𝐭𝐡𝐞 𝐟𝐢𝐟𝐭𝐡 𝐜𝐡𝐚𝐩𝐭𝐞𝐫

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|| Phillipp ||

Mr. Parker schaute mich kurz fragend an und ich nickte knapp. „Phillip stellt sich nicht selbst vor, weil er stumm ist." Nervös trat ich von einem Bein auf das andere.

Die Bombe war geplatzt. Wuhu.

Die Blicke der anderen bohrten sich förmlich in mich. Und ich? Ich stand da und wollte am liebsten davonrennen. Wenn ich so darüber nachdachte, dann war ich schon mein ganzes Leben lang auf der Flucht. Immer und immer wieder. Verstecken und laufen, immer auf der Hut vor den Monstern, die überall lauerten.

Und als ich dachte, endlich in Sicherheit zu sein, musste ich erneut flüchten. Schon wieder bildeten sie sich eine Meinung über mich. Ich sah es in ihren Gesichtern, wie sie sich fragten, warum ich nicht redete. Schweiß rannte meinen Körper hinunter, so als wolle er die Meere füllen.

Die Luft wurde immer stickiger und ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Mein Unterbewusstsein wusste, dass dies nicht der Fall war, aber mein Kopf suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, mich aus dieser Situation zu befreien. Es musste nur noch einen Auslöser geben. Ein falsches Wort oder eine falsche Bewegung und ich würde mich in ein erstickendes, armseliges Etwas verwandeln.

Ich stand da, wie festgefroren und versuchte ruhig zu bleiben, was gar nicht so einfach war, wenn man im Mittelpunkt stand. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust und wollte aus seinem dunklen Käfig fliehen. Es schrie und trotzdem hörte es niemand. Ich durfte nichts falsch machen und muss mich so unauffällig, wie es als Neuer nur möglich war, verhalten. Meine Gedanken dagegen standen nicht still und versuchten die Pros und Kontras aus dieser Situation zu ziehen.

Mein Kopf argumentierte, ob es vielleicht besser gewesen wäre, wenn ich mich selbst vorgestellt hätte, dann wäre ich jetzt auch nicht so auffällig wie ein Kanarienvogel in der Arktis. Aber ich konnte nicht. Ich wollte nicht erneut immer und immer wieder verletzt werden.

Aber auch wenn ich mich nicht hätte vorstellen müssen, so hätten sie spätestens nächste Woche alle geschnallt das der neue kein Wort spricht.

Und dann wären ihnen meine guten Noten aufgefallen und ich wäre wieder mal nur der komische Freak der nur Einsen schreibt. Stumm und gute Noten. Eine gute Kombination, die einem als das perfekte Opfer dar stehen ließen.

Mein Blick war starr auf die weiße Wand des Klassenzimmers fixiert und ich ignorierte die Schüler, die im Raum saßen und ihre eigenen Geschichten hatten, so gut es ging. Immer und immer wieder sagte ich mir, dass alles okay war und mir nichts passieren würde. Zumindest hoffte ich, dass ich an meinem ersten Tag dieses Glück hatte. Mr. Parker redete weiter. „Das heißt aber nicht, dass ihr ihn anders behandeln sollt. Nehmt ihn bitte gut in unsere Gemeinschaft auf und helft ihm, einen guten Start hier zu haben. Du kannst dich neben Sarah setzten, Phillipp", meinte er und deutete auf ein Mädchen mit Schulterlangen, braunen gelockten Haar in der dritten Reihe. Als ob das jetzt was bringen würde. Natürlich würden sie jetzt besonders 'gut' zu mir sein nachdem er es ihnen gesagt hatte. Es wirkte so absurd, dass ich trotz meiner Panik innerlich lachten musste.

Ich nickte aber trotzdem brav und setzte mich in Bewegung. Die Blicke der Klasse klebten an mir. Mir war bewusst, dass sie nach einem Schwachpunkt suchten durch dem sie mich kontrollieren könnten. Meine Schritte hallten auf dem abgetretenen Linoleumboden so sehr, als wäre ich in einer Kirche und ich wünschte mir nichts Sehnlicheres als die stille beim Beten nach dem Amen herbei.

Immer noch klebten mindestens zwanzig Augenpaare auf mir und am liebsten würde ich im Erdboden versinken. Neben meiner neuen Sitznachbarin angekommen, ließ ich mich vorsichtig neben ihr nieder. Der Stuhl knarzte zu meinem Glück nicht. Unsicher zuckte mein Blick zu ihr, nur um zu bemerken, dass sie mich, wie alle anderen auch, anstarrte als wäre ich ein Löwe im Zirkus.

a silent voice | ᵇᵒʸˣᵇᵒʸ |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt