"Miriam?" Blinzelnd öffnete der Kleine seine Augen und schaute verschlafen zu mir hoch. "Du bist schon wieder zurück?" "Natürlich! Ich hab mich doch extra beeilt, damit du dein Pizza Gyoza noch essen kannst, bevor du schlafen gehst. Nur scheinbar war ich nicht schnell genug!", spielerisch stupste ich ihn an dem Bereich, wo eigentlich sein Nase sein müsste. Von einer Sekunde auf die andere war er wie ausgewechselt: Alle Müdigkeit war aus seinem Gesicht verschwunden und im Nu stand er auf seinen Beinen, nun da ich kniete, auf Augenhöhe mit mir.
Seine Füße schienen jedoch gegen das plötzliche Gewicht, das auf ihnen lag, zu protestieren. Im nächsten Moment verzog der Kleine schmerzvoll sein Gesicht und plumpste mit dem Hintern voran zurück in das selbstgemachte Schlafnest. Tränen schimmerten in seinen Augen, als er nach seinem rechten Knöchel griff. Ich stürzte auf ihn zu, hob den Kleinen beschützend auf meinen Schoß und schloss ihn tröstend in die Arme: "Alles wird gut! Alles wird gut! Sch sch. Ganz ruhig."
Jetzt, da er die Decke abgestreift hatte, konnte ich seine Beine, über den Panzer und die Schulter hinweg, betrachten. Er muss durch die Wohnung gekrabbelt sein, wenn ihm der Knöchel auf einmal so weh tut, er es aber trotzdem ins Bad und dann bis ins Schlafzimmer geschafft hat. Die weißen Verbände auf seinen Knien hatten fast überall eine graue Farbe angenommen, allem Anschein nach hatten sie einiges an Schmutz vom Boden aufgesaugt. Vielleicht sollte ich mal wieder einen Hausputz ausführen! Wär wahrscheinlich keine so schlechte Idee.
"Alles wird gut! Ganz ruhig", ich wippte leicht hin und her und tatsächlich verklang langsam das Schluchzen. "Ich hab dir doch gesagt, dass du fürs Erste auf der Couch bleiben sollst! Was hast du dir denn dabei gedacht?!" Sobald die Worte ausgesprochen waren, wünschte ich mir, ich hätte sie nicht laut gesagt. Große Kulleraugen schauten mich bereuend an und sofort war meine aufsteigende Wut über die verwüstete Wohnung verraucht.
"Komm, lass mich nochmal sehen!" Ich setzte den Kleinen auf eine schlimm zerknitterte Bluse, kniete mich vor ihm hin und betastete seinen Knöchel. Der Schildkröterich begann zu wimmern und drückte die Stoffgiraffe Elias ganz fest, dass die schwarzen Knopfaugen nur so hervortraten. "Hey, nicht so wild! Sonst hat Elias noch bald auch einen verstauchten Knöchel!", stichelte ich belustigt, um den Kleinen abzulenken. Verwirrt schaute dieser mich an und schnell erklärte ich ihm, wen ich mit Elias meinte.
Der Kleine lockerte seinen Griff und inspizierte das Stofftier ganz genau von allen Seiten. "Was heißt das, "Elias"?" "Das ist ein Name. Ich hab ihm den gegeben, als ich 12 war." "Wenn du ihn sehen willst, rufst du also Elias?" "Nun ja, nein! Er ist ein Kuscheltier und ich nenn ihn eben so." "Und warum nennst du ihn so?" Erinnerungen stiegen in mir hoch.
Ich hab mir immer einen Bruder gewünscht, also hab ich mir einen gemacht. Damals hab ich noch Papa mit Bruder verwechselt. Aber ich hatte keines von beiden, wie sollte ich da den Unterschied kennen, außer von der langweiligen Schule oder anderen Kindern, aber die haben mich aus irgendeinem Grund immer gemieden. Ich war schon immer ein Außenseiter... Mama hat immer recht belustigt dreingeschaut, wenn ich behauptet hab, dass mein Vater, alias die Stoffgiraffe, "Bruder" heißen muss.
"Weißt du..." Er würd das mit Emmett nicht verstehen! "Ich hab die Giraffe so benannt, weil mir der Name gut gefällt. Und ich hab mal wo gelesen, dass Elias "Bruder" bedeutet, deshalb..." "Was ist das, ein Bruder?", unterbrach mich die neugierige Stimme des Kleinen. "Nun, wenn Eltern; du weißt ja schon was das bedeutet, oder?" Er nickte eifrig: "Eltern sind für dich da und passen auf, dass dir nichts passiert." Er hat sich das alles ganz genau gemerkt! Wow! "Genau! Wenn Eltern also Kinder haben, einen Jungen und ein Mädchen, dann ist der Junge der Bruder des Mädchens und umgekehrt das Mädchen die Schwester des Jungen. So nennt man die Mitglieder einer Familie."
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Mein Bruder der Schildkrötenmutant
Fanfiction"Was ich erlebt hab, könnt ihr euch wahrscheinlich nicht einmal in euren kühnsten Träumen vorstellen. Und nachdem ihr das hier gelesen habt, werdet ihr mich sicher für verrückt erklären, aber was ich euch berichte, ist wirklich passiert! Ich hab ein...