17. Kapitel

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MEIN Herz schlug mir bis zum Zerspringen, sodass ich befürchtete, dass es sich eigenständig aus meinem Brustkorb befördern würde. Jede Faser meines schwachen und völlig nutzlosen Körpers spannte sich an. Zu alldem gesellte sich noch das Gefühl, dass meine Eingeweide von einer unsichtbaren Macht zusammengequetscht wurden. Tausend Gedanken wirbelten durch meinen Kopf, ohne dass ich einen davon zu fassen bekam. Es fühlte sich so an, als hätte ich meinen Körper verlassen.

Dumpfe schmerzerfüllte Schreie, welche von dem Klang von Schlägen begleitet wurden, rissen mich unvermittelt aus meiner Schockstarre. Es folgte eine gespenstige Stille, bei der man selbst eine Stecknadel herunterfallen hätte hören können. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe.

Was ist passiert?

Die Ungewissheit, die sich mit meiner Angst vermischte, kroch langsam wie Nebel meine steifen Glieder hoch und fraß sich wie ätzende Säure in meine bleiche Haut hinein. Ich wagte es nicht zu atmen. Aber die Neugierde und das Bewusstsein, dass ich schlicht und weg keine andere Wahl hatte, als nachzusehen, was mich hinter der Ecke erwartete, bewegten mich dazu, meinen gefrorenen Zustand zu beenden.
Doch kaum hatte ich meine Deckung mehr oder weniger aufgegeben, wurde ich von zwei Händen gepackt und zu Boden gedrückt. Brutal riss man mir meine Arme nach hinten. Ich presste meine Lippen fest zusammen, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Jedoch konnte ich nicht verhindern, dass ein paar Tränen sich ihren Weg aus meine Drüsen suchten, um über meine Wangen zu laufen und dann auf den betonierten Boden zu tropfen.

Ich habe versagt!

»Du hast noch nicht mal einen Finger gekrümmt, um sie davon abzuhalten, in die Bank zu gelangen! Du Versagerin!
Du Närrin!
Du Feigling!«, spotteten die Wellen und krachten mit all ihrer Wucht gegen meinen Damm, der unter ihrer Kraft zusammenzubrechen drohte.

»Phoenix?«

Der Druck ließ im selben Moment nach, als er meinen Namen ausgesprochen hatte. Ich drehte mich herum, um sicherzugehen, dass mir meine Ohren keinen Streich gespielt hatten. Hatten sie nicht!

»M-Marseille.«, stotterte ich.

Dann konnte ich sie nicht mehr zurückhalten. Erbarmungslos spross mir das Salzwasser aus den Augen. Sanft zog der Mann mich an sich und strich beruhigend über meinen bebenden Rücken.

»Es ist alles gut!«, flüsterte er und hauchte mir einen Kuss auf meinen Haaransatz.

Verschwommen konnte ich zwei bewusstlose Gestalten erkennen, die am Boden lagen. Zitternd atmete ich aus und versuchte mich wieder unter Kontrolle zu bekommen.
»Wie konnten sie...wie haben sie den Eingang gefunden? Haben sie uns beschattet?«, platzte die Frage aus mir heraus.

Die braunen Iriden des Mannes wichen mir aus. »Ja, sie müssen uns verfolgt haben...ich habe sie nur aus Zufall bemerkt, als sie sich in den Tunnel gequetscht haben. Ich bin ihnen sofort hinterher...«, erklärte Marseille.

»Bedeutet das, dass die Polizei den einzigen Eingang kennt, denn wir noch haben?«, wollte ich wissen und konnte dabei nicht verhindern, dass meine Stimme schrill und panisch klang.

»Ich denke schon...«

Wieso haben wir nicht besser auf unsere Umgebung geachtete? Jetzt haben wir der Polizei einen unbewachten Angriffspunkt gegeben!
Und das ist alles nur meine Schuld!

»Hey, Phoenix, mach dir keine Vorwürfe! Wir konnten nicht wissen, dass man uns verfolgt. Wir haben unser bestes gegeben, dass zu verhindern.«, meinte der Mann.

Ich starrte die bewusstlosen Polizisten an.

»Das Einzige, was wir jetzt machen können, ist den Eingang zu verschließen und darauf zu hoffen, dass die beiden nicht die Möglichkeit hatten, ihre Beobachtung an ihre Kollegen weiterzugeben.«, redete er weiter ruhig auf mich ein.

Goldenes Blut | LCDPWo Geschichten leben. Entdecke jetzt