Kapitel 15 - Röntgenaufnahmen

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Sophie legte sich in den Ruheraum für Ärzte und schloss die Augen. Sie konnte sich nicht so richtig an 48 Stunden Schichten gewöhnen. Selten bekam man wirklich viel Ruhe und immer wenn man gerade fast eingeschlafen war, kam es zu einem Notfall und man musste sofort wieder bei 100 Prozent sein. Sie seufzte schwer.

Sie hatte Leon seit dem Abend nicht mehr gesehen. Er ging ihr offenbar aus dem Weg. John hatte sich seit dem Frühstück auch nicht mehr gemeldet, aber das wunderte sie nicht. Immerhin hatte er sie nur noch einmal flachlegen wollen - das hatte der Kuss ihr bewiesen.  Und diesen Fehler würde sie nicht noch einmal machen. Auch wenn Leon sich in letzter Zeit wie ein Vollidiot aufgeführt hatte, wollte sie ihm nicht noch mehr wehtun.

"Sophie?", die Tür ging auf und eine Krankenschwester schaute hinein. Sophie setzte sich etwas auf und blickte sie fragend an.

"Da ist ein Mann, der explizit nach dir verlangt. Es scheint keine schlimme Verletzung zu sein, aber er hat gefragt, ob du da bist.", die Krankenschwester zuckte mit den Schultern und Sophie zog die Augenbrauen zusammen. Das war merkwürdig. Sie stand aus dem Bett auf, zog sich den Kittel über und schlurfte hinter der Schwester her. Die hielt vor einer Tür an, deutete darauf, dann ging sie.

Sophie öffnete die Tür und blickte hinein. Ein Seufzen entwich ihr, als sie den riesigen Mann auf dem Stuhl erkannte.

"Marten.", brummte sie und betrat den Raum. Sie schloss die Tür hinter sich und bemerkte, wie Marten sie musterte. Dann grinste er sie an.

"Wieso habt ihr eigentlich ständig irgendwelche Verletzungen?", fragte Sophie und zog sich Handschuhe an. Sie ließ sich vor Marten auf den Stuhl fallen, dann riss sie geschockt die Augen auf. Martens Kleidung war mit Blut übersäht. Es sah bereits getrocknet aus.

" Ist nicht meins. ", meinte er als er ihren Blick bemerkte.

"Beruhigend.", brummte Sophie sarkastisch. Marten hielt ihr seine Hand hin.

"Ich dachte, wenn wir jetzt schon unsere eigene Ärztin haben, kannst du mir sagen, ob die gebrochen ist.", teilte er ihr amüsiert mit. Sophie runzelte die Stirn. Wie konnte er so ruhig sein?

"Ich bin nicht eure eigene Ärztin. Ich bin richtige Ärztin. Und ihr solltet aufhören euch ständig zu prügeln oder abzustechen.", murmelte sie und blickte die Hand an. Sie sah mitgenommen aus, aber nicht unbedingt gebrochen.

"Und wenn du dich schon prügeln musst, lern wenigstens wie man richtig zuschlägt.", sie wusste, dass man Marten besser nicht reizen sollte, aber irgendwie konnte sie nicht anders.

"Glaub mir, ich kann richtig zuschlagen.", brummte er und sie glaubte ihm aufs Wort.

"Wir röntgen, aber ich glaube es ist alles okay. Wäre vielleicht nur gut, wenn du in nächster Zeit deine andere Faust benutzt.", meinte sie und sprang auf. Marten lachte auf.

"Also, du und Johnny ihr geht frühstücken?", fragte er und lehnte sich grinsend nach hinten. Sophies Hals schnürte sich zu und sie starrte ihn einen Moment sprachlos an.

"Wir waren einmal frühstücken... Bei dir klingt es ja so, als wäre das ein Hobby von uns. Und ehrlich gesagt, ich weiß auch nicht, wieso wir frühstücken waren.", sie äffte Martens Tonfall bei dem Wort nach. Er schien immer noch eher amüsiert als gereizt.

"Schade, und ich hatte gedacht, dass du dieses Rätsel lösen könntest.", meinte er schmunzelnd, dann stand er auch auf.

"Was für ein Rätsel?", fragte Sophie und hasste es, dass sie viel zu neugierig klang. Marten blickte auf sie hinab und grinste breit.

"Glaubst du, er macht das mit jeder?", fragte er sie und Sophie hielt einen Moment den Atem an.

"Er hatte nur Schiss, dass das seine Freundschaft zu Leon gefährdet.", meinte Sophie und zuckte mit den Schultern. Das erklärte jedoch nicht, wieso er sie dann doch wieder geküsst hatte. Marten blickte sie einen Moment wortlos an, dann nickte er knapp.

"Wenn du das sagst...", meinte er. Sophie ging aus dem Raum, Marten trottete hinter ihr her. Er folgte ihr wortlos in den Röntgenraum und ließ sich dann wieder nieder. Sophie richtete seine Hand aus, dann eilte die Röntgenschwester herbei und nahm ihr die Arbeit ab. Sophie verließ den Raum und atmete tief durch.  Sie hatte das Gefühl, dass Marten der Zufall mit der Hand ganz gelegen kam, weil er ihr auf den Zahn fühlen wollte. Aber wieso? Was hatte John zu ihm gesagt?

Sophie griff nach ihrem Handy und öffnete den Chat mit John. Sie starrte eine Weile auf den Bildschirm, dann tippte sie: Wieso ist dein Cousin in meinem Krankenhaus und fragt mich aus?

Sie steckte das Handy zurück in die Kitteltasche, da vibrierte es schon.

Dachte schon, du meldest dich nie.

Sophie runzelte die Stirn. Das war keine Antwort auf ihre Frage und wieso hätte sie sich auch melden sollen?

Hetzt du deswegen deine Kumpels auf mich? Du hättest dich auch einfach melden können..

Sie blieb vor dem Röntgenraum stehen und wartete, dass Marten fertig war und sie die Aufnahmen bekam. Ihr Handy hielt sie in der Hand und sah, dass John eine Weile tippte.

Ich hetze niemanden auf dich. Und mit Sicherheit melde ich mich bei niemanden, der mich einfach stehen lässt.

Sophie strich sich die Haare aus dem Gesicht. Hatte sie John etwa in seinem Stolz verletzt? Sie war etwas von seiner offensiven Art überfordert. Was wollte er jetzt von ihr hören?

Tut mir leid, wenn ich dich in deinem Stolz gekränkt habe.

Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie hätte ihm vielleicht besser doch nicht geschrieben.

Ich weiß, wie du es wieder gut machen kannst. Lass uns heute Abend einen Film gucken... Bei mir.

Sophie starrte auf ihr Handy... War das sein Ernst? Sie musste noch ein paar Stunden arbeiten und dann wollte sie eigentlich nur noch schlafen. Alleine. Und nicht mit John.

Die Tür öffnete sich und Marten kam mit der Röntgenschwester heraus. Sie lächelte ihn breit an und er grinste selbstbewusst.

"Ich meld mich.", meinte er und zwinkerte ihr zu. Die Röntgenschwester wurde rot und drückte Sophie die Aufnahmen in die Hand. Sophie verdrehte die Augen.

"Hast du dir jetzt echt ihre Nummer besorgt?", fragte Sophie als sie wieder im Behandlungsraum waren. Marten nickte zufrieden.

"Idioten.", brummte Sophie, dann dachte sie erneut an John. Wollte sie sich mit ihm treffen? Sie starrte auf die Röntgenaufnahmen, aber ihre Gedanken waren ganz woanders. Sie griff in ihre Kitteltasche, holte ihr Handy hervor und schrieb John zurück.

Morgen wäre okay.

"Was ist denn jetzt?", fragte Marten und Sophie blickte sich verwundert zu ihm um.

"Jaha, ich treff mich ja schon mit... Oh du meinst die Aufnahmen. Alles gut."

Kieztränen (Bonez MC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt