„Na, komm schon, Kieran!", lächelnd breitete seine Mutter die Arme aus, während sie sich hinkniete. Fröhlich jauchzend tapste das Kleinkind auf seine Mutter zu und warf sich ihr entgegen.
„Hey, nicht so stürmisch, Großer!", lachte diese und drückte ihren Sohn ganz fest an sich. Er fühlte sich mehr wie ein Kissen an, als ein kleines Kind. Aber das war kein Wunder, wenn man bedachte, dass er aufgrund der Temperaturen in viele Lagen Kleidung gewickelt war. Fest umarmte das Kleidungsknäul seine Mutter. „Uh, du hast mich aber ganz schön lieb.", sagte seine Mutter lächelnd, woraufhin sie ein lautes „Ja!" zurückbekam.
„Ich habe dich auch ganz lieb, weißt du?", sagte sie und hob das Kind auf. „Und Papa auch. Sieh mal, da vorne ist er auch schon!" Kieran drehte den Kopf und erblickte seinen Vater, der auf die beiden zugelaufen kam.
„Papa!", rief er ganz begeistert. Sein Vater antwortete mit einem Lachen.
„Da hat mich aber jemand vermisst!", stellte dieser fest und zupfte Kieran an den schwarzen Locken, die seinen kleinen Kopf umrahmten. Kichernd versuchte Kieran nach der Hand des Vaters zu greifen, doch dieser zog sie rechtzeitig zurück.
„Na, na. Diesen Spaß lässt du mir doch wohl.", stichelte sein Vater grinsend.
„Nö.", erwiderte Kieran und streckte seinem Vater fröhlich die Zunge heraus. Spielerisch griff sein Vater sich ans Herz und taumelte einen Schritt zurück. „Damit triffst du mich wirklich, Großer.", seufzte er theatralisch und sein Sohn lachte.
„Amari, hast du die Tickets?", wollte die Mutter wissen. Ihr Ehemann, Amari, nickte.
„Natürlich, Schatz." Zur Veranschaulichung zog er drei Tickets aus seiner Jackentasche und hielt sie in die Höhe. „Eingepackt und nicht verloren gegangen."
„Sehr gut.", sagte seine Ehefrau lächelnd. „Dann kann ja nichts mehr schiefgehen."
„Du hättest mich früher nach den Tickets fragen sollen.", behauptete Amari und zwinkerte ihr zu. „Was, wenn ich sie nicht mehr gehabt hätte? Dann hätten wir jetzt schön nach Hause fahren können." Seufzend schüttelte sie den Kopf.
Mit dem kleinen Kieran auf den Armen lief sie voran, auf den Eingang zum Freizeitpark zu. Gut gelaunt folgte ihr Amari. Am Ticketschalter blieb die kleine Familie stehen.
„Guten Tag.", grüßteAmari, überreichte die Tickets, die Frau am Schalter nickte knapp und ließ die drei passieren. Sobald sie den Torbogen, der in den Park führte, durchschritten, erstreckte sich vor ihnen eine gewaltige Landschaft voller Karussells, Zuckerwatte und Hüpfburgen. Begeistert begannen Kierans dunkle Augen zu strahlen. Ungeduldig zappelte er in den Armen seiner Mutter.
„Ist ja schon gut.", lachte sie und ließ ihn runter. „Aber bleib in der Nähe!" Freudestrahlend rannte Kieran los und sah sich um. Seine Augen konnten gar nicht genug bekommen, von dieser bunten Spielewelt.
„Das Weihnachtsgeschenk deiner Schwester war wirklich eine gute Idee, Lisha.", bemerkte Amari zufrieden. „Sieh ihn dir an. Er wird hier nicht mehr weg wollen."
Lisha nickte. „Oh, ja. Und wir werden nachher ein weinendes Kind zurück zum Auto schleifen müssen." Beide grinsten sich bedeutungsvoll an, ehe sie hinter dem kleinen Kieran her eilten, damit dieser nicht einfach zwischen den vielen Fahrgeschäften verschwand und nie wieder auftauchte.
„Ich will dahin!", rief Kieran und deutete aufgeregt mit seinem Finger auf ein buntes Karussell, dessen Lichter fröhlich blinkten.
„Natürlich.", sagte Lisha. „Komm, suchen wir uns ein Pferdchen aus!" Sie nahm ihren Sohn an die Hand, winkte ihren Mann zu sich und zu dritt stiegen sie auf das Karussell.
„Das da! Das da!", rief Kieran und zog seine Mutter zu einer Kutsche, die Platz für die ganze Familie bot. Lächelnd folgten die Eltern ihm und ließen sich von ihm in die Kutsche zerren.
„Uff!", machte Amari, als er sich den Kopf stieß. Kieran lachte glockenhell auf. „Immerhin erfreust du dich an meinem Schmerz." Dafür erntete er von Lisha einen Stoß in die Rippen. Doch das hielt ihn nicht auf. „Du nicht auch noch!", seufzte er theatralisch und legte sich die flache Hand an die Stirn.
„Hör auf, du bringst ihn noch auf Ideen.", meinte Lisha grinsend. Zu dritt genossen sie die Fahrt in dem Karussell. Danach wurden sie von ihrem Sohn von einem Fahrgeschäft zum nächsten gezogen. Und schließlich, am Ende des Tages landeten sie alle auf einer Hüpfburg. Es war ein gelungener Tag. Lisha nahm sich ganz fest vor, ihrer Schwester für dieses Geschenk zu danken. Das nächste Mal würde sie dann vielleicht auch mitkommen, wenn sie sich wieder im Land befand. Leider brachte ihre Arbeit es mit sich, viel umherzureisen.
Die Sonne war bereits untergegangen, als die Familie den Freizeitpark verließ. Lediglich das weiße Licht der Straßenlaternen vertrieb die Dunkelheit. Aber alles abseits der Laternen war in Schatten getaucht. Es war still. Kein Auto rauschte an ihnen vorbei, kein Fußgänger kam ihnen entgegen. Vor ihnen tauchte der Parkplatz wie aus dem Nichts auf. Schwer lag die Finsternis auf ihm und nur vereinzelte Laternen vertrieben sie teilweise.
Müde lief Kieran an der Hand seines Vaters neben ihm her. Immer wieder rieb er sich die Augen, die einfach immer schwerer offen zu halten waren. Dennoch weigerte er sich, dass einer seiner Elternteile ihn auf den Arm hob. Doch als er den Parkplatz erblickte, wurde die Müdigkeit ein wenig zurück getrieben. Er sehnte sich nach der Wärme des Autos und danach, endlich zu sitzen und der Müdigkeit nachzugeben. Mit seiner letzten Energie riss er sich von seinem Vater los und rannte auf den Parkplatz zu. Er wusste noch, wo seine Eltern das Auto abgestellt hatten.
„Kieran!", riefen sie ihm hinterher. „Warte!" Doch er hörte nicht. Vor seinem inneren Auge sah er sich schon schlafend im Auto. Und so sah er den Motorradfahrer nicht, als er über die Straße rannte. Bloß den Parkplatz. Er hörte noch den entsetzten Schrei seiner Eltern, das Quietschen von Reifen und ein helles Licht, dann nichts mehr. Gnadenlos und blitzschnell hatte die Dunkelheit ihn mit ihren langen Fingern gepackt und schloss seine Augen.
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Entstehungsgeschichte einer Bestie
FantascienzaEs ist Ende des Jahres 2042, als der junge Kieran Roth seinen Eltern entrissen und entführt wird. Seither wächst er ohne die Erinnerungen an seine Eltern in einem Labor auf. In einem Labor, das gewissenlos Forschung an Kindern betreibt, um an deren...