14. Kapitel

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NERVÖS wippte ich mit dem Bein und starrte angestrengt auf die weiße Tischplatte vor mir, als würde ich dort die Antwort auf meine unendlichen vielen panischen Fragen erhalten.

Er muss einfach mit abgehauen sein! Er muss einfach! Wenn er das Motorrad genommen hat, dann könnte er schon fast aus der Stadt sein!
Ich biss mir heftig auf die Unterlippe. Wem mache ich da eigentlich etwas vor?!

Er hatte mir versprochen, mich nicht allein zurückzulassen, obwohl jenes die einzig richtige Entscheidung gewesen wäre! Aber ich kannte ihn leider zu gut, um zu wissen, dass er niemals sein Versprechen brechen würde. Nicht in eine Millionen Jahren! Nicht, wenn man ihn schnappen und foltern würde!
Er würde immer wieder versuchen mich zu retten - dabei war ich es nicht wert! Die Tatsache, dass wir uns geküsst hatten, bekräftigte zudem meinen Verdacht, dass er gerade dabei war, mit dem Professor und den Serben eine Befreiungsaktion auf die Beine zu stellen. Allein bei dem Gedanken daran, dass Marseille sich auch nur einen Schritt näher als unbedingt notwendig, der Bank nährte, legte sich eine eiserne Hand um mein Herz und zerquetschte es. Ich allein war daran schuld! Niemand sollte meinet wegen gefangen genommen, geschweige denn sich in Gefahr begeben!

Ich schluckte die Gale herunter, die mir aufkam und versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren. Es war vergebens. Man hätte genauso gut ein schreiendes Kind in einen leeren Raum setzten und es darum bitten können sich zu beruhigen! Wo war Vegas mit ihren lockeren Sprüchen? Wo war Angeles mit ihren klugen Ideen? Einmal mehr wurde mir vor Augen geführt, dass ich auf voller Linie eine Versagerin war und es auch für immer bleiben würde...

Abgeschottet in einem extra Abteil des Zeltes, in dem ich vor wenigen Tagen noch ganz normal gearbeitet hatte, saß ich nun mit auf den Rücken gefesselten Händen. Es wäre töricht gewesen, bei der Verhaftung Widerstand zu leisten. Es hätte mich nur noch schuldiger aussehen lassen! Aber dennoch war es mir unglaublich schwergefallen, in der Panik die Flut zu verdrängen und sie war in diesem Augenblick auf dem besten Wege, sich erneut die Kontrolle über mich unter den Nagel zu reißen. Das unaufhörliche Tippen auf dem Boden wurde schneller - ebenso auch der Sturm in mir. Ich spürte, wie ich nach und nach meine Beherrschung verlor.

»Nicht mehr lange und sie werden ein heulendes Häufchen Elend vorfinden, das ihnen freiwillig alles erzählt«, höhnte eine gehässige Stimme in mir.

Ich schüttelte verzweifelt den Kopf, als könnte ich damit nicht nur die Klangfarbe, sondern auch die Monsterwellen verschwinden lassen.

»Schwächling!«

Obwohl es aussichtslos war, kämpfte ich gegen das Salzwasser an, das drohte meine schmalen Wangen herunterzulaufen.

»Vermassle das nicht kleines Reh! Ich habe keine Lust zu sterben, nur weil du mal wieder anfängst zu heulen!«
Tokio hatte recht behalten, ich hatte alles vermasselt!

»Und du weinst!«

Erschrocken schaute ich auf, als Thomas herein stolziert kam. Auf seinen Lippen befand sich das größte arroganteste Grinsen, das man sich nur vorstellen konnte. Jede Faser meines Körpers spannte sich an.

»Also, Victoria«, er genoss es regelrecht meinen Namen auszusprechen, »was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?«

»Bin ich vor Gericht, oder was soll das Gerede?«, rutschte es mir heraus.

Minimal verfinsterten sich seine Seelenfenster. Zum ersten Mal in meinem Leben fragte ich mich, ob ich mir nicht doch hätte einen Anwalt anlegen sollen.

»Dafür ist es jetzt zu spät!«

»Du weißt, dass alles was du sagst, vor Gericht gegen dich verwendet werden kann?«, knurrte er gereizt.

Goldenes Blut | LCDPWo Geschichten leben. Entdecke jetzt