„Jack, legen Sie Ihr Handy bitte weg?“, bittet mich das Ex-Supermodel. Ich schüttle nur den Kopf und konzentriere mich stattdessen weiter auf das aktuelle Candy Crush-Level. Schließlich hab ich im Moment einen richtigen Lauf. Wenn ich so darüber nachdenke, dann spiele ich das Spiel eigentlich nur, wenn ich high bin. Es ist lustig mit den Süßigkeiten und einmal war ich so stoned, dass ich mein Handy abgeleckt habe – wollte wissen ob die Süßigkeiten echt sind.
„Jack?“
Scheiße, jetzt hab ich was falsch gemacht und keinen Booster bekommen.
„Was machen Sie da überhaupt?“
„Candy Crush“, murmle ich abgelenkt und versuche meinen vorigen Fehler auszubügeln. Wer hatte überhaupt die Idee mit diesen Süßigkeiten? Das System ist ja eigentlich ähnlich wie bei Jewels. Ok, nur noch fünf Züge, das schaff ich unmöglich. Also geb' ich einfach auf, lass' das Handy in der Hosentasche verschwinden und fange erneut an mit der Zimmerpalme zu flirten. Gut, wenn ich ehrlich bin, dann muss ich zugeben, dass ich im Moment wirklich dicht bin und mir die ganze Zeit vorstelle wie sich die Pflanze in eine heiße Elfe verwandelt.
„Jack, Sie wirken abwesend.“
Ich bin stoned, Babe.
„Stimmt schon.“
Und ich bekomme Hunger, richtigen Hunger. Vielleicht stürme ich hiernach maskiert das nächste KFC und decke mich mit Chickenwings ein? Wie es sich wohl anfühlt in Chickenwings zu baden? Bestimmt wird man dann selbst zu einem Chickenwing. Ich will ein Chickenwing sein, für den Rest meines Lebens. Die müssen nicht denken und sind so glücklich. Und sie riechen gut und wenn mich jemand isst, schmecke ich fabelhaft. Ok, ich würde so oder so fabelhaft schmecken. Ich bin schließlich fabelhaft, immer.
„Jack, woran denken Sie im Moment?“
„Daran ein Chickenwing zu sein.“
Ok, nächstes Mal nicht ehrlich antworten. Die wird mir eine Info-Broschüre in die Hand drücken und sagen, dass es mir helfen würde. Wie einer meiner vorigen Therapeuten; der war felsenfest davon überzeugt mir einen Entzug aufdrängen zu müssen. Wofür denn? Damit ich meine Unsterblichkeit damit verbringe clean zu sein und allen davon erzähle wie aus dem dauerdichten Jack ein Typ in selbstgestricktem Pullover und Brille wurde, der bei den AA's – Anonyme Alkoholiker – Seminare leitet? Lieber vergammel ich im Knast als dass ich mir das antue. Meine Mimik muss einen genervten Ausdruck vermittelt haben, denn die Psychologin runzelt die Stirn, schreibt etwas auf und mustert mich weiterhin. „Jack, haben Sie etwas zu sich genommen?“, fragt sie vorsichtig. Jetzt fällt mir ein was ich vergessen habe; die beschissene Sonnenbrille. Klar, meine Augen sind bestimmt rot unterlaufen und mit so einem gestört glasigem Blick ist es extrem offensichtlich dass ich high bin.
„Gras.“
Vielleicht ruf ich nachher Vanessa an? Mit der sollte ich auch mal wieder vögeln. Oder ich rufe Jenny an. Scheiße, ich fang schon an meine Weiber zu vernachlässigen, was würden die denn ohne mich machen? Ich meine, ohne mich hätten die doch gar keinen Sex mehr, zumindest keinen guten.
„Jack, denken Sie, dass diese Sitzung in ihrem Zustand einen Sinn hat?“
„Wollen Sie etwa abbrechen?“
Ich muss gestehen, dass mich das jetzt überrascht.
„Nein, Ihr Verhalten zeigt, dass Sie das Hier nicht ernst nehmen, erneut.“
Sie ist sauer, das Ex-Supermodel ist sauer auf mich. Natürlich, sie ist ein Profi – sowas geben die nicht zu. Aber sie hat den selben gereizten Blick aufgesetzt wie alle anderen vor ihr. So einen Blick hatte Kerry wenn ich mich kindisch verhalten habe – also immer. Ich will wieder Candy Crush spielen oder in einen Süßigkeitenladen einbrechen. Ob man Candy Crush auch mit echten Süßigkeiten spielen kann? 'Candy Crush – das Brettspiel'. Das ist eine Marktlücke, blöd, dass ich das in ein paar Minuten wieder alles vergessen habe. Ich könnte es aufschreiben, aber die Ärztin wirkt genervt, so richtig genervt. Als hätte sie es schwer mich nicht zu verprügeln. Ob ich ihr schlimmster Patient bin? Nein, die behandelt ja auch die echten Psychos. Solche Kerle die ihre Frauen verprügeln und in Stücke reißen. Aber bestimmt sind die netter als ich und weniger stoned. Arschlöcher. Wenn die sympathischer sind als ich, dann läuft in der Welt doch was falsch. Ich schnalze mit der Zunge und werfe einen Blick aus dem Fenster, heute sind nämlich die hässlichen Vorhänge beiseite gezogen.
„Es regnet.“
„Jack, wieso haben Sie Angst davor sich zu öffnen?“
„Ich will nicht in den Arsch gefickt werden.“
Ok, ich weiß auch nicht wieso das das Erste ist, was mir dazu einfällt. Was will die denn auch von mir? Soll ich anfangen zu heulen? Dramatische Geschichten erzählen? Die Welt retten?
„Mir macht das genauso wenig Spaß wie Ihnen“, erkläre ich trocken. Langsam will ich sie nicht mehr flachlegen. In Moment kann ich sie noch nicht mal ausstehen. Ich würde viel lieber schlafen, das hab ich letzte Nacht nämlich nicht getan.
„Wer sagt, dass mir unsere Unterhaltungen keinen Spaß bereiten?“
„Ihr Blick.“
Ich verschränke die Arme vor der Brust, jetzt wird das Hier endlich mal wieder interessant. Na komm schon Ex-Supermodel, raste aus, werde gefälligst unprofessionell und ich kann hier endlich weg. Na los doch, spielen wir.
„Ich muss ehrlich zu geben, dass es mir schwer fällt Ihnen zu helfen, wenn Sie diese Hilfe offenbar so sehr ablehnen.“
Was? Mehr hast du nicht drauf?
„Ich bin nicht freiwillig hier, Babe. Das haben wir doch schon geklärt.“
Ich sage es so provokant wie möglich – ihr aber egal.
„Und Sie werden hier auch nicht wegkommen so lange ich es nicht sage.“
Miststück, spielt die eiskalt ihre Macht aus.
„Sie wollen also dass ich mich öffne? Letzte Nacht hab ich fünf Stunden damit verbracht mir die Pulsadern aufzuschlitzen und trotzdem sitze ich hier und lebe.“
Sie nickt, schreibt es auf und schon ist da wieder dieser Psychologen-Blick. Als hätte das vorhin nicht existiert und ich muss zugeben, dass sie das noch heißer macht als sie ohnehin schon ist.
„Fünf Stunden?“
„Mein Badezimmer sah aus als wäre ein Drucker in die Luft gegangen.“
Sie lehnt sich zurück und wenn ich mich nicht täusche ändert sich ihr Blick. Plötzlich wirkt sie mitleidig. Nochmal; Miststück. Deswegen rede ich nicht darüber, wegen diesem verdammten Blick. Na und? Jeder hat Probleme und es ist mein gutes Recht sterben zu wollen. Ich darf sterben. Nein, darf ich nicht – kann ich nicht.
„Sie spüren Schmerzen wie alle anderen Menschen auch, richtig?“
„Ja.“
Es hat gezogen, gebrannt und ich kann es immer noch spüren wie das warme Blut über meine Unterarme auf die kalten Fliesen tropft, dort ein Rinnsal bildet und in den Fugen fließt, wie ein kleiner Bach.
„Hatten Sie ein Tief?“
Nein, natürlich nicht. Mir macht das alles Spaß. Ich liebe es abgöttisch mir mit einem dämlichen Küchenmesser den kompletten Unterarm längs aufzuritzen. Was ist das für eine bescheuerte Frage? Kann die nicht einfach die Fresse halten, ihren beschissenen Hunde-Blick einstellen und mich was von dem Frage-Zettel fragen?
„Sind Sie deswegen zugedröhnt? Um dieses Erlebnis zu verdrängen?“
Fick dich. Ich hasse dich. Geh weg.
„Jack?“
Nein, ich antworte dir nicht mehr. Ich ruf gleich Vanessa an, die hat immerhin keinen Freund, der mich verprügeln kann, und stellt auch nicht solche behinderten Fragen.
„Jack, fühlen Sie sich..“
„Wie wie viel Uhr ist es?“
Hart, so kalt klang ich schon lange nicht mehr. Mit dem Tonfall könnte ich den Bösewicht in einem Action-Film spielen.
„Möchten Sie die Sitzung beenden?“
Verdammt nochmal; ja!
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Jack Carter Ist Unsterblich
General FictionDu willst lieber die lektorierte Fassung lesen? Dann bestell sie dir jetzt bei Piper oder dem Buchladen deines Vertrauens! „Ich schnief mein Glück." Wer sich vom Hochhaus stürzt, stirbt. Jack nicht. Stattdessen muss er zur Therapie und Dr. Elisabet...