15. Kapitel

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UM mich herum war alles schwarz. Sanft sank ich immer weiter in die ungewisse Dunkelheit hinab, welche mich umgab. Meine Arme und Beine schwebten in dem Wasser und fühlten sich seltsam taub an. Egal, was ich auch tat, sie bewegten sich nicht. Meine Augen erblickten nur die Unendlichkeit der Schwärze und dennoch blieb ich ganz ruhig. Mein Atem ging gerade zu flach, was mich verwunderte.

Müsste meine Lunge nicht nach Sauerstoff schreien? Bin ich etwa tot? Nein, wie sollte ich den gestorben sein? Aber wenn ich noch am Leben bin, wo befand ich mich dann???

Verzweifelt riss mich meinen Mund auf und versuchte um Hilfe zu schreien. Allerdings stiegen nur mit Luft befüllt Blasen in der dunklen Flüssigkeit auf.

Ich erinnerte mich, mich schon einmal an diesem Ort befunden zu haben. Es lag schon lange zurück...

Verwundert zog ich die Brauen zusammen. Ich war mir dessen so sicher gewesen, dass ich diese Erinnerungen und diesen Ort, der unmittelbar mit ihnen verbunden gewesen war, verdrängt hatte. In den hintersten Teil meines Gehirns hatte ich sie eingeschlossen!
Und dennoch war ich wieder hier...

Was hatte mich dazu gebracht, hierher zurückzukehren?  Aber so sehr ich mich auch versuchte daran zu erinnern, was geschehen war, ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern.

Eine andere Rückblende, die der Schöpfer meines persönlichen ausbruchsicheren Gefängnis war, überdeckte jeder andere und riss mich unmittelbar wieder in die Vergangenheit.

€€€

Es war ein Tag wie jeder andere gewesen. Meine Zwillingsschwester, Lilith, und ich hatten den halben Tag draußen an der frischen Luft verbracht. Wir hatten an dem nahe gelegenen Fluss gespielt, der sich am Rande der kleinen Siedlung, in der wir lebten, entlang schlängelte. Die Sonne hatte das seichte Wasser ganz wunderbar funkeln lassen und uns dazu verleitet, unsere Schuhe und Socken auszuziehen, um barfuß das kühle Nass zu genießen. Als die Glocken geläutet hatten, waren wir lachend zurück nach Hause gelaufen, in dem uns schon unsere Eltern mit dem Abendbrot erwarteten. Nach dem Abendessen hatten wir uns in unsere Bettdecke gekuschelt und gebannt der Geschichte gelauscht, die uns unser Vater vorgelesen hatte. Während er mit seiner tiefen einschläfernden Stimme erzählt hatte, waren uns die müden Augen zugefallen. Schnell waren wir in das wunderschöne Land der Träume abgetaucht, welches uns mit offenen Armen empfangen hatte.

Die Nacht hatte schon lange ihre schwarzen Schwingen über dem kleinen Dorf ausgebreitet. Der Wind heulte leise und die Geräusche der Tiere, welche in der Dunkelheit ihr Unwesen trieben, halte durch die Luft.

Doch etwas lief in jener so unscheinbaren und idyllischen Nacht vollkommen schief!

Ich wurde erst wach, als ich aus meinem kleinen gemütlichen Kinderbett gehoben wurde. Verwirrt blinzelte ich meine Mutter an, die mich hektisch an sich drückte und aus dem Zimmer lief. Mein schläfriger Blick schweifte zu dem Bett meiner Schwester.

Es war leer!

»Was ist los Mama?«, fragte ich und ließ meinen müden Kopf gegen ihre knochigen Schultern sinken.

»Es ist alles gut, mein Schatz!«, raunte sie mir zu. Aber etwas in dem Unterton ihrer Stimme, sagte mir, dass das eine Lüge war. Jedoch war ich noch zu klein und viel zu müde, um zu verstehen, was vor sich ging.

»Pablo!«, kreischte die Frau plötzlich entsetzt.

Und dann nahm ich es auch wahr!

Der grässliche Geruch von Qualm, welcher uns immer mehr den Sauerstoff stahl, lag in der Luft. Die Hitze des Feuers bereitete sich rasant im Raum aus und das grelle rötliche Licht, welches die Dunkelheit erhellte, stach mir in die Seelenfenster. Ich krallte mich erschrocken an ihrem Arm fest und schaute hilflos zu hier hinauf. Was sollen wir jetzt tun?!
Allerdings bemerkte sie meinen Blick gar nicht, sondern starrte in Richtung der Haustür, die geöffnet war. Unweigerlich richtete ich meine Aufmerksamkeit ebenfalls auf diesen Punkt und erstarrte. Bewusstlos lag mein Vater, der immer stark und fröhlich war, auf dem Boden. Er rührte sich nicht, da das Kohlenstoffdioxid ihn bereits schon ohnmächtig gemacht hatte. Im Hintergrund züngelten die hungrigen Flammen an den Vorhängen und fraßen sich durch die weiteren Möbel des Wohnzimmers.

Goldenes Blut | LCDPWo Geschichten leben. Entdecke jetzt