10. Sitzung

15.3K 1.6K 212
                                    

Jacqueline hat meine Frisur gerade vollkommen zerstört. Gut, 'vollkommen' ist vielleicht übertrieben, aber jetzt sehen sie auf jeden Fall nicht mehr so aus wie sie sollten. „Das war unglaublich", keucht sie nun und knöpft sich ihre Bluse wieder zu. „Hm, war in Ordnung", stimme ich ihr abgelenkt von meinem Spiegelbild zu. Dabei ist hier gar nichts in Ordnung und das betrifft sowohl meine Haare, als auch die Nummer, die wir grade auf der Toilette der Praxis geschoben haben.

„Es war nur 'in Ordnung?'"

Bist du schwerhörig?

„Nein, du warst toll. Vielleicht sollte man das ja wiederholen", lüge ich und ringe mir ein sehr überzeugendes Lächeln ab. Miss Spears fällt darauf genauso rein, wie es ihr Original tun würde. „Na wenn das so ist, sollten wir es wirklich wiederholen. Allerdings ruf ich dich dieses Mal an, du vergisst es ja immer", lacht sie, rauft sich durch die Haare und beginnt dann über meine Bauchmuskeln zu streichen. Mädel, ich versuch hier meine zerstörte Frisur grade zu biegen, kannst du also gefälligst aufhören mich zu betatschen? Und du rufst mich ganz sicher nicht an. Scheiße, Carter lass dir eine Lüge einfallen, sofort!

„Geht nicht, mein bester Freund ist aus Afrika zurück und der hatte dort kein Handy, hat sich jetzt mein's ausgeliehen und ich bekomm' das erst nächste Woche wieder. Weißt ja, dauert was mit den Handyverträgen und so."

Dürftige Lüge, ziemlich dürftig.

„Hm, okay. Wie wäre es, wenn wir Freitag Essen gehen?"

Ah, ein Date. Ja, ganz sicher nicht.

„Passt ganz schlecht. Ich ruf dich einfach an."

Ach scheiß auf die Frisur. Also zieh ich mir mein T-Shirt eilig über, drücke ihr einen sehr flüchtigen Kuss auf die Lippen und verlasse die Toilette, hör aber noch wie sie einen Satz beginnt. „Aber du hast doch.."

Ja, 'tschuldige. Kann dich nicht hören, Babe.

Am Ende des Gangs ist der Behandlungsraum, den ich nach dem üblichen Klopfen betrete und mich sofort dem strahlenden Lächeln von Ex-Supermodel stellen muss. „Guten Tag, Mr. Carter", begrüßt sie mich freundlich und ich runzle die Stirn, bleibe vor erst wohl besser mal stehen. „Hey, Doc?", grüße ich vorsichtig zurück.

„Jack, Sie tragen Ihr T-Shirt falsch herum."

Scheiß Jacqueline, was hetzt die mich auch so?

„Oh, Moment."

Ohne zu zögern ziehe ich es mir über den Kopf, präsentiere absichtlich mein völlig von selbst gekommenes Six-Pack – mein Körper hat Muskeln benötigt um die Strapazen der Unsterblichkeit mitmachen zu können. Nach dem ich mir das Shirt wieder richtig herum übergezogen habe und feststellen musste, dass die mühselige Rettung meiner Frisur völlig sinnlos war, sehe ich die Therapeutin fragend an.

„Besser?"

„Was?"

Sie wirkt als wäre sie aus einem Traum aufgewacht. Hart, ich hab sie angemacht – unabsichtlich. Na gut, ein bisschen Absicht war da schon. „Ob es jetzt besser aussieht, hab ich gefragt", erkläre ich langsam und lasse mich auf einen der zwei Stühle vor ihrem Schreibtisch fallen. „Natürlich", bemerkt sie, schüttelt den Kopf und seufzt anschließend.

„Also, was gibst Neues?"

„Wollen Sie nicht wissen, wieso ich so aussehe?"

„Nein, man konnte es hören."

Jetzt klingt sie wieder kühl. Aber sie hat Recht, Jacqueline sollte echt an ihrer Lautstärke arbeiten.

„Kann ich nichts für. Vielleicht sollten Sie Ihrer Sprechstundenhilfe mal was verschreiben?"

Jack Carter Ist UnsterblichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt