𝐭𝐡𝐞 𝐧𝐢𝐧𝐞𝐭𝐞𝐞𝐧𝐭𝐡 𝐜𝐡𝐚𝐩𝐭𝐞𝐫

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|| Leander ||

Es war Sonntag und der Tag war noch jung. Meine Füße trugen mich durch den einsamen Morgen des neuen Tages und ich wünschte mir, dass jetzt jemand bei mir war. Die Blätter raschelten unter meinen Füßen und ich kam an dem Spielplatz vorbei, an dem ich mit Phillipp auf den Bänken gesessen und unsere jüngeren Geschwistern beim Spielen beobachtet hatte.

Ich legte meinen Kopf in den Nacken und schaute in den dunklen Himmel. Es war noch zu früh, als dass man die ersten Strahlen der Sonne sehen konnte. Und somit schaute ich nur den Nebelschwaden zu, wie sie durch die Luft schwebten und alles unter ihren weißen Schleier begrub, fast so, als wolle er mich vor der Welt isolieren.

Ich lachte. Es war ein befreites Lachen, denn ich hatte für einen Moment das Gefühl, dass die Freiheit nicht ganz so weit entfernt war, wie ich die ganze Zeit dachte. Ich müsste nur meine Hand ausstrecken oder mich um hundertachtzig Grad drehen, um sie zu greifen.

Es war, als würde eine Blase platzen, als das verräterische Piepen meines Handys, das E intreffen einer neuen Nachricht ankündigte.

[11/22/2020; 01:07 am] Phillipp: Was ist so witzig?

Ich drehte mich um und sah Phillipp, der mit seinem Handy in der Hand ein paar Meter hinter mir stand und mich mit leicht schiefgelegtem Kopf ansah.

Ich wusste nicht, was mich mehr überraschte. Dass der Junge ebenfalls früh morgens durch den Park streifte oder dass er gerade so wirkte, als hätte er keine Scheu in meiner Nähe zu sein. „Der Himmel", meinte ich nur und Phillipp schaute nach oben. Ich tat es ihm gleich. „Er sagt mir, dass die Freiheit nicht allzu weit weg ist, dass sie ganz in meiner Nähe ist und-", ich unterbrach mich selbst. Was tat ich hier? Ich kannte ihn nicht einmal.

Ein Handydisplay durchbrach das dämmrige Licht der Nacht und das leise Klackern der Tastatur ertönte.

[11/22/2020; 01;07am] Phillipp: Das man sich theoretisch nur umdrehen müsste um sie zu ergreifen können?

Phillipp schob das Handy zurück in seine Hosentasche, während er auf seiner blassen Unterlippe herumkaute. Mit seinen weißen Turnschuhen schob er die nassen Blätter auf dem Boden umher. Ich schluckte. „Genauso ist es", hauchte ich und wusste nicht, was ich denken sollte. Die Tatsache, dass er genauso fühlte, wie ich, war ungewohnt aber keinesfalls schlecht. Ein sanfter Wind wehte und brachte Chaos in unsere Haare.

Für einen kurzen Moment sahen wir uns in die Augen und es war, als würde die Welt stillstehen. Just in diesem Augenblick fühlte ich mich so verbunden mit den stummen Jungen, dass sich eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper zog. Wir schauten uns an und es brauchte keine Worte, um uns zu sagen das es gut war so wie es ist. Wir brauchten keine Worte um uns zu verständigen - sondern einfach nur das Gefühl von Akzeptanz.

Erst das Bellen eines Hundes in der Ferne ließ uns wieder im hier und jetzt ankommen. Die Geräusche der Nacht prasselten wieder auf uns ein, als wäre ein plötzlicher und heftiger Regenschauer ausgebrochen. Die wenigen Autos, welche ihre Besitzer an ihr Ziel kutschierten, leise Katzen, welche durch das Gebüsch streiften und der Wind, welcher durch die Bäume streifte. Phillipp trat einen Schritt zurück und sah auf einen Punkt hinter mir.

„Sollen wir ein Stückchen gehen?" Fragte ich Phillipp und rechnete eigentlich gar nicht mit einer Antwort. Doch zu meiner Überraschung nickte er und ich fragte mich, ob er in diesen frühen Stunden auch versuchte der Einsamkeit zu entkommen. Dass er dabei sogar in meiner Nähe bleiben wollte, machte mich glücklich.

a silent voice | ᵇᵒʸˣᵇᵒʸ |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt