~Beobachter~

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Lesewochenende Tel 3

Luan beschloss die Nacht unter einem kleinen Felsvorsprung zu verbringen. Hier wären sie einigermaßen geschützt. Nina war von seinem Rücken runter gestiegen und verwandelte sich wieder in ein Kaninchen. Er erwischte sich bei dem Gedanken sie gerne noch länger in ihrer Menschlichen, nackten Gestalt beobachten zu können. Doch auch ihre Kaninchengestalt hatte eine seltsam anziehende Wirkung auf ihn.

"Also ich werde mir jetzt was zu Futtern suchen, was ist mit dir? Du musst doch auch schon einen Bärenhunger haben?" Während sie sprach erstarrte sie. Wie kam sie dazu, einen Löwen an seinen Hunger zu erinnern?!

"Stimmt. Ich könnte wirklich eine Kleinigkeit vertragen. Eine Kleinigkeit mit weißem Fell und langen Ohren."

Sie hoppelte ein paar Schritte und lachte nervös. "Sehr witzig... ich ähm ja bin dann mal kurz weg."

Luan grinste. "Keine Sorge Hoppelhässchen, ich habe bereits gegessen. Du kannst also beruhigt sein."

Er beobachtete wie sie sich sichtlich entspannte. Sie hoppelte auf das hohe Gras zu und begann daran zu knabbern.

Die Sonne war inzwischen vollständig unter gegangen. Luan lag zusammengerollt in seiner Löwengestalt an der Steinwand. Nina lag einige Meter weiter weg und schlief bereits tief und fest. Sie hatte sich vollgefressen und Luan war erstaunt wie viel in diesen winzigen Kaninchenkörper eigentlich hinein passte. Das würde er natürlich niemals laut aussprechen. Er hatte zwar lange Zeit keinen Kontakt mit Weibchen mehr gehabt, doch er wusste noch genau, wie empfindlich diese auf das Thema Essen und Gewicht reagiert hatten. Sein bester Freund Mirko hatte einmal den Fehler gemacht, einer Löwin gegenüber zu erwähnen, dass sie einen ziemlich gesunden Appetit hatte und man ihr dies auch ansah. Mirko konnte daraufhin 3 Wochen kaum sitzen und auch an keiner Jagd teilnehmen. Er lächelte bei dieser Erinnerung. Bis ihm deutlich wurde wie falsch sich dies anfühlte. Zu lächeln bei dem Gedanken an seinen toten besten Freund. An seinen Clan.

Er riss sich zusammen und erhob sich. Als Nina vorhin gefragt hatte, war er vielleicht nicht ganz Ehrlich gewesen. Er hatte noch nicht gefressen. Er würde jetzt auf die Jagd gehen. Warum auch immer wollte er nicht, dass sie diese Seite von Ihm sah. Vielleicht sogar Angst bekam. Also schlich er sich davon und legte sich auf die Lauer. Das jagen war seit einigen Jahren sehr mühsam. Die Hyänen hatten die meisten Tiere verjagt. Nur vereinzelt traf man noch auf Beute. Manchmal musste Luan wochenlang von einem Tier essen, um nicht zu verhungern. Und in dieser Nacht hatte Luan großes Glück. An einem Wasserloch fand er ein verletztes Warzenschwein. Es war zwar kein Festmahl, doch es würde ihn für heute satt machen.

So sprang er also hervor und riss das Warzenschwein. Er begann zu fressen, doch schon nach kurzer Zeit fühlte er sich beobachtet. Er stoppte und hob seinen Kopf. Er versuchte zu lauschen. Ein Rascheln! Blitzschnell drehte sich Luan um und stürzte sich auf das hohe Gras. Er schappte nach etwas. Etwas was deutlich kleiner als er selbst war. Er zog es aus dem Gras. Das Tier jaulte. Hyäne. Er drückte sie mit seiner Pranke zu Boden. Sie winselte und verwandelte sich in einen Menschen. Ein junger Mann mit tiefen Augenringen und blassem Gesicht.

"Bitte bitte friss mich nicht!" Flehte das Häuffchen Elend vor ihm.

Luan verwandelte sich ebenfalls. Drückte nun mit seinem Fuß den Oberkörper des Mannes zu Boden.

"Warum verfolgst du mich?!"

"Bitte, bitte ich tu alles aber bitte töte mich nicht!"

"ANTWORTE!" Luan brüllte und verstärkte den Druck den er mit seinem Fuß ausübte.

"Ich... Wir haben den Befehl dich... euch zu überwachen..."

"Warum? Jetzt erzähl schon sonst fress ich dich mit Haut und Haar!"

Der Mann erzitterte. "Unser Clananführer... wir sollen euch beobachten, dürfen euch aber nichts tun. Als er erfahren hat, dass wir das Kaninchen fast gefressen hätten, hat er einen von uns getötet... wegen einem Kaninchen!"

Luan war beruhigt, Nina war also vorerst sicher. Dennoch wollte er schnell zu ihr zurück.

"Warum?!"

"Ich... ich weiss nicht, er hat etwas von einer Prophezeiung und einem Versprächen geredet. Einem Versprächen dir, dem letzten Löwen und deiner Gefährtin kein Haar zu krümmen."

Gefährtin. Er erstarrte. Aber woher... "Wem hat er dieses Versprächen gegeben? Und welche Gefährtin?!"

"Bitte... Bitte mehr weiss ich nicht! Wirklich!!"

Luan knurrte. Er wollte dieser Hyäne das Genick brechen. Dennoch hatte er keine Zeit. Er musste zurück zu Nina. Sofort.

"Verfolgst du mich weiter, töte ich dich!"

Mit diesen Worten ließ er den Mann liegen und verwandelte sich wieder in einen Löwen. Jetzt konnte er nur daran denken zu Nina zurück zu kehren.

Der letzte Löwe - Luan und NinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt