12. Sitzung

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„Hey, Jack", lächelt sie. Halt die Klappe, Jacqueline, ich werde dich jetzt auch nicht anlächeln oder sonst irgendwie reagieren. Vielleicht bin ich einfach nur mies gelaunt, vielleicht nervt sie aber auch wirklich? Sie hat auf jeden Fall beschlossen mich per Whatsapp zu nerven, immer. Ich will sie allerdings nicht blockieren, kann ihr wohl erst den nötigen Korb geben wenn ich mit meinen Sitzungen hier durch bin und wenn das so weiter geht bin ich bestimmt irgendwann gezwungen sie zu heiraten. Es sei denn, ich bekomm's davor noch auf die Reihe zu sterben. Scheiße, ich werde sie bestimmt heiraten und dann bekomme ich so Nervensägen, die aussehen wie Britney Spears und bestimmt genauso beschissen singen.

Im Therapieraum angekommen nehme ich die Sonnenbrille ab und lasse sie in der Jackentasche verschwinden.

„Jack, Sie sehen furchtbar aus."

Fresse, Ex-Supermodel.

„Ich wünsch' Ihnen auch einen guten Morgen", gebe ich giftig zurück, lasse mich auf dem unbequemen Stuhl vor dem Schreibtisch nieder und spiele mit dem Gedanken meinen Kopf auf die Tischplatte zu knallen und ihn dort dann liegen zulassen. Wenn ich ihn ganz heftig drauf haue, dann blute ich vielleicht sogar? Ich könnte auch eine Gehirnerschütterung davon tragen, die dann innerhalb ein paar Stunden wieder abklingt. Aber in der Zeit könnte ich schlafen – so zur Abwechselung mal.

„Was ist los?"

Sie klingt besorgt, als juckt es sie wirklich.

„Olivia und Wade."

Ich lasse mich etwas weiter in den Stuhl sinken und schnalze mit der Zunge.

„Ich hab zwei verdammte Tage nicht geschlafen. Das bedeutet ich bin seit achtundvierzig Stunden wach und davon war ich kein einziges Mal high oder betrunken. Ich hab keine Kippen mehr und bin ein kleines bisschen aggressiv."

„Sie sind auf Entzug?"

Wieso klingt das als wäre ich wirklich ein Junkie und ich bin verdammt nochmal nicht auf Entzug! Ich hab nur in Moment nicht so viel Zeit zum kiffen gehabt, geschweige denn die dafür erforderliche Ruhe.

„Jack, wie hoch ist Ihre Selbstmordquote in den letzten zwei Tagen?"

„Woher soll ich das wissen? Als würde ich den Scheiß ernsthaft mitzählen. So etwas machen nur aufmerksamkeitssüchtige Teenager."

Scheiße, bin ich gereizt. Hab Little Jack heute Morgen auch schon angepamt, die Katze hatte einfach nichts in der Dusche verloren, so wirklich absolut nichts.

„Was ist diese Woche vorgefallen, dass Sie so aufgelöst sind?"

„Ich hab eine beschissene Familie und finde es wirklich schade, dass ich Olivia noch nicht umgebracht habe. Natürlich nur Wade zuliebe. Dieses Miststück hat es aber echt nicht verdient zu leben oder sich in meiner Wohnung aufzuhalten, oder überhaupt irgendetwas zu tun. Wieso hängt die nicht mit ihren Anwaltsfreunden ab? Vorzugsweise auf einer einsamen Insel oder in der Mongolei? Ich schenk' der ein Flugticket nach Tschernobyl, soll sie an der Strahlung verrecken."

Ich könnte einfach aus dem Fenster springen, man muss es nicht mal öffnen – einfach durch das Glas durch und aus dem dritten Stock auf den Asphalt knallen. Vielleicht werde ich bewusstlos und dann kann ich rein theoretisch schlafen.

„Jack, leiden Sie unter Schlafstörungen?"

Wenn ich ja sage, bekomm' ich dann Tabletten dagegen und kann endlich mal den Selbstmord-Plan mit der Überdosis umsetzen. Ich hab das bis jetzt noch nie ausprobiert, bin da etwas unsicher – könnte sein, dass ich wirklich draufgehe. Denn wenn ich bewusstlos werde braucht mein Körper länger um sich zu regenerieren. Also könnte ich theoretisch schon drauf gehen.

Jack Carter Ist UnsterblichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt