und in der nächsten Wiese eingraben?

Okay, einmal alles von vorne, damit ich mich auskannte: Mel hatte Maude geküsst, ein fremder Typ, der Leute im Wald ermordete, stellte mir nach, und ich hatte meinen Freunden vor die Füße gekotzt. Wow. Jetzt stand es eindeutig fest: Nie wieder Alkohol!

Trotz meiner Kopfschmerzen zwang ich mich dazu, aufzustehen – und trat auf etwas Weiches. Ich stieß einen spitzen Schrei aus. Dann erkannte ich Jared am Boden.

Er stöhnte und rollte zur Seite. „Noch fünf Minuten", murmelte er. Mir fiel auf, dass ich auch sonst nicht alleine im Zimmer war: Jake schlief beim Fenster und Maude lag in einer Ecke. Als ich sie anstarrte, starrte sie mit rotleuchtenden Augen zurück. Was hatte ich ihr denn jetzt schon wieder angetan?

Ich schlurfte zu meinem Kleiderschrank und nahm mir frische Wäsche, dann verzog ich mich ins Badezimmer.

Als ich in ein Handtuch gewickelt aus der Dusche trat, stand noch jemand im Raum. Ich seufzte und betrachtete Maude. „Schon wieder?", fragte ich. „Kann ich nicht einmal meine Ruhe beim Duschen haben?"

Die Bewohner von Harrowville (Band 1: Spinnen) | Wattys 2022 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt