„Was stimmt mit den Menschen um mich herum nicht?" Das ist eine rhetorische Frage und wenn Miss Bloomfield hier auf die Idee kommt darauf zu antworten, werde ich mich die nächsten fünfundvierzig Minuten in Schweigen hüllen. Trotz der Tatsache, dass es Mitte November ist hab ich meine Sonnenbrille aufgesetzt. Nicht weil ich einen Kater habe oder es der sonnigste Tag aller Zeiten ist. Nein, auf diese Weise lässt sich die Welt am besten verdrängen. Die sind doch alle durchgeknallt. Mich eingeschlossen. Ich sollte mich mal erhängen. Aber sechs Stunden von einem Seil, die Decke hinab baumeln ist nichts für mich – hab ich schon festgestellt.
„Alles Gute zum Geburtstag", gibt sie als Begrüßung zurück. Elisabeth wirkt im Gegensatz zu mir wesentlich entspannter und scheint sich von meiner schlechten Stimmung nicht mitreißen zu lassen.
Lässt sich ja schnell ändern.
„Ficken Sie sich ins Knie", zische ich zur Antwort und plötzlich ist jegliche Ruhe aus ihrem Gesicht verschwunden. „Jack", ermahnt das Ex-Supermodel mich ernst. Sie sieht dabei stark nach einer Lehrerin aus, die von ihrem Schüler eine Entschuldigung erwartet. „Entweder Sie entschuldigen sich jetzt für Ihr Verhalten oder begeben sich so lange ins Wartezimmer, bis ich mit dem Patienten nach Ihnen fertig bin und Sie sich einigermaßen beruhigt haben."
Sie trommelt mit ihrem Kugelschreiber-Ende auf der Tischplatte und sieht mich eingehend an. Eine Entschuldigung kann die schon mal knicken und gehen werde ich ganz sicher auch nicht – wenn ich doch schon hier bin. Also folgt ein zweiminütiges Schweigen, wobei sie kein einziges Mal den Blick von mir abwendet – ich hingegen die Zimmerpalme anstarre. Schließlich seufzt Elisabeth und gibt auf.
„Was ist passiert?"
„Alles."
Während ich das Wort ausspreche, geht mir die letzte Nacht erneut durch den Kopf. Jedes Mal bleibe ich an dem selben verdammten Moment hängen und verfluche mich innerlich dafür.
„Wann ist es eigentlich aus der Mode gekommen Menschen zum Geburtstag einfach nur einen beschissenen Gutschein zu schenken? Wieso verdammt bekomme ich keinen Gutschein für Süßigkeiten oder diese Deo-Geschenk-Boxen, die man immer in Supermärkten sieht. Der Scheiß ist sogar bereits verpackt. Da muss man sich überhaupt keine Arbeit mit machen."
Elisabeth runzelt die Stirn.
„Was haben Sie denn zum Geburtstag bekommen, Jack?"
„Eine übergroße Party, Sex und einen Kuss mit meiner Ex."
Sie zückt ihren Kugelschreiber und notiert sich etwas.
„Sie beschweren sich gerade darüber, oder?"
„Ja.. Ich meine.. Nein. Vielleicht doch ein bisschen. Man beschwert sich nicht über Sex oder Gratis-Alkohol. Das ist ein Segen."
„Eigentlich."
Ich nicke zustimmend.
„Eigentlich."
Nun legt Ex-Supermodel-Psycho-Doc den Stift hin, lehnt sich zurück und lächelt mich aufmunternd an. „Nun erzählen Sie schon, Jack", fordert sie mich auf und ich nehme die Sonnenbrille ab, lege sie auf die Tischplatte und schiebe die Hände in die Hosentaschen.
„Mein Geburtstag war ja gestern und ich mag meinen Geburtstag. Na ja, ich liebe ihn – bester Tag im Jahr und so."
Ich mache eine kurze Pause und presse die Lippen aufeinander. Es folgt ein verlegener Blick auf meine Jeans.
„Ich hab letzte Woche viel Zeit mit Renee verbracht. Wir verstehen uns gut, aber aus unerfindlichen Gründen ist es übers Knutschen nie hinaus gegangen. Das hat mich gestört. Ich hab mich die ganze Zeit so hingehalten gefühlt. Und ich mag sie irgendwie."
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Jack Carter Ist Unsterblich
General FictionDu willst lieber die lektorierte Fassung lesen? Dann bestell sie dir jetzt bei Piper oder dem Buchladen deines Vertrauens! „Ich schnief mein Glück." Wer sich vom Hochhaus stürzt, stirbt. Jack nicht. Stattdessen muss er zur Therapie und Dr. Elisabet...