26. Oktober 2054

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Die Tests halfen Doktor Benton kaum weiter. Zwar hatte sich nun bestätigt, dass deutlich geringere Gehirnaktivitäten in den Bereichen des Hirns, dem Lymbischen System, das ein Teil des Großhirns ist, vorlagen, die für die Emotionen zuständig waren. Aber das hatte er bereits vermuten. Außerdem glaubte er auch, dass es bei dieser Sache einen Zusammenhang zwischen Gehirn und Psyche gab.

Also hatte er sich daran gemacht, erst einmal einen Schritt zurück zu rudern und das Verhalten zu erforschen. Dafür jedoch musste er erst etwas über die vier Mutanten herausfinden, die man ihm anvertraut hatte.

Über Zweihunderteins hatte er schnell etwas herausgefunden, sobald er auf eine Vermisstenanzeige aus dem Jahr 2049 gestoßen war. Und schon hatte er den Namen gehabt, den Zweihunderteins als Mensch getragen hatte: Flavio Arantes. Etwas schwieriger wurde es dann schon, etwas über sein menschliches Leben herauszufinden. Doch schließlich hatte er den Social Media Account der Mutter gefunden, die vor vielen Jahren Bilder und Videos hochgeladen hatte, auf denen auch ihr Sohn zu sehen war. Dies konnte der Doktor nutzen, um zu versuchen, Emotionen aus dem Mutanten hervor zu kitzeln.

Deutlich schwieriger war das Ganze bei Neununddreißig. Er gehörte zu den ersten, die entführt worden waren und vor allem über die ersten neununddreißig Mutanten gab es wenige Informationen. Zwar hatte die Organisation, die für all das verantwortlich war, Ambrosia, Akten über alle ihre Mutanten angefertigt, doch an die ersten neununddreißig Akten kam man nur schwer heran. Dass Ambrosia eine Untergrundorganisation gewesen war, machte es nicht leichter.

Dennoch hatte Doktor Benton schließlich erfahren, dass Neununddreißig einmal Kieran Roth geheißen hatte. Jedoch brachte ihm das erstaunlich wenig. Kieran Roth war etwas über zweieinhalb Jahre alt gewesen, als er entführt worden war. Demnach würde er sich wohl kaum an seine Eltern und sein Leben bei ihnen erinnern. Wie also sollte man versuchen, jemanden emotional zu berühren, wenn dieser keinerlei emotionale Bindungen hatte?

Natürlich wäre das Ambrosia Institut, in dem er aufgewachsen war, eine Möglichkeit, doch nur wenig hatte er darüber in Erfahrung bringen können. Und definitiv nicht genug, um bei Neununddreißig irgendetwas zu erreichen. Also musste er sich mit Bildern von den Eltern, an die er keine Erinnerungen hatte, zufriedengeben. Mit Familienbildern, die ihm vermutlich vollkommen fremd vorkommen würden. Mit dem Kind auf den Armen seiner Eltern würde er sich wohl kaum selbst identifizieren können.

Aber versuchen musste Benton es. Doch die Tatsache, dass nicht einmal mehr der Schrecken der Front diese Mutanten berühren konnte, stimmte ihn wenig optimistisch. Dennoch durfte er nicht vergessen, was für eine Möglichkeit sich ihm offenbart hatte, weil er mit der Forschung an diesen Mutanten betraut worden war. Er und das Forschungsteam, dessen Leitung er innehatte.

Nachdem er seine Unterlagen sortiert hatte, widmete er sich zuerst Mutation Nummer Neununddreißig, bei dem er ohnehin die schlechtesten Chancen auf Erfolg sah. Aber danach würde er sich deutlich besser gelaunt den anderen zuwenden können.

„Hallo, Neununddreißig.", grüßte Doktor Benton, als er vor der Scheibe des Chamäleons stand. „Heute möchte ich mal etwas anderes ausprobieren." Desinteressiert blickten ihm Neununddreißigs dunkle Augen entgegen. Fast schon regungslos saß der Mutant exakt in der Mitte seiner Zelle.

Benton schaltete eine durchsichtige Scheibe ein, die etwas größer als ein DinA4 Papier war. Mit dem Zeigefinger tippte er auf eines der leuchtenden Symbole und dann auf den Ordner, den er mit der Zahl „39" beschriftet hatte. Ihm offenbarte sich eine Reihe an Bildern und Videos, die er hatte auftreiben können.

„Bitte schau genau hin.", sagte der Doktor und tippte auf das erste Bild. Anschließend hielt er die Scheibe so, dass auch Neununddreißig sehen konnte, was darauf abgebildet wurde. Auf dem Bildschirm waren zwei Personen abgebildet. Ein Mann und eine Frau. Beide waren etwa um die Ende zwanzig und hatten eine dunklere Hautfarbe, wobei die des Mannes noch etwas dunkler war.

Entstehungsgeschichte einer BestieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt