---ein halbes Jahr ist vergangen, seitdem ich Elias gefunden und bei mir aufgenommen hab---
"Und du bist dir sicher, dass du heute nicht doch bei mir übernachten willst? Wenn es dir um die Taxikosten bis zu mir nach Hause geht, die kann ich übernehmen!" "Nein danke, Sara. Um die Kosten geht es mir gar nicht, wirklich! Ich möcht nicht, dass du von deinen Eltern nur wegen mir Ärger bekommst!" "Aber, das wär doch halb so schlimm! Die regen sich über alles auf. Wenn es nach ihnen gegangen wär, hätt ich schon um 10 Uhr zu Hause sein müssen."
Und das ist die Zeit, in der ich auch Elias gesagt hab, dass ich heim komm. Jetzt ist es eins... Ich hoff, es geht ihm gut! "Man, die werden schon brodeln vor Wut. Aber das sollen sie nur. Ich bin alt genug, ich kann schon selbst entscheiden, wie lang ich fortgeh! Alles in meinem Leben können sie eben nicht kontrollieren!", Saras Redefluss nahm kein Ende. Seitdem das Taxi losgefahren war, versuchte sie mich zu überreden, heute bei ihr zu übernachten. Mich würd es ja eh freuen, aber ich hab Elias schon viel zu lang allein gelassen! Vielleicht hätt ich doch nicht auf diese Party gehen sollen.
Die Tanzparty auf die mich Sara geschleppt hatte, hätte bestimmt einigen europäischen Bällen alle Ehre machen können. Ich hatte Spaß, doch irgendwie hatte das Ganze nicht so richtig zu mir gepasst. Ich lieb es zwar zu tanzen und mich für einen Abend schön herzurichten hatte mir auch gefallen, aber ich hatte mich dort nicht so richtig amüsiert. Außer Sara hatte ich keinen gut gekannt. Meine blonde Freundin hingegen schon. Als würde sie mit halb New York befreundet sein und die andere Hälfte konnte sie durch ihren Charme jederzeit für sich gewinnen.
Sie wusste sogar von denen unserer Mitstudenten, die auch auf der Party gewesen waren, mehr als ich, obwohl ich mit ihnen doppelt so viel Zeit verbracht hab. Aber trotz dieser Tatsache kannten mich diese auch nicht, erst als ich sie an unseren gemeinsamen Mikroskopie Kurs erinnerte, blitzte in ihren Augen Erkenntnis auf. Begeistert schienen sie darüber jedoch nicht zu sein. Wär Sara nicht bei mir gewesen, hätt ich wahrscheinlich stumm in einer Ecke gesessen und den Abend ganz und gar nicht genossen.
In letzter Zeit hatte ich aber auch nicht gerade dazu beigetragen, mich bei meinen Mitstudenten beliebt zu machen: Ich investierte immer mehr Zeit in mein Studium, lernte was das Zeug hielt und saugte selbst in Professor Henries Unterricht jede Krankheit und Behandlungsmethode wortwörtlich in mich hinein. Vor allem auf dem Gebiet der Amphibien und Reptilien hatte ich mich mittlerweile zu einem Experten entwickelt. Einfacher ausgedrückt: Ich hatte mein Bild als Streber nur bestätigt und mein Beliebtheitsgrad an der Uni stieg dadurch nicht gerade.
Mit Sara verstand ich mich dafür so gut, wie noch nie mit jemandem zuvor. Oft trafen wir uns in Kaffees um zu quatschen, oder lernten gemeinsam in Parks für Prüfungen. So hatte ich leider die letzten Monate nicht sehr viel Zeit mit Elias verbracht.
Ich hatte bereits jedes erdenkliche Muffinrezept ausprobiert und mir gingen langsam die Ideen aus, wie ich das Verlangen des Kleinen nach draußen zu gehen stillen könnte. Unbewusst hatte Sara mir etwas geholfen, in dem sie mir ein Video auf YouTube gezeigt hatte, dass ich an Elias weiterleitete. So war er letzte Woche durch eine gewisse Katze mit Regenbogen abgelenkt gewesen, aber ich ertappte ihn immer häufiger. Still saß er am Fenster und blickte dabei sehnsüchtig die Feuerwehrleiter hinauf.
Er hatte zwar natürlich immer noch Angst vor diesen Kraang, aber er war auch zu neugierig. Als würd er New York gar nicht kennen. Ich fühl mich richtig schlecht, wenn ich denk, dass er in einer Zelle auch eingesperrt war. Irgendwann muss ich mit ihm rausgehen! ich muss sehen, wie es ihm geht! Hoffentlich konnte er ohne mich einschlafen. Was bin ich nur für eine schlechte Schwester!
Schließlich schaffte ich es Sara abzuschütteln und mit dem wahrscheinlich zehnten Abschiedsgruß heute stieg sie dann wieder ins Taxi. Der Motor brüllte auf, als der Fahrer aufs Gaspedal stieg. Allem Anschein nach war er ziemlich erpicht darauf, so viel Abstand wie nur möglich zwischen uns tratschenden Mädels zu bringen, bevor ich es mir doch noch anders überlegen könnt.
Behutsam sperrte ich die Haustür auf und betrat meine stockdunkle Wohnung. Elias schläft wahrscheinlich doch schon. Mucksmäuschenstill zog ich den Mantel aus und schlich auf Zehenspitzen ins Bad. Aus Erfahrung lehnte ich die Badezimmertür nur an, da die Klinke sonst lauthals quietschen würde. Was man auf den sich bildenden Rost schieben könnte, der mit ziemlicher Sicherheit von den immer wieder stattfindenden Wasserschlachten stammte.
Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und seufzte erleichtert, als meine gesamten Fußsohlen nach Stunden wieder als Ganzes den Boden berührten. Ich war für Absätze einfach nicht geschaffen! Da lobte ich mir meine bequemen Turnschuhe. Ich zog mir die Nylonstrumpfhose aus und warf sie sofort in den Müll, als ich ein riesiges Loch bemerkte.
Einmal wollte ich mich noch im Spiegel betrachten, bevor ich mich meiner restlichen Bekleidung entledigte: Ich trug ein bodenlangen, hellrosa Kleid ohne Trägern. Dafür, dass ich es in einem Second-Hand-Laden gekauft hatte, sah es sehr neuwertig aus und passte mir wie angegossen. Die Farbe hatte mir Sara eingeredet, gemeinsam mit den weißen Handschuhen, die mir bis zum Oberarm hinaufreichten.
Gerade wollte ich nach dem Reißverschluss auf meinem Rücken fischen, als die Badezimmertür knarzend aufgestoßen wurde und mich plötzlich jemand von hinten auf Höhe meiner Oberschenkel kräftig drückte.
Mein Herz setzte vor Schreck eine Sekunde aus, doch schnell beruhigte ich mich wieder und ließ mich wohlwissend auf den Fließenboden nieder. Im nächsten Moment lag Elias auf meinem Schoß und drückte mich fest an sich. Er ist ganz schön stark geworden! Und war er nicht schon einmal leichter gewesen? Liebevoll legte ich meine Hände um den Panzer des kleinen Schildkröterichs: "Elias, hast du mich erschreckt! Kurz hab ich gedacht, dass..."
"Wo bist du gewesen?" Schuldbewusst gab ich keine Antwort, was ihn dazu bewegte, seinen Kopf zu heben und mich mit seinen gelben Augen von unten anzusehen. Tränen schimmerten im Licht der Badezimmerlampe. "Du warst länger weg, als du mir auf der Uhr gezeigt hast!" Der Kleine begann zu schluchzen. Ich verstärkte behutsam meine Umarmung und streichelte ihm beruhigend über den grünen Kopf. "Es tut mir so leid, Elias! Es tut mir so leid!", ich begann leicht hin- und herzuwippen. "Sch sch, jetzt bin ich ja wieder da!"
Was hab ich nur angerichtet? Ich hab ihm doch versprochen, um zehn wieder zu Hause zu sein! Was bin ich nur für eine schlechte Schwester! Er wollte doch unbedingt noch mit mir Karten spielen! "Sch sch. Weißt du was? Ich verprech dir jetzt eine Sache: Ich werd dich nie wieder so lang allein lassen! Hörst du?", sanft hob ich das Kinn des Kleinen von meinem Bauch in die Höhe, sodass ich ihm noch einmal in die Augen sehen konnte. "Nie wieder! Das versprech ich dir!"
Wir saßen sicher zehn Minuten so da, bevor ich mich aus dem Griff des Kleinen befreite. "Komm, ich zieh mich schnell um und dann gehen wir ins Bett, okay?" "Ich kann aber nicht schlafen!" "Bist du dir sicher? Ich bleib auch so lang wach, bis du eingeschlafen bist!" Obwohl das Bett, das ich für den Kleinen errichtet hatte, immer noch stand, war es im letzten halben Jahr unberührt geblieben. Elias konnte nur an mich gekuschelt, in aller Seelenruhe einschlafen.
"Ich kann aber trotzdem nicht schlafen!" Er war in letzter Zeit am Abend immer so aufgekratzt. Er braucht Bewegung! Innerlich gab ich mir einen Ruck. Es wird schon nichts passieren! "Wenn das so ist. Dann müssen wir eben was anderes machen. Wollen wir eine Runde spazieren gehen?" Elias nickte begeistert und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
Über 200 Leser!! Der Wahnsinn! Danke Wildfly für den Einfall mit dieser bestimmten Katze... Wenn ich heute Nacht einen Ohrwurm von dem Ding hab, dann... Egal. Mit höchster Wahrscheinlichkeit kommt morgen Kapitel 10 also haltet euch bereit ;-)
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Mein Bruder der Schildkrötenmutant
Fanfiction"Was ich erlebt hab, könnt ihr euch wahrscheinlich nicht einmal in euren kühnsten Träumen vorstellen. Und nachdem ihr das hier gelesen habt, werdet ihr mich sicher für verrückt erklären, aber was ich euch berichte, ist wirklich passiert! Ich hab ein...