Kapitel 2- Moralische Erziehung

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Missmutig stapfte ich durch den Wald. "Ich dachte wirklich, dass ich alles dabei hätte. Wenn man mir vorher gesagt hätte, dass der Wald eine große, gewaltige, Matschpfütze ist..."                                "Tja, hat man aber nicht," erwiderte Lir grinsend. Er, ganz der Elementemagier, war natürlich trocken, jetzt, wo er sich zumindest vor mir nicht mehr verstellen musste. "Also, was machst du jetzt mit mir?"                                                                                                                                                                 "Ich werde dich wahrscheinlich nach Farilia bringen und dort dafür sorgen, dass du die bestmöglichste Ausbildung bekommst."     

"Und du ziehst wieder deiner Wege," fragte ich und konnte nicht verhindern, dass ich nicht sehr erfreut über diese Aussicht klang.                             

"Keine Sorge, wir sind hier sehr hoch im Norden, und Faralia ist die südlichste Stadt des Reiches. Wir werden LANGE unterwegs sein. Da fällt mir auf: Ich kenne deinen Namen noch nicht."           Ich lächelte dünn. "Im Dorf haben sie mich Nile genannt. Meinen echten Namen kenne ich nicht." Lir runzelte die Stirn über die Bitterkeit in meiner Stimmte. "Es ist nicht vielen bekannt, aber Nile ist einer der dreizehn Dämonen. Genauer gesagt, der dreizehnte. Der, der nachts kommt und in der Dunkelheit alle abmurkst. Ich habe nie an diesen Abergläubischen Dreck geglaubt."   

"Das solltest du aber, denn dieser "Dreck" hat immer einen wahren Kern. Noch eine solche unbedachte Äußerung und du kannst den Weg nach Farilia alleine finden." Keine Antwort. "Hast du mich verstanden?"      

"Jaja, ist ja gut. Ich werde zukünftig keine abergläubischen Vorstellungen mehr beleidigen." Lir wirkte nicht zufrieden, sagte aber nichts mehr.  "Lass uns eine Vereinbarung schließen," meinte Lir schließlich. "Ich werde dir nämlich nicht helfen, wenn du weiter schmollst."                                                                                                                   

"Ich bin zwölf, das ist ein ganz natürliches Verhalten." "Und du kannst gleich ganz natürlich im Wald leben. Also?" "Was schwebt dir vor," fragte ich.    Lir überlegte kurz. "Du wirst alles machen, was ich sage. Alles. Wenn ich dir hier und jetzt befehle, dich in den Matsch zu werfen und die Klappe zu halten, wirst du es ohne zu murren und zu zögern machen. Im Gegenzug helfe ich dir, deine Magie zu kontrollieren und zu stärken. Einverstanden?" Ohne zu zögern schlug ich ein. "Ja, so machen wir es."                                                                                                                                                          "Gut." Er wirkte sehr zufrieden. "Dann wirst du jetzt meine Tasche nehmen, bis ich der Meinung bin, dass du genug gelitten hast. Das dient deiner moralischen Erziehung." Ich schluckte meinen Protest runter und nahm seine Tasche, die sich anfühlte, als hätte er sie bis obenhin mit Feldsteinen gefüllt. Bis zur Dämmerung liefen wir dann durch den Wald, meine Arme brannten vom Gewicht der Tasche, als Lir endlich eine Lichtung erspähte, die gut genug war um dort zu rasten.


Stöhnend ließ ich die Tasche fallenund lehnte mich gegen einen Baumstamm. „Bevor du fragst," meinteLir und klang seltsam vergnügt, „in der Tasche waren tatsächlichSteine." Er holte fünf große Steine heraus und warf sie weg. „duwirst von jetzt an jeden Tag eine Tasche mit Steinen tragen. Das stärkt deine Ausdauer. Du hast bereits eine sehr gute Balance, wenn du mit einem Tablett in der Hand bedienst, muss man das haben. An was wir auf jeden Fall arbeiten müssen, ist dein Jähzorn." Ichkratzte mich am Kopf. „Mein Jähzorn?"

„Die Städter werden mit einem dummen Dörfler wie dir nicht so die Nachsicht haben wie..."

„Dummer Dörfler," knurrte ich wütend und stand auf. Als Lir selbstzufrieden grinste, ging mir aber auf, dass ich damit lediglich seine These unterstützt hatte.

„Du wirst von mir lernen, dich in einen Zustand der geistigen und körperlichen Ruhe zu versetzen. Du wirst lernen, deine Magie nicht nur zur Zerstörung zu benutzen. Heute beginne ich deine erste Lektion. Es gibt im Grunde genommen vier Magiezweige: Erde, Luft,Feuer, Wasser. Die meisten Magier beherbergen nur einen Zweig insich, einige wenige zwei, große Glückspilze drei. Jemanden wie mich, der alle vier beherbergt, gab es noch nie. Denn...du musst dir vorstellen, dass sich Wasser und Feuer, Erde und Luft gegenseitig abstoßen. Bevor es mich gab, waren alle der Meinung, dass es einenMagier zerreißen müsste, wenn er alle vier Magiezweige beherrscht."

„Was mich aber gerade ein bisschenmehr interessiert," sagte ich, „ist die Tatsache, ob alles, unddamit meine ich ALLES, was du im Wirtshaus erzählt hast, wahr war.?"

„Man hat mir ein Schwert in den Bauchgerammt, und ich bin damit herumgelaufen, das ist wahr." Lir hobseine Jacke ein wenig an, sodass eine kreisrunde Narbe, etwa von demDurchmesser meines kleinen Fingers zu sehen war. „Aber wenn du einbisschen gewartet hättest, hätte sich das aufgeklärt. Also: Ja, estat weh, verdammt sogar, als hätte man mir Feuer in den Bauchgekippt. Ich bin aber nicht daran gestorben, und das liegt daran,dass Elementemagie auch zum Heilen benutzt werden kann. Wassermagierkönnen Gewebe, Muskeln, kurz, alles in dem Wasser enthalten ist,reparieren. Erdmagier können gebrochene Knochen heilen, und siehaben nie Haarausfall, Luftmagier sind bei Lungenerkrankungen undHusten hilfreich, und Feuermagier...die sind ein Sonderfall. Es wurdeviel gestritten, warum es so ist und das Ergebnis ist, dass es fürMagie oft keine Erklärung gibt. Feuermagier können den Geist ihrerOpfer manipulieren, beziehungsweise auch heilen. Ein Feuermagier kanndeinen Vater von Demenz heilen, kann dich aber auch, wenn du ihnnicht dafür entlohnst, in einen sabbernden Idioten verwandeln. Ichwerde dich lehren, wie du einen möglichen Angriff eines Feuermagiersabwehrst, körperlich wie geistig. Du wirst lernen zu überleben."

Wir redeten noch bis spät in die Nachthinein, ich stellte Fragen und er erzählte. Wenn ich sein Schülerwerden wollte, musste ich viel lernen, das machte er mir klar. Erwürde mir so viel beibringen, wie er könnte. Am nächsten Morgenstanden wir bei Morgengrauen auf und fuhren mit meiner Ausbildungfort, die im Grunde darin bestand, einen verdammten Beutel mitSteinen zu tragen.


@polarfox , was denkst du, ist es jetzt von der Struktur (Absätze usw.) besser zu lesen?



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