26. Juni 2058, 03.24 Uhr

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In dieser Nacht war es unruhig draußen. Zunächst waren da die schweren Schritte von mindestens einem Dutzend Menschen gewesen. Sie bewegten sich organisiert und ihr Ziel war den Geräuschen nach zu urteilen das Haus nebenan.

Seine Sinne waren geschärft, seine Muskeln gespannt. Lauernd saß Kieran in der Dunkelheit des Wohnzimmers und folgte gedanklich den Geräuschen. Er ahnte, was dort draußen vor sich ging. Er selbst hatte oft genug mit den anderen Elitesoldaten Einsätze simuliert. Er kannte die Abläufe, ahnte auch das Ziel dieses Einsatzes. Wobei dies ziemlich offensichtlich war, wenn es um Häuser ging, in denen Mutanten lebte, denn allzu viele Optionen gab es nicht. Entweder hatten Liam oder Freya einen Menschen getötet und würden nun selbst getötet werden, ihre Menschen waren nicht zufrieden mit ihnen und würden sie an die Front schicken oder ihre Menschen hatten sie zu freundlich behandelt und würden nun die Konsequenzen tragen müssen.

Schreie ertönten von nebenan und Kieran hörte das Knistern von Flammen. Ein Blick aus dem Wohnzimmerfenster bestätigte, dass die Soldaten ein Feuer gelegt hatten. Wild peitschten die Flammen um sich, erhoben sich, streckten sich dem dunklen Nachthimmel entgegen, verschlangen die Villa. Ein Schuss zerfetzte die Stille der Nacht, gefolgt von einem weiteren Schrei gepaart mit einem Heulen. Kieran erhob sich.

Die Menschen, die nebenan lebten, waren ihm gleichgültig. Nicht aber die weißhaarige Mutantin. Die ganze Zeit über war sie passiv gewesen. Das würde sich von nun an ändern. Jetzt, da ihr kaum mehr die Wahl blieb. Das würde auch sie bald erkennen. Dessen war er sich sicher. Hätte das Chamäleon Flavio nicht bereits vor einigen Jahren mit sich in den Abgrund gerissen, würde dieser ihm nun vorwerfen, wie kaltherzig er sei.

Lautlos bewegte er sich durch das Haus. Im oberen Stockwerk schliefen die Severos. Es war ihr Glück, das ihnen in der heutigen Nacht das Leben rettete. Denn Kieran hatte weitaus Wichtigeres zu tun, als das alte Ehepaar zu töten. Der Tod von Mr und Mrs Severo führte zu nichts, außer zu seiner eigenen Zufriedenheit.

Das Chamäleon öffnete die Haustür. Kühle Nachtluft wehte ihm entgegen, die sich mit der Hitze der Flammen abwechselte. Mittlerweile stand das ganze Haus in Flammen. Das Feuer machte die Nacht zum Tag. Düstere Schatten tanzten mit dem roten Licht zuckend über den Asphalt.

Mehrere uniformierte Gestalten rannten aus dem brennenden Gebäude, hielten Gewehre wie auch Pistolen hoch erhoben. Brüllten sich Befehle zu. Einige Meter vor ihnen erkannte Kieran die beiden Mutanten. Gut, sie lebten noch.

Mit einem Mal fühlte Kieran sich so leicht wie schon lange nicht mehr. Es war, als könnte er plötzlich wieder freier atmen. Inmitten des Leids und der Zerstörung lächelte er. Dies war erst der Anfang vom Ende. Seine Zeit war endlich gekommen. Und er ließ los.

In all seiner Logik war Chaos sein Element. Lange genug hatte er sich zurückgehalten. Er mochte den Krieg hinter sich gelassen haben, doch der Krieg lebte in ihm weiter. Kieran war für das Töten geschaffen worden. Das war es, was er am besten konnte. Jetzt würde es seinen Erschaffern zum Verhängnis werden. Tod, Blut und Verderben. Das war es, was ihn ausmachte. Das war es, was er kannte.

Einer der Uniformierten legte seinen Zeigefinger an den Abzug seiner Pistole. Doch er würde niemals dazu kommen, abzudrücken. Kieran schoss los. Für das menschliche Auge war er kaum mehr als ein Blitz. Im Laufen verformten sich seine Hände zu tödlichen Klauen. Er fühlte sich so ausgelassen wie schon lange nicht mehr. Die zuckenden roten Flammen ließen ihn wie einen aus der Hölle emporgestiegenen Dämon erscheinen.

Ohne mit der Wimper zu zucken, gruben sich seine Krallen in das weiche Fleisch des menschlichen Soldaten, der einen erstickten Schrei ausstieß, als Kieran ihn auch schon zu Boden riss. Blut tropfte von Kierans Fingern, als er sie aus dem Soldaten zog, der mit schreckgeweiteten Augen am Boden lag, während rubinrote Farbe einen Rahmen um seine Gestalt formte. Bevor das Leben aus seinen Augen wich, war das Chamäleon schon bei dem nächsten Soldaten. Seine Farben waren die der Dunkelheit um ihn herum, das sich mit zuckendem Rot mischte. Ein Schrei endete im verzweifelten Gurgeln, als der Soldat seine Waffe fallen ließ, die mit einem dumpfen Geräusch auf der Straße aufkam, ehe er sich entsetzt an die zerfetzte Kehle griff und zu Boden ging. Er stand nicht mehr auf.

Zu wenig Zeit war vergangen, als dass die restlichen Soldaten wirklich hätten begreifen können, was da über sie gekommen war. Sie fielen wie Dominosteine. Das letzte, was sie sahen, waren dunkle Augen und teuflische Klauen, ehe sie im Rot versanken und das dunkle Nichts seine langen Finger nach ihnen ausstreckte.

Kieran war der Teufel aus Blitz und Dunkelheit. Keinen von ihnen ließ er am Leben. Blut folgte ihm auf jeden Schritt. Es zeichnete seine Fußspuren, tropfte von seinen Händen. Noch nie hatte er sich lebendiger gefühlt. Sie würden alle bekommen, was sie verdienten.

„Lauft!", rief Kieran den anderen beiden Mutanten zu. Er war sich sicher, dass dies nicht die einzigen Soldaten gewesen waren und die anderen, die sich vermutlich in der Nähe des Hauses oder eines Autos befanden, bald schon Verstärkung anfordern würden. Für ihn wäre das kein Problem, sehr wohl aber für Freya und Liam.

Liam nahm sich Kierans Befehl zu Herzen und rannte weiter. Sein Ziel war der Wald. Das Chamäleon eliminierte jeden weiteren Feind, der es wagte, in sein Sichtfeld zu treten. Schoss über die Straße, die mit jeder vergehenden Sekunde mehr und mehr einem Schlachtfeld glich. Er war voll und ganz in seinem Element. Eine nicht aufzuhaltenden Naturkatastrophe, künstlich herbeigeführt von Ambrosia.

Aus der Ferne ertönte das Geheul von Sirenen. Doch Kieran war längst mit der Dunkelheit des Waldes verschmolzen. Zum ersten Mal seit Jahren verspürte er so etwas wie Zuversicht. Seine Freiheit war zum Greifen nahe. Es war an der Zeit, sich zu erheben. 

Entstehungsgeschichte einer BestieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt