Kapitel 11 - Gefühlsregungen

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"Unfassbar.", Leon brummte vor sich hin, während er Sophie immer noch sauer am Handgelenk hinter sich herzog. Er machte riesige Schritte, sodass sie aufpassen musste nicht zu stolpern, da sie kaum hinterherkam.

"Leon, bleib doch mal stehen. Du tust mir weh.", rief sie und tatsächlich hielt Leon an. Er drehte sich zu ihr um und ließ ihr Handgelenk los.

"Sorry.", murmelte er. Sophie musterte ihn einen Moment.

"Erklärst du mir mal, was hier los ist?", fragte sie und legte die Stirn in Falten. Die kalte Luft und Leon's übertriebene Reaktion hatten dafür gesorgt, dass sie sich wieder etwas nüchterner fühlte. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass John jetzt nicht mehr in ihrer Nähe war.

"Er hatte mir versprochen, dass er dich nicht anpackt.", Leon's Augen funkelten immer noch wütend und Sophie blickte ihn fragend an.

"Wer?"

"Na, John."

"Was? Wann das denn?", Sophie schien immer noch nicht alles richtig zu verstehen.

"Als die bei uns in der Wohnung waren. Aber da wusste ich ja auch noch nicht, dass du dich so billig an ihn ranschmeißt.", Leon wirkte genervt, aber da hatte er nicht mit Sophie gerechnet. Sie stemmte die Hände in die Hüfte und blickte Leon fassungslos an.

"BITTE? Was bildet ihr euch denn ein? Was denkt ihr, wer ihr seid?", ihre Stimme wurde lauter und Leon schaute sie verwirrt an.

"Ich wollte doch nur, dass... -", er wollte sich verteidigen, aber Sophie fiel ihm ins Wort.

"Mir scheiß egal, was du wolltest. Ich bin eine erwachsene Frau, Leon. Ich entscheide immer noch selbst, was ich mit wem tue und von dir lasse ich mir da bestimmt schon lange nicht mehr reinreden. Du hast ja nicht mal dein eigenes Leben im Griff. Ich fasse es einfach nicht. Was bildest du dir ein? ", sie brüllte ihn an, aber er reagierte kaum. Er starrte sie einfach nur stumm an. Sophie atmete tief durch.

"Und wehe du nennst mich noch einmal billig! Kriegst dein eigenes Leben nicht auf die Kette und wagst es mich zu verurteilen?", sie schubste ihn zurück, als er einen Schritt auf sie zumachte. In ihrem ganzen Leben war sie noch nie so wütend gewesen. Leon schien von ihrem Schubser unbeeindruckt und trat erneut auf sie zu.

" Was hat der Kerl, was du gut findest?", fragte Leon leise und Sophie starrte ihn an. Er war auf einmal so nah und sah verletzt aus.

"Was weiß ich denn. Irgendwas halt. Verstehe ich ja selber auch nicht.", brummte sie, immer noch etwas sauer. Leon stöhnte leise auf und trat einen weiteren Schritt auf sie zu. Sophie stolperte verwirrt nach hinten und spürte eine Wand im Rücken. Leon stand direkt vor ihr und schaute zu ihr hinab.

Sophie merkte, wie ihr Herz anfing zu klopfen. Es war aber anders als bei John. Hier klopfte ihr Herz, weil es sich komisch anfühlte und sie der Situation am liebsten entfliehen würde. Sie stand bewegungslos da, als Leon sich zu ihr herunterbeugte und seine Lippen sanft auf ihre legte. Seine Hände legte er auf ihre Hüfte und zog sie zu sich heran. Sophie fühlte sich bewegungsunfähig, sie ließ es einfach geschehen, aber erwiderte den Kuss nicht.

Als sich Leon von ihr löste, hatte er immer noch seine Hände auf ihren Hüften liegen und Sophie schob sie sanft aber bestimmt weg.

"Leon...", meinte sie leise und schaute ihn verwirrt an. Leon strich sich durch die Haare und trat zurück.

"Sorry, ich hätte das nicht tun sollen.", stellte er fest und schaute Sophie nicht an. Sie seufzte leise.

"Und wieso hast du es getan?", fragte sie und eine ungute Befürchtung beschlich sie. Leon warf ihr einen kurzen Blick zu.

"Ganz ehrlich, Sophie. Seit Ewigkeiten kennen wir uns und du hast mich so nie beachtet. Das war irgendwie okay für mich, weil du auch sonst niemanden seit deinem Exfreund beachtet hast. Aber jetzt meckerst du ständig herum, was aus mir geworden ist, stehst aber total auf John... Und der ist ja wohl tausendmal schlimmer als ich es bin. Also was hat er, was ich nicht habe? Wieso er und nicht ich? Weil er reich und berühmt ist? ", Leon blickte sie wütend und verletzt an, aber Sophie brauchte einen Moment um seine Worte zu begreifen.

"Das ist doch Blödsinn, Leon. Ich will doch gar nichts von John. Ich finde ihn zwar interessant und irgendwie attraktiv, aber das ist doch auch alles. Aber du... Du und ich sind doch einfach beste Freunde, Leon...", sie stammelte leicht, weil sie nicht sie richtigen Worte fand. Hatte Leon ihr gerade gesagt, dass er mehr von ihr wollte? Das hatte sie nie für möglich gehalten.

"Für mich sind wir nicht nur beste Freunde.", Leon biss die Zähne zusammen und starrte auf seine Hände.

"Das empfindest du vielleicht im Moment so, aber das ändert sich auch wieder.", Sophie schaute ihn hoffnungsvoll an, aber er schüttelte den Kopf, dann blickte er ihr direkt in die Augen.

"Ich bin schon seit Jahren in dich verliebt.", Leon schaute sie finster an, dann drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit. Sophie blieb erstaunt zurück und starrte ihm hinterher, auch als er lange schon nicht mehr zu sehen war. Sie fror plötzlich und wollte nur noch nach Hause. Sie merkte, wie die Tränen in ihre Augen stiegen. Leon hatte sie einfach alleine hier stehen lassen, mitten in der Nacht. Auf einmal fühlte sie sich halbnackt und verkrampfte, als sie männliche Stimmen hörte, die immer näher kamen.

Unsicher blickte sie sich um. Sie wollte eigentlich wirklich nicht zurück zu John, aber noch weniger gern wollte sie alleine hier draußen sein. Sie konnte bei John immerhin in Ruhe auf ein Taxi warten.

Sie lief schnell zu der Tür zurück und klingelte. Sekunden, die Sophie auf jeden Fall endlos lang vorkamen, später öffnete sich die Tür und sie eilte die Treppen hoch.

"Sophie?", John schaute sie überrascht an. Diesmal hatte er die Tür selber geöffnet.

"Sorry, ich wollte mir ein Taxi rufen und nicht draußen im Dunkeln darauf warten.", meinte sie entschuldigend und John blickte sie prüfend an.

"Wo ist Leon?", fragte er schließlich und legte den Kopf leicht schief. Ihm fiel auf, dass Sophie traurig aussah.

"Weg.", meinte sie schlicht und griff nach ihrem Handy. Sie wählte die Nummer eines Taxiunternehmens, aber bevor sie anrufen konnte, legte John seine Hand auf ihre und hielt sie ab.

"Ich bring dich.", stellte er fest und griff nach einer Jacke an der Garderobe. Anstatt sie anzuziehen, reichte er sie Sophie.

"Aber deine Party?", fragte sie verwirrt und nahm die Jacke dankbar an. Irgendwie fror sie immer noch.

"Ach, die kommen auch eine Weile ohne mich klar.", er machte eine wegwerfende Handbewegung, dann grinste er als er sah wie Sophie seine viel zu große Jacke trug. Sie sah niedlich aus.

"Ey, Marten, digga, ich bring mal eben Sophie nach Hause. Bin gleich wieder da.", rief er Marten zu, der gerade kurz durch den Flur ging. Er blieb überrascht stehen, dann grinste er breit.

"Jo, lasst euch Zeit.", sein Grinsen war wissend und er zwinkerte Sophie zu. Sie wurde rot und senkte den Blick.

"Na komm.", John ließ die Worte seines Cousin unkommentiert und legte Sophie eine Hand in den Rücken, um sie aus der Tür schieben.

Kieztränen (Bonez MC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt