"Elias? Ich bin wieder zu Hause!" Ich legte meinen Rucksack und die Tasche mit den ganzen Sachen vom Studium ab und hängte meine Jacke auf. Der heutige Tag war der anstrengendste gewesen, den ich je erlebt hab. Drei Stunden Schlaf, und dann hatte mein Wecker geklingelt...
Elias war, als wir heimgekommen waren, gleich weggenickt, aber ich hatte nicht so schnell einschlafen können. Zu viele Dinge spuckten mir noch im Kopf herum. Das Schild von "Ziga´s autobody" hatte sich tief in mein Gedächtnis gebrannt.
Elias hat sich so gefürchtet. Ich hab selbst Angst bekommen. Als hätte er seine gesamte Furcht auf mich übertragen. An Schlafen war einfach nicht zu denken, mein Herz hatte noch immer geklopft, so sehr, dass ich dann fast dachte, es könnte jederzeit den Geist aufgeben.
Und als dann schließlich doch die Müdigkeit gesiegt hatte, wünschte ich mir, ich wär doch wachgeblieben. Am besten wäre es gewesen die verbliebene Zeit durchzumachen, aber so jagte in dieser Nacht ein Alptraum den nächsten:
Erbarmungslos zerrten Männer Elias durch endlose Gänge, schnallten ihn auf einen Sektionstisch und führten Experimente mit ihm durch. Der Kleine schrie, bettelte um Hilfe, aber ich konnte nur dastehen und nichts tun. Gelähmt, nicht in der Lage auch nur den kleinen Zeh für meinen kleinen Bruder zu erheben. Selbst dann nicht, als sie anfingen, das Skalpell anzusetzen.
Ich als Medizinstudentin wusste auch noch jeden lateinischen Begriff und automatisch ratterten in mir Anleitungen rauf und runter, wo als nächstes welcher Schnitt angesetzt werden musste. Selbst meine Gedanken konnte ich nicht kontrollieren.
Dann wechselte einmal, wie sooft das Bild und ich stand in einem Raum, knöcheltief in dunklem Blut. Ein leerer Schildkrötenpanzer hing vor mir auf einem eisernen Fleischereihaken. Und ich war wie zur Salzsäule erstarrt.
Ich konnte mich nicht bewegen, nicht einmal zu weinen war ich imstande. Mitten auf dem See aus Blut trieb die Stoffgiraffe Elias, so vollgesoffen, dass das Kunstfell nicht mehr braun sondern rot war. Eine Welle aus wüsten Beschimpfungen und Anschuldigungen hing im Raum und toste über mich hinweg: "Schuldig! Du bist schuld! Du allein!"
Schreiend war ich aufgewacht, als mich der Wecker aus meinen Träumen befreit hatte. Schweißnass hatte ich kerzengerade in meinem Bett gesessen, schwer keuchend, Elias neben mir, unversehrt, nur die Stirn im Schlaf gerunzelt und die Giraffen fest kuschelnd. Mein bebender Körper hatte sich nur langsam beruhigt.
In der Uni konnte ich mich dann null konzentrieren, und das obwohl die heutige Stunde von Leguanen und allen möglichen Echsenarten gehandelt hatte, und die nach Schildkröten meine Lieblingstiere waren. Auch Sara war meine Unruhe nicht entgangen, doch ich konnte ihr nicht erzählen, was mich so sehr beschäftigte. Also saß ich mit hämmerndem Kopf da und starrte ins Nichts während die Stunden verstrichen.
Zum ersten und vermutlich auch zum letzten Mal war ich unter den allerersten Studenten, die die Universität verließen. Selbst Paul hatte es verwundert, dass ich so überpünktlich bei ihm eingetroffen war. Zwei Stunden vor Schichtende entließ mich der 35-Jährige jedoch schon, da er meinte, ich würd ihm mit meinem ganzen betrübt in die Luft starren und Getränkte an den Tischen verwechseln noch die gesamte Kundschaft vertreiben. Sein besorgter Unterton war mir dabei natürlich nicht verborgen geblieben. Aber ich hatte ihn ignoriert.
Die letzten Straßen zu meiner Wohnung hatte ich sogar laufend hinter mich gebracht. Murakami fragte sich sicher, warum ich heute nicht bei ihm vorbeigekommen war, aber ich hatte in der Mittagspause überhaupt keinen Hunger gehabt.
Sara befürchtete, ich sei krank, und wollte meine Stirn befühlen. Dabei hatte ich doch gar nichts, es war Elias, um den sich alle Sorgen machen sollten. Beinahe hätte ich gegenüber meiner Freundin den Schildkrötenmutanten erwähnt, konnte aber gerade noch das Thema wechseln.
So zerstreut war ich noch nie! Sogar einen Obdachlosen hatte ich vor lauter Eile niedergerannt. Ich war so durcheinander, blind vor Angst, dass dem Schildkrötenjungen erneut was passiert sein könnte.
"Ich bin wieder da!... Elias?", ich lauschte, erhielt aber keine Antwort. Allein der Fernseher aus dem Wohnzimmer war zu hören. Wahrscheinlich ist er in seine Serie vertieft, die er sich immer ansieht. Wie hieß sie noch gleich? Space Heroes? Ich zwang mich, einmal tief durchzuatmen, und zuerst ins Bad zu gehen, um mir die Hände zu waschen und die spärliche Schminke vom Kellnern wegzuschrubben. Komisch, er hat noch gar nichts gesagt. Ach was, er versteckt sich bestimmt wieder hinter dem Duschvorhang, und wenn ich ins Wohnzimmer geh, springt er heraus und erschreckt mich.
Als wär ich vollkommen ahnungslos, trocknete ich mir die Hände ab, rieb sie sogar noch mit einer Feuchtigkeitscreme ein und machte mich dann auf den Weg zur Tür. Doch es passierte nichts!
Verwirrt blieb ich im Türstock stehen. Wenn das so ist und du den Augenblick verpasst, dann erschreck ich eben dich! Leise machte ich kehrt und pirschte mich auf Zehenspitzen an die Dusche heran. Mit einem lauten "Hab dich!" zog ich den Vorhang zur Seite, aber da war niemand.
Ich eilte ins Wohnzimmer, doch auch dort fehlte von Elias jede Spur. Der Fernseher lief zwar und zeigte diese meiner Meinung nach verdammt schlechte Superheldenserie, die Decke lag verknuddelt auf dem Sofa, aber den Schildkröterich konnte ich nicht entdecken.
Dafür stand das Fenster offen und der kühle Nachtwind wehte ins Innere, wodurch die Vorhänge sanft in Bewegung versetzt wurden. "Nein! Das darf nicht... Elias!", erneut schrie ich nach meinem kleinen Bruder und stürmte, mich an den letzten Hoffnungsschimmer klammernd, ins Schlafzimmer. Tief in mir wusste ich jedoch bereits, dass ich auch dort kein Glück haben würde.
Die Asterix-Comics lagen wie immer auf dem Boden verstreut. Panik durchströmte mich, nachdem ich die Decken von den Betten gerissen und abermals nichts gefunden hatte. Nein, nein, bitte nicht! Ich rannte zurück ins Wohnzimmer und stieß die Fensterläden vollends zur Seite. Meine Haare richteten sich in der Kälte auf und trotz Pulli bekam ich eine Gänsehaut.
Ohne länger nachzudenken stieg ich über den Sims hinaus auf die Feuerleiter. Nach oben oder unten? Meine erste Wahl fiel auf "nach unten", mein Instinkt hielt mich jedoch zurück und riet mir schreiend auf dem Dach nachzusehen. Ich hastete die metallene Leiter hinauf, nahm ihm Lauf gleich zwei Stufen auf einmal und sprang auf das flache Dach.
Auf der Stelle fiel mein Blick auf ein Bündel, das etwas abseits in der Nähe einer Fernsehantenne lag. Elias! Ich sprintete darauf zu und hob es wie in Trance auf.
Die kleine, braune Stoffgiraffe machte den Eindruck, als wär sie jemandem aus der Hand gefallen. Elias würd sein Kuscheltier niemals verlieren! Nie! Mein Herz pochte so laut, dass ich glaubte, unter mir im ganzen Haus könnte man es hören. Panisch drehte ich mich um die eigene Achse und suchte die Dächer New Yorks ab. "Elias!", ich brüllte in die Nacht hinaus, ganz egal, ob mich jemand hören konnte oder nicht. "Elias! Wo bist du?"
Trauer drohte mich zu überwältigen, doch von einer Sekunde auf die nächste wurde sie schlagartig von einem anderen Gefühl verdrängt. Einem Gefühl, dem ich bis jetzt noch nie erlaubt hatte, mich zu kontrollieren.
Blind vor Zorn hechtete ich die Leiter hinunter, warf die Stoffgiraffe durch das offene Fenster aufs Sofa und jagte weiter hinab. Die letzten zwei Meter bis zum Boden sprang ich, spürte jedoch beim Aufprall keinen Schmerz. Die Wut pumpte mich voll mit Adrenalin und ließ mich nur noch an eine Sache denken. Elias, ich komme! Wenn ihr meinen Bruder genommen habt, ihr verdammten Kraang, dann werdet ihr diesen Tag noch bereuen!
Es ist unglaublich, Ferien sind vorbei und ich komme erst am Wochenende vor lauter Schulstress wieder zum Schreiben. Ich versprech euch, dass ich mich so gut es geht mit dem nächsten Kapitel beeile!
Wenn euch in der Zwischenzeit jedoch fad werden sollte, rate ich euch "Run away" von Wildfly zu lesen. Das ist echt eine geniale TurtleFF, die ich auch voller Spannung verfolge! Vielen Dank für euch, eure Votes und eure Kommentare! LG
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Mein Bruder der Schildkrötenmutant
Fanfiction"Was ich erlebt hab, könnt ihr euch wahrscheinlich nicht einmal in euren kühnsten Träumen vorstellen. Und nachdem ihr das hier gelesen habt, werdet ihr mich sicher für verrückt erklären, aber was ich euch berichte, ist wirklich passiert! Ich hab ein...