Das Medaillon in der Tasche, schnappe ich mir meine Jacke und während Mike seine Jacke anzieht, rufe ich schnell zu meiner Mutter „Wir haben das Rätsel gelöst Mum. Wir gehen kurz raus und erledigen was. Mach dir keine Sorgen Mike ist ja dabei.“ Auch wenn meine Mutter vermutlich nicht versteht, was das Rätsel überhaupt war, finde ich das als ausreichende Begründung und renne aus unsrer Haustür heraus. Glücklicher Weise ist Mike mit dem Auto da und so erreichen wir in Windeseile den Friedhof, ohne durch die Kälte zu müssen.
„Also wir bringen, das Medaillon einfach zu ihrem Grab und hauen dann ab?“ Mike nickt. Er wirkt etwas angespannt. „Ich hasse Friedhöfe. Hier sehe ich oft Tote Leute ..“ Das hätte er nicht sagen sollen. Mit einem Mal spüre ich eine merkwürdige Präsens. Viel stärker, als ich sie bisher gespürt habe. Überall denke ich in den Schatten gestalten zu sehen. Gesichter, Arme, Hände. Wenn jemand denkt, er hat in seinem Leben schon richtige Angst gehabt, nur weil er sich erschreckt hat, der irrt sich. Richtige Angst ist anders. Richtige Angst, ist das was ich gerade durchmache. Schwere Glieder, alles, wirklich jeder Muskel, verkrampft sich, der Bauch zieht sich zusammen und ich muss fast kotzen. Das ist Angst. Nicht laut schreien, wenn jemand „buh“ ruft.
Immer näher kommen wir dem Grab meiner Großmutter und immer stärker wird das Gefühl in mir, gleich könnte der Schatten kommen und mich angreifen. Ohne es wirklich zu merken, greife ich die Hand von Mike und drücke sie Fest zu, so fest ich kann. Nur noch wenige Meter trennen uns vom Grab meiner Oma und ich nehme das Medaillon aus meiner Tasche hervor. Trotz der Dunkelheit, funkelt das kleine, goldene Herz im schwachen Mondschein.
Auf einmal, wie aus dem nichts strömen Schatten auf uns zu. Im Gegensatz zu denen, die ich auf dem weg meinte zu sehen sind diese hier echt. Da bin ich mir ganz sicher. Aus allen Richtungen kommen sie uns näher und gleiten ohne einen Schritt zu machen über den Boden. Im selben Moment höre ich ein schrilles Schreien in meinem Kopf. Mit nichts zu vergleichen, was ich jemals zuvor gehört habe. Ich bohre meine Fingernägel in den Handrücken von Mike, doch er scheint es gar nicht zu bemerken. Sieht er sie auch? Ich weiß es nicht. Vielleicht überfordern ihn auch die Toten die er wahrscheinlich gerade sieht.Wieder verändert sich die Situation komplett. Die Schatten die sich eben noch langsam auf uns zu bewegten, erreichen jetzt eine wahnsinnige Geschwindigkeit, und genau in dem Moment, in dem sie uns erreichen, greift Mike mich und wirft sich mit mir auf den Boden. Wahrscheinlich aus Reflex. Für einen Sekundenbruchteil wird das komische Geräusch in meinem Kopf unendlich laut und die seltsame Präsens um mich herum fühlt sich an, wie ein kiloschweres Gewicht, welches auf meinem Körper lastet.
Dann Stille. Nichtmal mehr ein Vogel, oder das Rauschen der Blätter ist zu hören. Ich blicke auf meine Hand. Das Medaillon ist weg! Mit einem Mal fühle ich mich befreit, die seltsame Präsens ist wie weggeblasen und es fühlt sich an, als wäre nie etwas gewesen. Erleichtert, vielleicht so wie sich ein Arzt nach einer komplizierten OP fühlen muss, lasse ich meinen Kopf auf den Boden sinken und lächle. Mike der immer noch auf mir liegt muss auch lächeln. Sanft drückt er mir einen Kuss auf die Lippen. Der Moment ist perfekt. Es ist egal, dass wir auf einem Friedhof sind. Es ist egal, was wir beide durchgemacht haben. Es ist egal, dass wir uns erst seit gestern kennen. „Wir haben es geschafft.“ Ja „Wir haben es geschafft“ wiederhole ich.
Ende.

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Das Medaillon
TerrorMia ist 16 Jahre alt, sie führt ein schönes wenn auch nicht perfektes leben mit ihrer Mutter am Rande einer Großstadt. Doch plötzlich wird sie nachts von einem Schatten geweckt der sie von da an verfolgt. Schafft sie es die Schatten zu besänftigen?