Kapitel 42

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Reese

„Macht's gut ihr beiden und fahrt vorsichtig!", winkend verabschiedet sich unsere Granny von uns und wir fahren wieder Richtung Heimat. Eine ganze Zeit ist es still und ich beobachte die vorbeiziehenden Wälder.
„Was wird aus uns, wenn wir wieder zu Hause sind?", frage ich Jake leise. Dieser Frage bin ich so lange ausgewichen.
Ich wollte einfach nicht daran denken. Wir könnten uns nie öffentlich zeigen. Was, wenn die anderen es erfahren? Wären sie verstört? Wahrscheinlich.
Würden sie sich ekeln? Möglich.
Würden sie es akzeptieren? Wohl kaum.
„Was soll aus uns werden?", Stirnrunzeln sieht er zu mir rüber. „Naja, wir könnten das zwischen uns nie öffentlich machen. Was würden nur die anderen denken?
Es wäre für sie abstoßend. Vielleicht sogar eklig.", murmle ich.
„Ist mir egal.", brummt Jake.
„Was?! Wie kann dir das egal sein?", verständnislos sehe ich zu ihm.
„Ich finde wir sollten es einfach auf uns zukommen lassen, okay? Mir ist egal, was die anderen denken, dass war es schon immer.", beruhigend streicht mir Jake über meinen Oberschenkel.
Seufzend lehne ich mich ans Fenster. „Mir aber nicht...", flüstere ich kaum hörbar. Natürlich sollte es mir egal sein, was die anderen denken, das ist es aber nicht.

Jake

Mittlerweile ist es abends und ich mache uns gerade etwas zu essen. Wir sind ungefähr vor einer Stunde angekommen. Seitdem ist Reese in seinem Zimmer und packt seine Sachen aus. Ich habe meine nur ins Zimmer geschmissen. Ich kann Reese Sorgen nachvollziehen, ja wirklich. Es ist wohl das Beste, wenn wir alles erstmal für uns behalten.
Was soll ich denn auch erzählen?
Das ich meinen Bruder vögel?
Ja, wohl eher nicht.
Wie sollte ich das definieren? Kann ich das überhaupt? Wir haben nie darüber geredet. Unschlüssig kratze ich mich am Kopf und stelle den Herd aus. Langsam begebe ich mich nach oben, um Reese zum Essen zu holen. Denn wahrscheinlich würde er mich nicht hören, wenn ich ihn rufe, denn er hört wirklich sehr laut Musik. Als ich die obere Etage erreiche, stocke ich. Ist das sein Ernst?
Grinsend gehe ich in Richtung seines Zimmers und höre die junge Stimme von Justin Bieber aus dem Zimmer dröhnen. Leise öffne ich die leicht angelehnte Tür zu seinem Zimmer und sehe, wie Reese durchs Zimmer tanzt und laut zu ‚Baby' singt. Ich kann mir nur wirklich, wirklich schwer ein lautes Lachen unterdrücken. Er hat sich eine schwarze Sonnenbrille aufgesetzt, hält seine Holzhaarbürste in der Hand und springt vom Bett. Das ist nun wirklich überhaupt nicht mein Musikgeschmack, nein, niemals im Leben würde ich mir sowas antun, aber er ist wirklich süß. Hüpfend dreht er sich in der Luft und singt in sein imaginäres Mikrofon. Als dann auch noch so ein Typ zu rappen anfängt, lehne ich mich belustig an den Türrahmen und verschränke leise lachend meine Arme vor der Brust.
Wo ist bloß dieses verdammte Handy, wenn man es braucht?  Hätte ich das auf Video, könnte ich es Reese immer wieder vorspielen. Ich weiß jetzt schon, dass er sich bis auf die Knochen schämen würde. Belustigt sehe ich ihm dabei zu, wie er Dance Moves ausführt, die ich bisher noch überhaupt nicht kannte.
Als sich dann das Lied langsam dem Ende neigt, fange ich an zu klatschen. Erschrocken kreischt er auf und dreht sich zu mir um.
„Wow, das war gut, ich hätte Eintritt bezahlt!", lache ich. „Bitte, bitte sag mir, dass du eben erst gekommen bist.", langsam zieht er die Sonnenbrille ab und sieht mich beschämt an. „Nop, habe alles gesehen.", grinsend mustere ich ihn. Sein Atem geht schwer und seine Brust hebt und senkt sich hektisch. Schämend legt er seine Hände übers Gesicht und schüttelt dieses. „Peinlich!", murmelt er. „Komm Kleiner, es gibt Essen.", sage ich und laufe noch immer lachend wieder nach unten.

„Ich wusste gar nicht, dass du Justin Bieber magst.", lächelnd gebe ich ihm etwas auf seinen Teller. „Tue ich auch gar nicht!", protestiert er sofort. „Das... war nur... eigentlich mag ich das Lied gar nicht!"
„Ja Reese, so sah es auch aus.", es macht mir gerade unglaublichen Spaß ihn zu ärgern. Grummelnd schiebt er sein Essen hin und her. „Hey! War doch nur ein Spaß! Iss' jetzt, dann gucken wir auch noch eine Folge unserer Serie.", verspreche ich und sofort breitet sich ein Strahlen über sein Gesicht aus.

So schnell, wie Reese heute gegessen hat, habe ich ihn noch nie essen sehen. Als er fertig war, hat er ungeduldig auf mich gewartet. Jetzt räume ich nur noch schnell die Küche auf und höre wie Reese schon nach unserer Serie sucht.
Seufzend lasse ich mich auf die Couch fallen und augenblicklich fängt eine Folge von der BBC Serie Sherlock an. Wir müssten jetzt irgendwo bei der 2. Staffel sein. Meine Arme breite ich auf der Rückenlehne aus und strecke entspannt meine Beine, die ich daraufhin überschlage. Keine Sekunde später, krabbelt Reese zu mir rüber und schmiegt sich an meine Brust. Wie immer. Schmunzelnd schlinge ich meine Arme um ihn und ziehe ihn noch näher zu mir, so dass wir beide liegend auf der Couch versinken und der tiefen Stimme von Benedict Cumberbatch lauschen.
„Denkst du wirklich es ist ein riesiger böser Hund?", murmelt Reese, als Sherlock gerade in die tiefe Schlucht von Baskerville geht.
„Hm... Vielleicht ist es ja ein großer böser Wolf.", grinse ich und pikse ihn in die Seite. „Ey!", zuckend richtet er sich auf und sieht mich böse an. „Nicht lustig!", brummt er, schlingt dann wieder die Arme um meine Brust und lehnt sich auf diese. Seine Beine sind an den Seiten meiner ausgestreckt.
„Was wird das, wenn's fertig ist?", frage ich ihn. Diese Position ist nun wirklich nicht bequem für mich. „Strafe muss sein oder soll ich dich mal piksen?"
„Schon gut...", murmle ich und streiche ihm gedankenverloren durchs Haar. Solche Momente liebe ich, sie sind so entspannend, ausgelassen und erholsam. Hätte ich doch nur gewusst, dass das der letzte für so eine unfassbar lange Zeit wird, hätte ich Reese wohl nie wieder losgelassen, aber alles Schöne hat ein Ende...

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