Geschichten

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Der Geschichtenerzähler war jung, jünger als die meisten anderen in diesem Beruf. Er hatte einen leicht schleichenden, vorsichtigen Gang, den er zu kaschieren versuchte und schulterlanges blond-braunes Haar. Er zog zog von Dorf zu Dorf und unterhielt die Bewohner teils mit eigenen teils mit bekannten Geschichten anderer Erzähler. Aber, und das war ihm wichtig, er erfand nichts. Zumindest nicht in dem Sinne. Es könnte sein, dass Sirreia, der Spitzzüngige, nicht gegen zwanzig Soldaten auf einmal gekämpft hat-aber manchmal ist die Wahrheit doch etwas zu fad. Er war ein... Chronist wahrer Begebenheiten, die auf durchaus sehr interessante Art und Weise miteinander verknüpft wurden. Leider stieß er damit nicht überall auf Verständnis, im letzten Dorf hatte es einen Steineregen statt einer warmen Mahlzeit gegeben, dank seiner unkonventionellen Auslegung von "Der Wolkenkönig". Ignoranten gab es überall. Ein Lied pfeifend stapfte er nun durch den Wald. Der Schnee war noch am Schmelzen, überall waren Pfützen und der Boden hatte mehr Ähnlichkeit mit einem Sumpf als mit einem Wald. Hinter den Bäumen war das Glitzern des Sees zu sehen, das Wasser sah himmlisch kristallklar aus-und sehr kalt. Das Dorf, eine eher schmeichelhafte Benennung mehrerer Hütten und windschiefer Ställe, lag auf einer Halbinsel, umgeben von Fischerbooten. Vielen Fischerbooten. In der Mitte, auf einem kleinen Hügel, lag ein erstaunlich großes Wirtshaus, es erinnerte ein wenig an eine Burg oder ein Schloss. "Nicht übel. Hoffentlich gibt es hier auch was Warmes." Schon von weitem war Gelächter und Gesang zu hören. Er öffnete die Tür schwungvoll und trat, von einem kalten Windstoß begleitet, ein. Die Gespräche verstummten und alle drehten sich zu ihm um. Alle außer einem etwa zwölfjährigen Jungen, der geschäftig umher huschte und nachschenkte, wo die Becher sich zu leeren drohten. Der Erzähler verbeugte sich theatralisch. "guten Tag die Herren. Ich bin ein wandernder Geschichtenerzähler und würde auch gerne in dieser Wirtschaft hier einkehren. Gegen eine warme Mahlzeit bin ich gerne bereit, meine Geschichten zum Besten zu geben." Der Wirt wechselte einen Blick mit zwei Leuten, die beiden bei seinem Eintreten die Hand auf ihre Knüppel gelegt hatten, und nickte dann. "Es ist lange her, dass jemand neues zu uns kam. vielleicht kann dann der alte Grams auch mal eine richtige Geschichte erzählen." Ein älterer Mann mit schlohweißem Haar sprang auf und schwang seinen Stock. "Ich erzähle mit Sicherheit viel bessere Geschichten als dieser Grünschnabel hier, ihr Ignoranten wollt es nur nicht wahrhaben." Gelächter erfüllte die Stube und Grams stimmte mit ein. "Also gut." Der Erzähler ließ sich auf einen Stuhl fallen. "Was wollt ihr gerne hören." Gemurmel war zu hören, es war deutlich zu hören, dass sie sich nicht alle einig waren. "Lir," sagte plötzlich jemand. "Kennst du die Geschichte von Lir, dem Steinernen." Es war der Junge, er sah ihn fragend an und der Erzähler lächelte nachdenklich. "Die Geschichte von Lir..." Er nickte langsam. "Ja, ich glaube, da gibt es durchaus etwas zu erzählen...


Anmerkung vom Autor: Die Karte, die sich ebenfalls in diesem Kapitel befindet, zeigt das Reich, die Welt, in der die Geschichte spielt.

Wir und das Ende der WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt