Kapitel 16

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WHISPERING

Von dem Flüstern
Der Sterne

32 Jahre nach der Wendung

THALIA

Hilflos hatte ich vor einem der Bildschirme gesessen und dabei zugesehen, wie mein ehemaliges Zuhause zerstört wurde. Liza war der festen Überzeugung gewesen, mich das ansehen zu lassen. Aus Rache, so wie ich sie kannte, Noch immer verfluchte ich mich dafür, vorgestern mitten in der Nacht nach draußen gegangen zu sein. Bloß weil ich die Sterne hatte sehen wollen. Nach all den Jahren hätte ich es besser wissen sollen.

"Ich hoffe du hast aus deinen Fehlern gelernt", meinte meine Mutter nun, die ich längst nicht mehr als eben diese sah. Dafür hatte sie zu viel Unheil in dieser Welt angerichtet.

Ich wollte erwidern, dass es kein Fehler gewesen waren, zu den Rebellen zu gehen, allerdings wusste ich, dass man mit ihr nicht diskutieren konnte. Also presste ich die Lippen bloß ein wenig fester aufeinander. Ich wollte den Blick von dem Bildschirm abwenden, der mir die Zerstörung anzeigte, doch ich konnte nicht, denn dann hätte ich zu Liza gesehen. Sie anzusehen tat mehr weh, als die, in Trümmern liegende Stadt.

"Ich rede mit dir, Thalia."

Ich seufzte, noch immer nicht auch nur die kleinste Intention, mich nun doch zu ihr zu drehen. "Du glaubst doch nicht ernsthaft, ich würde nach all dem, was du angerichtet hast, noch ernsthaft mit mir reden? Ich weiß von Dad."

Sie schwieg kurz und obwohl ich sie nicht ansah, wusste ich, dass sie die Lippen fest aufeinanderpresste. "Bist du deswegen gegangen?" Sie bestritt es nicht einmal. Irgendwo schien ich all die Jahre noch gehofft zu haben, es wäre nicht so gewesen.

"Du hast ihn umgebracht", murmelte ich. "Bloß weil er nicht mehr auf der Seite der Gläsernen stand. Wie Vyrrans Eltern. Seine Mutter war unschuldig, ebenso wie sein Vater."

"Sie hätte nicht hören sollen, was sie gehört hatte."

Nun fuhr ich doch zu ihr herum. "Bloß weil sie mitbekommen hat, dass du deinen eigenen Mann umgebracht hast?" Meine Stimme war lauter geworden. Der Vorsatz, nicht mit ihr zu reden, war nun gänzlich aus meinen Gedanken verschwunden.

Sie presste die Lippen fester aufeinander, bis sie ebenso weiß wurden, wie die schlichte Jacke, die sie trug. "Weil sie das mit Heather mitbekommen hat. Nicht mit... deinem Vater."

Kaum merklich riss ich die Augen ein wenig weiter auf. Ich wollte nicht, dass sie mir meinen Schock ansah, doch es schien kaum zu verhindern zu sein. "Mit dem System?"

Liza nickte stumm.

Kurz war es still. Ich sagte nichts. Dann brach ein Lachen aus mir hervor. "Ihr seid doch verrückt! Vorallem du! Du und deine ganze beschissene, falsche Welt!" Nun schrie ich. Mir war es egal, ob mich jemand hörte. "Du hast deine eigene Tochter an ein verdammtes System gebunden! Und dann denkst du ernsthaft noch, da wäre etwas Richtiges dran?!"

"Sie ist keine Gläserne mehr." Liza redete ruhig und irgendwie machte mich das bloß noch wütender. Ich sprang von dem Stuhl auf.

"Du hast sie verstoßen?" Meine Stimme hallte an den dicken Wänden des kalten Raumes wieder. Liza stand nun auch, ich hatte die Hände bereits zu Fäusten geballt. Aufgrund der vielen Stunden, die ich mit Training verbracht hatte, müsste ich sie locker überwinden können. Allerdings würden mich spätestens die Sicherheitsleute, die nicht mehr länger vor der Tür standen, sondern den Raum betraten, um mich zurück in meine Zelle zu bringen, aufhalten. "Und was willst du jetzt mit dem System machen? Hast du es einfach aufgeben?" Ich lachte hysterisch. Ich wusste, wie verrückt ich klingen musste, doch mein Kopf ließ keine klaren Gedanken mehr zu. Ich wollte mich an Liza festklammern, an ihr irgendetwas menschliches suchen und wenn ich es gefunden hatte, aus ihr rausquetschen, damit sie auch nur ansatzweise wieder zu Verstand kam. Allerdings packten mich die Frau und der Mann, die in den Raum gekommen waren, an den Armen und hielten mich fest. Ich wand mich in ihrem Griff.

"Ich hab das System übertragen lassen", meinte Liza. Seelenruhig stand sie da und sah dabei zu, wie ich um meine Freiheit und auch mein Leben kämpfte.

Ich schnaubte und Tränen, die von der Wut kamen, ließen meine Augen brennen. "An wen willst du es übertragen haben?"

"An jemanden, dessen Überlebenswille groß genug ist, um das System nicht mit sich zu zerstören." Ruhig sah sie mich an, blinzelte nicht einmal. Vielleicht würde sie zu einer Abtrünnigen werden. Vielleicht war sie das längst.

"Und was willst du mit mir anstellen?", rief ich zurück in den Raum, als die Shelter mich nach draußen brachten.

"Du wirst bleiben. Wir haben dich wieder ins System aufgenommen. Und dann wirst du mit uns gegen die Rebellen kämpfen."

Ich spuckte auf den Boden, fauchte ein weiteres Mal. Mein Herz bebte. Sie hatten mich zurück in das System aufgenommen. Ich würde bei der Säuberung nicht mehr sterben. Heather würde es stattdessen tun. Die Gläsernen hatten den Spieß umgedreht. Doch ich würde lieber sterben als an ihrer Seite zu kämpfen.




- E N D E -

Von Teil 1 Das Erwachen der Sterne

Stadt aus Glas- Das Erwachen der Sterne (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt