„Hallo, Jack." Elisabeth wirkt wieder gewohnt professionell und freundlich. Tja, ich nicht. „Komm, du redest zur Abwechselung mal nicht, Babe", schlage ich ihr im genervtem Tonfall vor. Ich hätte zusätzlich zur Sonnenbrille auch Ohrstöpsel anziehen sollen. Vielleicht hätte mir das die Unterhaltung hier erspart.
„Daraus schließe ich jetzt mal, dass es Ihnen nicht sonderlich gut geht."
Nein, wie kommst du denn darauf?
„Mir wird es besser gehen, wenn ich auf deinen Schreibtisch gekotzt habe, Lizzy."
Da liege ich auch gar nicht so falsch bei. Sich die Seele hochzuwürgen war schließlich noch nie eine dumme Idee und hilft bekanntlich gegen alles. Ob man sich wirklich Organe auskotzen kann? So ein Lungenflügel passt ja kaum durch die Speiseröhre und ich glaube, dass ist biologisch überhaupt nicht machbar. Genauso wie Tampons im Darm – es sei den man hat die gegessen und das ist echt nicht empfehlenswert. Schmeckt fast so scheiße wie Marshmallows im Kaffee, allerdings klingt das immerhin noch lecker. Und die Vorstellung von diesen weißen Dingern mit Kaffee-Geschmack ist toll – die Realität sagt aber; nein.
So wie zu fast allem, was man sich toll vorstellt.
„Was war diese Woche denn so los?"
Das Ex-Supermodel zückt mal wieder den Kugelschreiber und hält sich bereit.
Komm schon, Carter – kotz dich aus. Wortwörtlich natürlich.
„Das Übliche; viel zu wenig Wodka, viel zu viele Menschen und ..." Ich beende den Satz nicht, atme einmal tief durch und bin froh, dass ich die Sonnenbrille auf habe – sonst würde Bloomfield ja merken dass das arrogante Lächeln nicht zu den leeren Augen passt.
Wenn man vom Dach springt gibt es diesen kurzen Augenblick bevor man auf dem Boden aufprallt. Diese Millisekunde in der einem das Adrenalin durch die Venen schießt, man wirklich realisiert was gerade passiert und dann gibt es dieses eine Geräusch, dass einem sagt, dass man nicht gegen die Schwerkraft gewonnen hat. Ich liebe diesen kurzen Augenblick. Er gibt einem Genugtuung und Recht, aber vielleicht trifft das nur für Unsterbliche zu – die die Sicherheit haben, dass sie überleben.
Wenn man sich dieses Gefühl jetzt im hundertfachen vorstellen würde, dann würde das Geräusch ein lautes Schreien sein. Es wäre nicht das eigene Schreien, sondern das Schreien der Realität. Ein hohes Kopfschmerzen-auslösendes Schreien – also ein Kreischen, das einem sämtliche Knochen splittern lässt. Man würde sich gegen dieses Geräusch wehren wollen, man würde den Überschuss an Adrenalin nicht aufregend finden sondern würde nur wollen, dass es aufhört. Es wäre nichts was man liebt, sondern etwas wovor man wegläuft.
Das war das was ich gefühlt habe, als Kerry im Hochzeitskleid vor mir stand.
„Und?", hackt meine Psychiaterin nach und zieht die Augenbrauen fragend hoch. „Ich weiß nicht, Lizzy", lüge ich zur Antwort.
„Jack, nehmen Sie bitte die Sonnenbrille ab und reden vernünftig mit mir?"
Weiterhin das arrogante gelogene Lächeln aufrecht erhalten, sich zurück lehnen und sie trotz Ray-Ban direkt ansehen.
„Nein."
Gelassen hatte ich an ihre Wohnungstür geklopft – also die Wohnung, die sie sich nicht mit Ben teilte, sondern ihre alte Wohnung, die sie schon seit Ewigkeiten hatte und von der sie sich nicht trennen wollte. Was entweder an der günstigen Lage, den vielen Erinnerungen oder eventuell auch ihren vollkommen eigenen Möbeln lag. Sie war da irgendwie wie Sarah Jessica Parker in Sex and the City.
'Hey, Superheld', lächelte sie mir freudig entgegen. Den Namen hatte sie sich schon ausgedacht als sie damals bei der Times Praktikum gemacht hatte und diesen dämlichen Journalisten zum Interview mit mir begleitet hatte.
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Jack Carter Ist Unsterblich
General FictionDu willst lieber die lektorierte Fassung lesen? Dann bestell sie dir jetzt bei Piper oder dem Buchladen deines Vertrauens! „Ich schnief mein Glück." Wer sich vom Hochhaus stürzt, stirbt. Jack nicht. Stattdessen muss er zur Therapie und Dr. Elisabet...