Kapitel 25

12.8K 771 7
                                    

Den restlichen Abend erzählt er mir von seinen Leuten, die bald zu uns kommen werden.

Wie er sie kennengelernt hat und von dem ganzen Mist, den sie zusammen angestellt haben.

Dabei hält er die ganze Zeit meine Hand.

"Ich habe sie gesehen." flüstert er nach einer Weile leise in mein Ohr. Seine dunklen Augen beobachten mich.

"Die Arena und die Kämpfe. Wir haben über einen Kontaktmann Karten bekommen können."

Meine Kehle fühlt sich plötzlich ausgetrocknet an und ich muss schwer schlucken.

"Achja?"

"Ja."

"Das hättest du nicht tun sollen. Ich wollte nicht, dass du das siehst."

Nun kann ich ihm nicht mal mehr in die Augen schauen.

"Ihr wart zwei ganze Jahre dort drinnen. Wie viele dieser Kämpfe hattet ihr?"

"Jeder von uns musste einmal die Woche kämpfen."

"Ihr lebt. Ihr habt jeden Kampf gewonnen."

Als Bestätigung nicke ich nur.

Mein Blick liegt immer noch auf meinen Händen.

"Deine Brüder wissen davon nichts?"

"Nur Mason. Er hat es erraten, weiß aber nicht viel davon. Den anderen haben wir nichts gesagt." Meine Stimme klingt ganz rau, als ich ihm antworte.

"Die Kämpfe, die wir gesehen haben waren schlimm. So etwas Grausames habe ich noch nie gesehen. Kinder, die gezwungen werden sich gegenseitig, zum Vergnügen der Zuschauer zu töten. Nur einen Abend habe ich dort verbracht, aber ich bekomme die Bilder nicht mehr aus meinen Kopf und jetzt sehe ich immer euch drei in meinen Träumen dort stehen. Meinen Bruder, wie er sterbend auf den Boden liegt. Dich, wie du an seiner Stelle dort liegst. Es war so schlimm. Wie habt ihr das aushalten? Wie konntet ihr überleben?"

Zwei Tränen laufen mir stumm über die Wange.

Mit einem Finger hebt er mein Kinn, damit er in meine Augen sehen kann.

"Ich muss ihn rächen. Dean, Miranda und dich und die ganzen Kinder, die dort ihr Leben lassen mussten und es immer noch tun. Ich will es beenden. Hektor soll dafür bezahlen, was er getan hat und was er immer noch tut."

Hastig wische ich mir mit der Hand die Tränen weg und fasse mich wieder.

"Ich helfe dir."

Meine Stimme klingt kalt und gefasst, als ich das sage.

"Erinnerst du dich an die Namen der Kämpfer?" Mit angehaltenen Atem warte ich auf seine Antwort.

"Nur an zwei: Gareth und Diana. Sie haben es geschafft."

Ich nicke leicht mit dem Kopf.

Beides sind sehr gute Kämpfer.

Sie wurden mit uns zusammen dort hingebracht und wir haben uns mit ihnen angefreundet.

"Wer..." Ich räuspere mich. "Wer hat es nicht geschafft?"

"Brad und Sophie."

Sophie.

Auch sie ist mit uns angekommen.

Sie hat uns sogar geholfen einen Plan zu entwickeln, um abzuhauen.

Aber am Ende hatte sie zu viel Angst, dass etwas schiefgeht und ist dortgeblieben.

Sie dürfte erst 16 Jahre alt gewesen sein.

Ich lasse meinen Kopf hängen und blicke mit leeren Blick auf meine Decke.

Wir hätten sie zwingen müssen mitzukommen.

Vielleicht hätte sie es geschafft und sie könnte jetzt noch am Leben sein. In Freiheit.

Als wir fliehe wollten, haben wir versucht, die Leuten, denen wir dort genug vertraut haben, um zu wissen, dass sie uns nicht verpfeifen, zu überreden mitzukommen.

Aber sie hatten alle zu viel Angst vor den Konsequenzen, sollten sie wieder eingefangen werden.

Die Angst stellte sich auch als berechtigt heraus.

Seufzend schaut Ryder auf die Uhr und erhebt sich. "Ich werde jetzt meine Leute hierher rufen und schlaf du dich aus ok?"

Die Worte, dass er bei mir bleiben soll, wollen nicht über meine Lippen kommen und so nicke ich nur.

Er gibt mir ein Kuss auf die Stirn und verlässt dann den Raum.

Unruhig laufe ich durch mein Zimmer, bis ich mich dazu entscheide runter in die Küche zu gehen, um mir was zu essen zu holen.

Auf den Rückweg pralle ich direkt mit Aidan zusammen.

Der kneift nur seine Augen zusammen.

"Pass auf, wo du hingehst." zischt er und ich fühle mich, als hätte er mir eine Backpfeife verpasst.

Schnell trete ich einige Schritte zurück und senke meinen Kopf, damit er den Schmerz in meinen Augen nicht sehen kann.

Ich muss zugeben, dass ich in letzter Zeit nicht nett zu ihm gewesen bin, aber so von ihm angefahren zu werden... Wie damals.

"Tut mir leid." flüstere ich und laufe an ihm vorbei hoch in mein Zimmer.

Wäre auch zu schön gewesen, wenn er sich dauerhaft verändert hätte.

Wann geht es endlich in meinen Kopf rein, dass Menschen sich nicht verändern?

Ich werfe meine Zimmertür zu und lasse mich an ihr runterrutschen.

Nach einiger Zeit, was sich eigentlich nur wie Minuten anfühlt, blicke ich auf die Uhr und sehe, dass es schon 04.00 Uhr nachts ist.

Heute muss ich wieder in die Schule.

Den Rest der Nacht liege ich wach und schlurfe drei Stunden später in die Dusche.

Ich ziehe mir einen übergroßen Pullover mit Kapuze an und trage dick Make Up auf, um die Augenringe zu überdecken.

Ohne mir etwas zu essen zu nehmen laufe ich leise die Treppe herunter.

Das letzte was ich will, ist einen meiner Brüder zu begegnen.

Ich muss zur Bushaltestelle laufen, weil ich keinen Unfall mit meinem Auto bauen will, nur weil ich unaufmerksam bin.

Knapp vor dem Klingeln rutsche ich in meinen Sitz, in der hintersten Ecke.

Hunter sitzt neben mir und sieht mich verwirrt an.

Ich schüttle nur meinen Kopf und lasse ihn auf meine Arme fallen.

Der Lärm um mich herum beruhigt mich.

Ist das nicht komisch?

Einige Zeit später werde ich von jemanden geweckt, der mich in die Seite pickst.

Ich wende mein Gesicht zur Seite und versuche weiter zu schlafen.

"Selene, wach auf." zischt Hunter und ich öffne schlagartig meine Augen.

Vor mir steht mein wütend aussehender Deutschlehrer.

"Wie schön, dass sie meinen Unterricht so toll folgen. Als Strafe können sie mir einen Aufsatz zum Thema 'Warum ich ihm Unterricht nicht schlafen soll' schreiben." sagt er und starrt mich böse an.

Ich nicke nur leicht und versuche meine Augen offen zu halten.

Hunter starrt mich die ganze Zeit an.

Fighting the BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt