#14. Der Tag danach

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Am gleichen Abend saß Hermine überraschenderweise auf Harrys Sofa.

Und auf der anderen Seite, neben Harry, saß Ginny.

Ginnys Haut war braungebrannt, ihre roten Haare von hellen Strähnen durchzogen, ein tätowiertes Blumenmuster schlang sich um ihren Oberarm, der aus einem kurzärmeligen Shirt aus Leinen ragte.

Ron hingegen stand hinter der Lehne, aber neben Hermine. Noch immer starrte er seine verschollen geglaubte Schwester an.

„Du...hast dich einer Friedensbewegung angeschlossen?"

Ginny nickte. Die goldenen Ketten an ihrem Hals klimperten.

„Es erschien mir als die einzig richtige Möglichkeit. Nach dem, was wir erlebt haben..."

„Wirst du bleiben?", fragte Hermine, konnte sich nicht an Ginny sattsehen, die so gesund, so ausgeglichen wirkte. Sie war ehrlich neidisch.

„Wenn Harry mich lässt.", kam es vorsichtig. Sie sah nach rechts, Harry nach links.

Hermine wusste, dass Harry in dieser Zeit keine anderen Frauen getroffen hatte und es auch nicht wollte. Er liebte Ginny von ganzem Herzen und ihre regelmäßigen Postkarten vermittelten ihm, dass es ihr genauso ging. Niemals würde er sie dazu drängen endlich alles zu vergessen weil er es wollte, nein. Das Verarbeiten dieses traumatischen Verlustes ihres Kindes musste sie selbst schaffen. Zwar wäre er gern ein Teil des Prozesses gewesen, aber wenn sie es allein überwinden wollte, dann sollte sie.

Wortlos verflocht er seine Finger mit ihren, hob ihre Hand an und küsste ihren Knöchel.

Dann sah er sie eindringlich an: „Du bist lang weg gewesen. Vielleicht müssen wir uns erst von neuem kennenlernen, aber ich... will, dass du bleibst."

Ginny lächelte gerührt, Hermine sah, wie ihre Augen glasig wurden.

„Ich glaub, ich muss kotzen.", flüsterte Ron, ließ sie nicht aus den Augen, während sie tief in den Augen des jeweils anderen versanken.

„Sei nicht so ungehobelt.", zischte Hermine, boxte gegen seine Schulter. Dabei spürte sie selbst dieses unangenehme Ziehen in ihrem Bauch, das ihr verdeutlichte, dass sie lang auf eine derart vertraute Beziehung warten konnte. Mit traurigem Blick registrierte sie jede kleine Zärtlichkeit, die sie austauschten.

Sie schluckte. Sie durfte nicht so denken, eigentlich musste sie sich freuen. Wie viel Glück konnte man eigentlich haben? Ginny verschwand für zwei Jahre, war überall und nirgends, aber als sie zurückkehrte, empfing Harry sie mit offenen Armen? Liebte sie noch genauso wie zuvor?

Obwohl sie es ihnen irgendwie gönnte, erschien es ihr unfair. Sie selbst war nicht der Typ Frau, der sich aus der Heimat absetzte, um zu sich zu finden. Offensichtlich war es neuerdings in Mode, alles stehen und liegen zu lassen.

Wenig später saß sie in ihrer Wohnung, nachdem sie alle Pflanzen gegossen hatte. Die Tür zu ihrem winzigen Balkon war geöffnet und ließ die herbstfeuchte Luft in ihre Wohnung strömen. Der abnehmende Mond war als leuchtende Sichel zu sehen, es war inzwischen Mitte September, morgen wäre ihr Geburtstag.

Die Farbe des Mondes erinnerte sie ungewollt an Dracos Haar und wie weich das Gefühl davon unter ihren Fingern gewesen war. Nur konnte sie sich nicht auf die Erinnerung einlassen, es war zu distanziert. Das, was sie sich wünschte, hatten Harry und Ginny. Und was hatte sie selbst? Unabhängigen Oralsex mit dem Mann, der sie früher am liebsten tot gesehen hätte.

Hermine hätte es sich nie selbst zugetraut und deshalb war sie sauer. Ihr Gehirn begann jetzt, einen Tag später, zu arbeiten und ihr Schuld zuzuflüstern. Woher war das gekommen? Hatte er das mit seinem Verhalten herbeigeführt?

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