Da weint doch ein Kind! Als würden mich unsichtbare Mächte lenken, ging ich in die Gasse und ließ die Straße, über die gerade ein Auto bretterte, hinter mir. Es dauerte etwas bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und Umrisse sichtbar wurden. Schließlich konnte ich so viel erkennen, dass es sich um eine Sackgasse handelte, die bis auf einen Müllcontainer leer zu sein schien.
Keine Ratte sprang aus dem Kanaldeckel hervor, wie man es öfters in Filmen sieht. An den angrenzenden Hausmauern führten Feuerleitern auf die Dächer New Yorks, wie bei fast jedem anderen Gebäude in dieser Stadt. Nichts war zu hören, bis auf das Prasseln des Regens und das dumpfe Grollen von Gewitterwolken.
"Hallo?", flüsterte ich leise und schlich auf den Müllcontainer zu, der auch das einzige Versteck in der Gasse bot. Da erklang es wieder, fast zu leise um es zu hören: ein Schluchzen. Vorsichtig lugte ich um den Container und erblickte eine zusammengerollte Gestalt, den Kopf hatte sie auf die Knie gestützt, es schien mich noch nicht bemerkt zu haben.
"Hey, sch sch, alles okay. Alles okay!" Langsam ging ich in die Hocke und streckte eine Hand aus, um diesem traurigem Geschöpf über den Kopf zu streicheln. Bei der Berührung fuhr es erschrocken hoch, wich zurück und presste den bebenden Körper noch fester gegen die kalte Betonwand des Hauses. Zwei Augen funkelten mir entgegen, vor Angst weit aufgerissen.
Hat das Ding etwa keine Haare? Schnell schob ich den Gedanken beiseite, es kam schon mal vor, dass auch Kinder die Haare komplett geschoren bekamen. Das war doch nichts Merkwürdiges. Behutsam krabbelte ich näher, während ich beruhigend auf das nasse Ding einredete: "Alles okay! Ich tu dir nichts. Du brauchst keine Angst zu haben!" "Verschwindet!" Verwirrt hielt ich inne. "Verschwindet! Lasst mich! Ich will nicht wieder zurück!" Das Schluchzen wurde lauter und der schmächtige Körper bebte. "Ich will dir doch nichts tun! Ich will dir nur helfen!", versuchte ich den Jungen, denn nun hatte ich an der Stimme erkannt, dass er einer war, zu beschwichtigen.
Erneut streckte ich meine Hand aus, bis ich sein Gesicht berührte. Verwunderung lag in den geweiteten Augen, als ich anfing mit meinem Daumen seine Wange zu streicheln. Komisch, irgendwie fühlt sich seine Haut rau an. Erneut entrang ein Schluchzen seiner Kehle und vorsichtig strich ich ihm die Tränen weg, die sein Gesicht hinunterkullerten. "Hey, sch sch. Keine Angst!" "Du...", der Kleine schluckte und bemühte sich tapfer zu klingen, als er erneut ansetzte: "Du...Du willst mich nicht zurückbringen?" "Wohin sollte ich dich denn zurückbringen?" "Zu den Kraang!" Den was? "Nein, nein keine Angst, ich bring dich nicht zu diesen Kraang zurück." Erleichterung spiegelte sich in den Augen des Kleinen und es schien, als ob seine Mundwinkel etwas in die Höhe zuckten, aber so genau konnte ich das bei der Dunkelheit nicht sehen.
"Warum weinst du eigentlich? Wo sind deine Eltern?" "Was ist das, Eltern?" Für einen Moment stoppte mein hin- und hergleitender Daumen. "Eltern ist ein anderes Wort für Vater und Mutter. Sie sind für dich da und passen auf, dass dir nichts passiert, weil du ihr Kind bist." "So etwas hab ich noch nie gesehen. Gibt´s die auch in Dimension X?" Was ist bitte Dimension X...Vielleicht hat er ja keine Eltern und ist bei jemand anderem aufgewachsen. "Wer sorgt denn für dich? Hast du Verwandte: Onkel, Tante, Geschwister?" Verwirrt schüttelte der Kleine den Kopf, als hätte er kein Wort von dem verstanden, was ich ihn da fragte. "Wo wohnst du dann? Wo schläfst du?" "Labor M, dritter Stock, Zelle 5." "Labor? Was meinst du damit?"
Plötzlich erfüllte das Licht eines Blitzes die Gasse und für ein paar Sekunden konnte ich einen genauen Blick auf den Jungen vor mir erhaschen. Besser gesagt, es schien doch kein Junge zu sein. Erschrocken zog ich meine Hand ein und ließ die nun in der Dunkelheit wieder schwer erkennbaren Umrisse des Wesens vor mir nicht aus den Augen, während mein Gehirn verzweifelt versuchte, sich einen Reim aus dem Gesehenem zu machen. So etwas gibt es doch nicht! Das kann nicht sein! Vor mir auf dem nassen Asphalt saß ein etwas mit grüner Haut, muskulösen Armen und Beinen, die Füße waren unnatürlich groß, es schien als hätte er keine Nase und auch Ohren fehlten. Sein Bauch und die Brust waren hellbraun und es sah so aus als, als bestünden sie aus Platten.
Ein Bild aus Professor Henries Unterricht schoss mir ins Gedächtnis: wir hatten heute die Viruserkrankungen der Testudo hermanni durchgenommen.
Vor mir saß eine menschliche Schildkröte von der Größe eines 5-Jährigen.Tut mir leid, hat etwas lang gedauert, aber Kapitel 2 ist da!!! ;-)
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Mein Bruder der Schildkrötenmutant
Fanfiction"Was ich erlebt hab, könnt ihr euch wahrscheinlich nicht einmal in euren kühnsten Träumen vorstellen. Und nachdem ihr das hier gelesen habt, werdet ihr mich sicher für verrückt erklären, aber was ich euch berichte, ist wirklich passiert! Ich hab ein...