I-8

1 1 0
                                    

"Denkst du, ich komme nach oben ohne die Bücher aus den Regalen zu werfen?" Besorgt sah sie nun in die Höhe. Mit den Flügeln würde sie sicher einiges aus den Wänden fegen. Davon abgesehen, dass es eine lange Treppe war, die zur Turmspitze führte.
"Du kannst doch fliegen.", schlug Marya vor und trug das leere Brett zu der kleinen Küche zurück. "Das ist bestimmt einfacher."
"Vielleicht. Aber ich bin noch nie in einem Haus geflogen." Testweise breitete sie ihre Flügel aus. Platz genug hatte sie zu beiden Seiten des Turms, doch oben wurde er enger. Zumindest der Ansicht aus der Luft tags zuvor nach.

"Das wird schon." Marya kicherte und spähte zur Seite. Ihr Blick ging aus dem Fenster.
"Wegen mir musst du nicht im Haus bleiben. Ich komme schon alleine nach oben."
"Nein, ich will sehen, ob was passiert." Marya kicherte und ging aus dem Radius ihrer Flügel heraus. Sicherheitshalber stellte sie sich noch hinter eine der gemauerten Wände, wohinter sie nur hervorlugte. 

Thea schüttelte lachend den Kopf, sah nach oben und schlug einmal testweise kräftig mit den Flügeln. Sofort sammelte sich Wind darunter, anstatt Staub aufzuwirbeln, und hob sie ohne weitere Bewegungen in die Höhe. 
"Merkwürdig...", murmelte sie zu sich selbst und vermutete, dass der Magier tatsächlich Magie beherrschte, die sie gerade in die Lüfte hob. Vielleicht war diese auch einfach ein Teil des Hauses und sicherte sie Stabilität. Ein steter Luft- oder Magiestrom der den Turm aufrecht hielt. 
Magie war ihr zwar an sich ein Begriff, der Traum hatte es jedoch kaum als Thema behandelt. Es gab Magie und sie konnte Einfluss auf die Umgebung nehmen - nach ihrem Wissen jedoch vor allem zerstörerisch, wenn es nicht die der Bäume war.

Ihre Überlegungen verschob sie auf einen späteren Zeitpunkt, als eine Plattform in Sicht kam. Ein halber Ring aus Holz wand sich nach einem ganzen Stück an den Wänden des Turms entlang. Von einer Seite war er mit der Treppe verbunden, von der anderen konnte sie sich dem Einzug nähern und darauf landen. 

Nur eine einzelne Tür lag in der Wand, direkt an die Konstruktion angeschlossen, die nicht wie ein alter Bestandteil des Turms wirkte. Eher, als hätte sie jemand frisch gezimmert.

"Magier?" Thea trat an die Tür und klopfte. Ein hohler Ton erklang aus dem dahinterliegenden Raum. Führte die Tür zu einer weiteren Treppe, die weiter zur Spitze des Turms führte? Sie erinnerte sich zumindest nicht daran, einen angebauten Raum an den Glatten Wänden gesehen zu haben.

"Komm nur herein, Engel.", bat der Magier dahinter, worauf sich die Tür öffnete. Thea sah gerade noch, wie der Mann seine Hand wieder senkte, von der die letzten weißen Funken verschwanden. Er hatte die Tür wohl gerade mithilfe von Magie geöffnet. Der Engel lächelte zu sich. Es gab noch so viel für sie zu lernen.
Sie trat ein und wurde sofort von einem schweren, jedoch beruhigenden Lavendelduft empfangen. Der Magier stand vor einer Feuerstelle, vor sich ein kleiner Topf, den sie als Quelle des Dufts ausmachen konnte.
Ansonsten war der Raum nur spärlich eingerichtet. Ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen wartete neben der Feuerstelle, dahinter ein Regal mit alten Büchern. Vielleicht waren sie für die Vorhaben des Magiers in diesem Raum wichtig, und darum nicht in den endlosen Regalen in Rest des Turms verstaut.
Über der Kochstelle hing noch ein Regal. Gefüllt mit Gläsern, in denen Kräuter und Flüssigkeiten lagerten.

"Setz' dich nur. Eine Tasse Tee?" Ohne sich abzuwenden deutete der Mann auf den Tisch, auf dem nun auch zwei dampfende Tassen standen. 
Sie vermied es ihn nach der Magie zu fragen und nahm es vorerst einfach hin, während sie Platz nahm, die Flügel vorsichtig über der Stuhllehne drapiert.

"Vielen Dank." Rosenduft erhob sich aus der Tasse in ihren Händen. "Darf ich fragen, warum Ihr mich hier hoch gebeten habt?"
"Aber natürlich dürft Ihr das." Der Magier ließ aus einer kleinen Flasche einen einzigen Tropfen in den Kessel vor ihm fallen. Sofort ersetzte Flieder den Lavendelduft, jedoch viel leichter. Thea schloss überrascht die Augen und schnupperte ein wenig. Der Raum erinnerte bald an eine Blumenwiese. "Ich möchte Euch ein wenig über die Welt erzählen." 

Der Engel öffnete die Augen wieder. Nun saß der alte Mann ihr gegenüber und nippte an seiner eigenen Tasse. "Ich weiß bereits einiges.", erinnerte sie und setzte die Tasse ab. "Dass die Menschen sich meine Hilfe erwartet hatten, zum Beispiel."

"Nein nein. Es geht hier nicht um die Menschen." Eilig schüttelte der Mann den Kopf. "Es geht um dein Volk und wie ihr erschaffen wurdet."
Thea nickte verstehend und sah zur Seite. Ihr Blick ruhte einen Moment auf den Regalen, den Gläsern und Fläschchen. "Nun gut." Sie wandte sich zu ihm zurück und nahm ihre Tasse wieder in die Hände. "Erzählt mir diese Geschichte. Ich bin gespannt."

THEA - Der Traum der Göttin [Teil 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt