04. Kapitel

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ICH bin draußen!«, keuchte ich und strich mir meine verdreckten Haare aus der Stirn.

»Sie ist draußen!«, hörte ich die Chirurgin laut rufen.

Ich riss mir hektisch den Overall vom Leib, schmiss ihn in das Loch, durch welches ich vor wenigen Sekunden gefallen war, und versuchte den Felsen wieder an seine alte Position zurückzuschieben. Allerdings war mein Körper für solch einen Kraftakt nicht gebaut, weswegen gefährliche Minuten verstrichen, in denen ich hätte entdeckt werden können.

»Ich habe den Ausgang verschlossen.«, flüsterte ich und fuhr mir mit dem verzweifelten Versuch durch die strubbelige Mähne, sie einigermaßen normal aussehen zu lassen - so normal sie eben aussehen konnte, wenn man mehrere Minuten durch ein dunkles enges Erdloch gekrochen war.

»Gut, wo bist du?«, wollte sie wissen.

Ich linste an der Hauswand vorbei, die mich vor unerwünschten Blicken beschützt hatte, nur um das zu sehen, was mir im ersten Moment schon klar gewesen war.
»Ich bin an dem Instituto Cervantes

Das Instituto Cervantes war eines der größten Institute der spanischen Sprache. Es wurde 1991 von der Regierung ins Leben gerufen, um die Kultur und Sprache Spaniens den Leuten aus dem Land, aber auch weltweit zu vermitteln. Die Arbeit des Cervantes Institutes wurde geleitet von Repräsentanten der akademischen, kulturellen und literarischen Welt der spanischen und hispanoamerikanischen Räume. Besonders auffällig an diesem waren die unverkennbaren meterhohen Säulen, die sich rund um den Bau zogen. Zudem waren die ausgeprägten an dem Barock angelehnten Verzierungen ein ziemlicher Eyecatcher für Touristen und es war nur ein Steinwurf von der spanischen Bank entfernt.

Ich kannte diesen Ort ziemlich gut, weil meine Schwester und ich oft an diesem Bauwerk vorbei gegangen waren, als wir noch kleiner gewesen waren. Ist das Schicksal oder nur ein ganz dummer Zufall?

»Wie sieht es aus?«, fragte Angeles und riss mich unsanft aus meinen Erinnerungen.

»Es sind viele Menschen auf der Straße. Auch Polizisten laufen hier rum. Vor der Bank sind immer noch viele Demonstranten.«, berichtete ich und machte mich daran mich so unauffällig wie möglich in die Massen zu integrieren.
Jenes war schwerer als gedacht, da ich mich seit einer Ewigkeit nicht mehr in solch großen Getümmeln befunden hatte. Ich spürte wie mein Atem sich beschleunigte und meine Schweißdrüsen auf Hochtouren zu Arbeiten begannen. Hier eine Panikattacke zu haben, wird nicht gerade hilfreich sein, wenn ich untertauchen will.

»Vermassle das nicht kleines Reh! Ich habe keine Lust zu sterben, nur weil du mal wieder anfängst zu heulen!«, hallte Tokios Stimme in meinem Kopf wider.
Mühsam kratzte ich das letzte bisschen Selbstkontrolle zusammen, dass ich noch hatte und drängelte mich eilig, aber nicht zu beharrlich an den Leuten vorbei.

Einen achtminütigen Fußweg und eine Busfahrt später, befand ich mich an dem spanischen Flughafen. Dort suchte ich als erstes die Toilette auf. Nicht weil ich dringend mal musste und mich vor den Menschenansammlungen verstecken wollte, sondern aus dem Grund, dass ich den Chip in meinem Ohr zerstören und herunter spülen wollte.
Ungeduldig wartete ich darauf, dass die nächste Kabine frei wurde. Das immer schneller werdende Klopfen meiner Stiefel, war ein Zeichen meiner Angespanntheit, welches auch die anderen Frauen, die vor ihrem Flug noch einmal auf festem Boden ihre Blase entleeren wollten, nervös zu machen schien. In dem Spiegel, der wie ein großes Fenster vor den Waschbecken hing, konnte ich sehen, wie eine nach der anderen begann von dem einen Bein auf das andere zu treten.

Was machen die da drin den so lange?

Eine Tür schwang auf und eine alte Dame mit braun gefärbten Haaren kam heraus gewatschelt.
Die Blicke der Leute in dem kleinen weiß gefliesten Raum stachen feindselig auf sie ein. Ihre trüben blauen Augen, waren entweder so schlecht, dass sie die abwertenden Seelenfenster nicht erkennen konnte, oder ihr war es schlicht und einfach egal.

Goldenes Blut | LCDPWo Geschichten leben. Entdecke jetzt