𝐭𝐡𝐞 𝐬𝐞𝐜𝐨𝐧𝐝 𝐜𝐡𝐚𝐩𝐭𝐞𝐫

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|| Phillipp ||

Ich ging in den Flur, der durch das bunte Glasfenster in der Türe in ein buntes Licht getaucht wurde. Ich zog mir meine Winterjacke an und wartete auf meine Tante, die meine kleine Cousine anzog. „Ich werde dich heute noch zur Schule bringen Phillipp, hast du all deine Sachen?", fragte sie mich mit einem, meiner Meinung nach, zu viel Hauch der Fürsorge in der Stimme.

Ich nickte bestätigend aber eigentlich wollte ich mich am liebsten zurück in mein Zimmer verziehen und mich dort vor der Welt verstecken.

Die Sachen für den Unterricht hatte ich bereits bekommen, so musste ich nicht extra in das Sekretariat gehen. Chloe klatsche sich in die Hände. „Na dann kann es ja losgehen", meinte sie. Ich nickte und schulterte mit zitternden Fingern meinen Schulpack.

Nervosität machte sich in mir breit, doch ich ließ mir nichts anmerken, wollte nicht zeigen, wie schwach ich war und dass ich eigentlich noch nicht bereit für die Welt war.

Gerade wollen wir losgehen, als Victoria plötzlich an meiner Jacke zog. Fragend sah ich die Kleine an. Stolz hielt mir Viktoria ein Perlenarmband entgegen
.

„Habe ich für dich gemacht Philli", sagte sie mit vor Glück funkelnden Augen. „Es soll dir Glück bringen", grinste meine kleine Cousine.

Ich kniete mich zu der Fünfjährigen hin und nahm ihr das Armband vorsichtig ab. Es war ein einfaches Armband mit roten, grünen, rosanen und blauen Perlen zwischen denen ab und zu ein Herz hing.

Diese kleine Geste berührte mein Herz und erwärmte es als würde man nach der Kälte des Winters, sich im inneren eines Hauses, vor dem Kamin mit einer kuschligen Decke und heißem Kakao wärmen.

Es zeigte mir, dass sie mich nicht als den Jungen mit den Narben sah.

Ein kleines Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht.

Vorsichtig zog ich das kleine Mädchen an mich heran und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Mit Bedacht legte ich mir das Armband um und zwinkert ihr zu.

Victoria grinste glücklich und ihre kleine Hand umschloss meine zaghaft. Fröhlich zog sie mich nach draußen. Schlagartig empfing uns die Kälte und schloss uns in ihre Arme, wie eine Mutter ihren verloren Sohn.

Ich mochte die Kälte nicht.

Meine Tante sperrte den Ford F150 auf und meine Cousine setzte sich mit der Hilfe meiner Tante in den Wagen.

Auch ich stieg in den Wagen und ließ mich auf den weichen Sitzen nieder. So wie immer, wenn ich irgendwo hinfuhr, wo auch Viktoria mitfuhr, musste ich bei ihr hinten sitzen.

Ich schaute aus dem Fenster und bekam nur am Rande das Gespräch zwischen Mutter und Tochter mit. Viel mehr war ich damit beschäftigt, die an dem Auto vorbeiziehende Landschaft zu beobachten.

Die Bäume waren mittlerweile fast alle kahl und auch die Umgebung wirkte trist und ausgestorben. Es schien, als würde alles darauf warten, dass sich der blütenweiße Schnee auf die Erde niederließ um ihnen dann im Frühling neues Leben einhauchen zu können.

„Phili, Phili?" fragte auf einmal eine glockenhelle Stimme und ließ mich kurz zusammenzucken. Ich wandte meinen Kopf Viktoria zu, als Zeichen das ich zu hören würde.

Mein Herz schlug fest gegen meine Brust, aber ich gab mein Bestes ihr nicht die aufkommende Panik zu zeigen.

Freudestrahlend, als wäre ich der Weihnachtsmann, der ihr ihren größten Wunsch erfüllt hatte, sah sie mich aus ihren, großen Aden grünen Augen an. „Kommst du heute mit in den Kindergarten?" Ich schüttelte langsam meinen Kopf „Aber warum nicht Phili? Ich muss dir doch meine ganzen Freunde vorstellen", erklärte sie mir traurig.

a silent voice | ᵇᵒʸˣᵇᵒʸ |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt