12. Kapitel

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UND ich habe mich schon gewundert, warum du mir eine Lederjacke angedreht hast!«, brachte ich hervor, wobei die Panik, die in meinen Worten mitschwang, nicht zu überhören war.

Mit verschränkten Armen stand ich auf der letzten Stufe des Mehrfamilienhauses und beäugte das Gefährt vor mir misstrauisch. Es besaß nur zwei Räder und war mit einem schwarzen Lack versiegelt worden, was es für meinen Geschmack nur noch gefährlicher aussehen ließ.

Marseille lachte. Es war laut und kehlig. Doch als ich ihm schon einen bösen Blick zuwerfen wollte, weil er sich offensichtlich über mich lustig machte, verspürte ich plötzlich eine innere Wärme, die mich dazu zwang, meine Mundwinkel ebenfalls anzuheben.
Es war komisch, aber es tat mir - meinem zerfetzen Herz - gut, ihn Lachen zu sehen. Vor allem, nach dem komischen Schweigen zwischen uns, nachdem wir uns letzten so nah gekommen waren. Ich biss mir auf die Unterlippe, um das Lachen zu unterbinden, aber ich versagte kläglich. Der Mann fuhr durch seine dunkelblonden Haare, die ihm von dem Wind immer wieder ins Gesicht geweht wurden. Meine Pumpe, die ohnehin schon freudig vor sich hinschlug, geriet gefährlich ins Stolpern.

Herr Gott, jetzt tu doch nicht so, als hätte er noch nie so gut ausgesehen! Gleichzeitig erschrocken, als auch peinlich berührt über diesen Gedanken schoss mir das Blut in den Kopf.

»Jetzt hab dich nicht so! Ich verspreche dir, dass dir nichts passieren wird!«, sagte Marseille, als ich mich immer noch nicht vom Fleck bewegt hatte, und schlenderte mit einem Helm in der Hand um das Motorrad herum.

Zögerlich schaute ich zu ihm hinauf und fragte mich ein weiteres Mal, warum mir niemand gesagt hatte, dass ich mit solch einer Maschine fahren musste.
»Bist du sowas denn schonmal gefahren?«, hakte ich nach.

»Selbstverständlich. Ich habe sogar einen Führerschein.«, behauptete er und grinste mich aufmunternd an.

Verzweifelt versuchte ich aus seinem Blick heraus zu filtern, ob er die Wahrheit sagte oder sich nur einen Spaß mit mir erlaubte.

»Hey, du brauchst wirklich keine Angst zu haben.«, schob er einfühlsam hinterher. In seinen braunen Seelenfenstern lag dabei so viel Aufrichtigkeit, dass ich es in Betracht zog, ihm zu glauben, dass ich nicht von diesem Höllending stürzen würde, wobei ich mir sämtlichen Knochen brechen würde.

»Okay.«, presste ich mit wackliger Stimme hervor. Die aufkeimende Panik versuchte ich einfach zu ignorieren, jedoch war es deutlich schwerer als gedacht die krachenden Wellen zu vergessen.

Mit großer Sorgfalt setze Marseille mir den Kopfschutz auf. Ich zuckte leicht zusammen, als er mir zuvor eine störrische Strähne aus der Stirn strich. Meine feine Haut brannte förmlich unter seiner Berührung und mein Herz begann stolpernd wieder auf seine Normalgeschwindigkeit herunterzuschalten. Mit einer geschmeidigen Bewegung schwang er sich auf das Fortbewegungsmittel und zog sich ebenfalls einen Helm über. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum, während ich mit vorsichtigen Schritten dem Ding näherte.

»Stützräder gab es leider nicht mehr.«, scherzte der Mann, welchem nicht entgangen war, wie argwöhnisch ich die Räder betrachtet hatte.

Zwei waren einfach zwei zu wenig für mich.

»Wäre ja auch zu schön gewesen...«, murmelte ich, derweilen ich auf das Motorrad kletterte, wobei mir dies um Welten nicht so elegant gelang wie ihm.

Nach seiner kurzen Anweisung platzierte ich meine Stiefel auf der dafür vorgesehenen Ablage und schlang meine Arme um seine Hüfte. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Wangen verräterisch zu glühen begannen und mein zentrales Organ aufgeregt klopfte. Hoffentlich spürt er es nicht!

Ich schrie leise auf und klammerte mich ängstlich an ihm fest, als es einen kleinen Ruck gab, der von Marseille ausgelöst wurde, weil er die Halterung löste. Sein Lachen erschütterte uns beide.
»Wir sind noch nicht mal losgefahren und du hast schon Angst.«, stelle er belustigt fest und drehte sich zu mir um.

Goldenes Blut | LCDPWo Geschichten leben. Entdecke jetzt