Prolog

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 STARS

Über zwei Mädchen die
Von Sternen träumten

27 Jahre nach der Wendung

HEATHER


Tiefschwarz traf die Nacht auf die Dächer der Häuser aus dem siebten Viertel. Die Nacht war dunkel, sollte eigentlich so viele Gedanken mit sich nehmen, doch stattdessen waren sie so viel lauter als sonst.

Heather lag auf eben einer dieser Dächer, die sich beinahe in der Dunkelheit verloren. Obwohl die Temperaturen nicht kalt waren, fror sie ein wenig. Über ihr erstreckte sich eine Schwärze, die ihr die Luft zu Atmen zu nehmen schien.

„Meinst du die Sterne sind genauso hell, wie es in all den Büchern beschrieben wird?" Die Worte ihrer Schwester schienen viel zu laut in der Stille.

Heather bewegte sich unruhig auf dem kühlen Stein unter sich. Ihr dunkelgrüner Pulli blieb an dem unebenen Grund hängen und ließ Heather wieder ein wenig ruhiger werden. Sie mochte das Gefühl des Steins unter ihr. Es fühlte sich ein wenig so an, als würde er Geschichten erzählen. Als wäre er lebendiger, als der Rest um sie herum.

„Du meinst, so hell, dass die Nacht nicht mehr dunkel ist?", fragte sie und ihre Stimme glich einem Flüstern. So stand es in den Büchern. Das die Sterne die Nacht heller machten, manchmal sogar schöner, als der Tag es jemals sein konnte.

Neben sich spürte sie ihre Schwester mit den Schultern zucken. Sie lagen dicht nebeneinander auf dem Dach des Hochhauses, in dem sie wohnten. Kurz nach Mitternacht war Thalia in Heathers Zimmer gekommen, weil sie nicht hatte schlafen können. Und weil es so war, wie so oft, hatten sie sich verbotenerweise auf die Dachterrasse geschlichen und nun lagen sie hier. Dicht an dicht und starrten in die Schwärze über ihnen.

„Willst du manchmal auch die Sterne sehen?", durchbrach ihre Schwester die Stille ein weiteres Mal.
Ihr Herz schlug ein wenig schneller, als sie diese Worte hörte. Solche Gedanken sollte Thalia nicht haben. Noch mehr Angst machte es ihr jedoch, dass sie nicht anders empfand. Nur war ihre Schwester diejenige, die etwas sagte, wenn man besser schweigen sollte. Und Heather wusste, dass Schweigen an dieser Stelle wesentlich angebrachter gewesen wäre. „Thalia…“ Alleine wie sie den Namen aussprach war eine Warnung. Und ihre Schwester kannte sie lange genug um diese wahrzunehmen. Allerdings kannte Heather sie nicht weniger lange und wusste, dass es etwas war, was ihre Schwester nicht aufhalten würde, weiter zu reden.

„Was ist, Heather?" Etwas wütendes schwang in ihrer Stimme mit. Während Thalia dazu neigte, aufbrausend zu werden, überall ihre Meinung zu sagen und gerne Regeln brach, war Heather das komplette Gegenteil. Noch immer war es ihr ein Rätsel, weshalb ihre Mutter ihre Schwester ausgewählt hatte. Nicht sie.

„Du weißt, dass wir darüber nicht reden sollen.“

„Über die Sterne?“ Thalia lachte schnaubend auf. Es war nicht ihre echte Lache. Ihr echtes Lachen war schön. Und ließ Heather keine Sorgen um ihre Schwester machen.

„Ja, Thalia.“ Wann würde sie endlich verstehen? Versuchte sie es überhaupt?

Heather wandte den Blick von den Sternen ab und betrachtete nun stattdessen das eiserne Gitter neben ihr. Es war nicht hoch. Wenn sie stand würde es ihr vielleicht bis zu den Rippen gehen. Von hier unten jedoch sah es höher aus. Sie streckte eine Hand aus und fuhr leicht über das kalte Metall. Es fühlte sich ein wenig rau an und gab ihr ein ähnliches Gefühl, wie der Stein es tat. Dann ließ sie ihren Blick weiter nach unten gleiten und warf einen Blick auf die Stadt unter ihnen. Neonleuchten ließen die Straßen des ehemaligen Berlins in pink und hellblau leuchten. Die Fenster der Häuser waren dunkel, der Park gegenüber des Hochhauses war in weißes Licht getaucht, welches die Laternen auf ihn hinunterwarfen. Manchmal saß Heather dort unten unter einem der grünen Bäume und laß auf ihrem Tablet.

Stadt aus Glas- Das Erwachen der Sterne (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt