Zwei

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Die leuchtende Ziffernfolge steigt an, je höher ich mit dem Fahrstuhl komme. 7...8...9...10... Bis mein Magen beim Halt der verglasten Kabine einen kleinen Satz macht, so wie man es von Achterbahnen oder Flugzeugstarts kennt. Die ruhige Atmosphäre der Fahrt nach oben wird prompt von dem durchdringenden Treiben im vierzehnten Stock unterbrochen. Ich blicke beim betreten des schwarzen Natursteinbodens streng geradeaus. Am Ende des langen Flures befindet sich ein weiterer Tresen, hinter dem mehrere Frauen in weißen Blusen und mit Headsets auf dem Kopf sitzen. Zu beiden Seiten schwarzer Marmor, in der Mitte geteilt von einem kleinen Wasserfall. Ziemlich überzogen wenn man mich fragt. Ich bahne mir einen Weg zwischen den vielen Menschen hindurch, die mich in meiner Uniform gar nicht wahr nehmen.

Kurz bevor ich mein Ziel erreiche, fängt mich eine brünette Frau ab. Ihre ebenfalls braunen Augen blicken zu mir nach oben und mustern die kantigen Züge meines Gesichts. „Mr Thornton? Cara Loughlin. Wir haben telefoniert.",sagt sie und klingt dabei fast noch kindlicher, als gestern am Telefon. „Ja Ma'am. Sehr erfreut.",erwidere ich. Cara führt mich einen weiteren Flur entlang, vorbei an offenen Büros, zu einer Glastür in welche die Worte Conference Room 1 eingraviert sind. „Warten sie bitte hier, Mr Coldwell wird gleich bei ihnen sein." „Vielen dank."

Wieder bin ich allein mit mir selbst. Ich sehe mich im Raum um, in dessen Mitte ein langer, gläserner Tisch von Drehstühlen umrundet wird. An einer der Rückwände findet sich das Firmenwappen wieder, an der anderen ein großer Flatscreen. Meine Hand fährt sanft über die Lehnen der Sitzmöbel. Eine starke, männliche Stimme holt mich zurück in die Realität. Ein Mann in grauem Anzug betritt mit einer Akte in der Hand den Konferenzraum. Er muss bestimmt zehn Jahre älter sein als ich. Sein Ansatz trägt bereits die selbe Farbe wie das zwei tausend Dollar Jackett.

„Mr Thornton." Seine Stimme begrüßt mich gestresst, aber fokussiert. „Mr Coldwell. Es freut mich.",sage ich beim Versuch meine Stimmlage an die seine anzupassen. „Bitte setzen sie sich." Ich komme seiner Aufforderung nach und nehme auf einem Stuhl am Ende des Tisches Platz. Coldwell lässt sich am Kopf nieder. „Also Mr Thornton. Ich entnehme ihrer Bewerbung, dass sie zwölf Jahre lang in in der Navy gedient haben. Erzählen sie mir davon.",bittet er mich musternd. Ich räuspere mich und strecke meine Brust unauffällig nach vorne.

„Ich...schloss die Grundausbildung mit 20 ab und habe mich anschließend für die Green Team Ausbildung beworben. 2007 beendete ich auch diese und wurde Teil von JSOC." Beeindruckt nickt Coldwell, während er einige Notizen in einen Leder gebundenen Block kritzelt. „In welchem Team haben sie als erstes gedient?" „Team drei, Sir. Von 2008 bis 2016 bei DEVGRU." Nun hebt mein Gegenüber seinen Kopf zum ersten Mal während unseres Gesprächs. „Team Sechs? Sie waren bei den großen Jungs."

„Das...könnte man so ausdrücken, Sir.",schmunzele ich leicht gezwungen. Coldwell klickt die Miene seines Kugelschreibers in unregelmäßigen Abständen hoch und runter. „Die meisten unserer Mitarbeiter sind Veteranen, so wie sie. Einige ebenfalls Ex Special Forces. Ranger, Green Berets, Delta Force. Die wenigsten sind Seals. Sie sind der erste aus Team Sechs." Ich bin sichtlich überrascht. Meine Finger rutschen erwartungsvoll über meinen Oberschenkel. Hat der Kerl gerade das gesagt, was ich meine gehört zu haben?

„Ich bin?" Coldwell nickt zustimmend und steht auf. Er schließt sein Jackett wieder, während ich mich ebenfalls erhebe und seinen Händedruck erwidere. „Ja, Jack. Ich sehe keinen Grund sie nicht im Team zu haben. Kommen sie mit, ich erkläre ihnen den Auftrag." Momentan gehen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Glück dominiert den Gedankenstrudel ausnahmsweise mal. Ein neuer Job, eine neue Stadt, ein neues Leben.

Es geht Berg auf.

Zusammen mit meinem neuen Boss gehe ich durch die Flure der Etage. Mitarbeiter hetzen an uns vorbei, wie die Fliegen. Ich bin entspannt. Glücklich über die Chance, die sich mir bietet. „Kennen sie die Clayfields?",fragt er erhobenen Hauptes. Diese Familie ist mir durchaus ein Begriff. Wie auch nicht? Ein Familienclan aus Atlanta. Man weiß mehr über ihre Geschäfte, als über das Privatleben selbiger. Ich nehme mir vor meine Antwort kurz zu halten.

„Ja, Sir. Ich habe von ihnen gehört. Sind sie die Auftraggeber?" Vor einer Kaffeemaschine machen wir halt. In der modernen Küche riecht es nach mexikanischen Kaffeebohnen. Ein Geruch, der sich mir auf einigen Einsätzen dort eingeprägt hatte. „Grayson Clayfield. Er hat Red Wing Solutions damit beauftragt seine Tochter, Vienna Clayfield zu schützen. Die Gründe dafür sind uns unbekannt, aber wir sind nicht im Geschäft um Fragen zu stellen." „Ich verstehe, Sir.",antworte ich knapp. Coldwell, dessen Vornamen ich noch immer nicht kenne, -denn auf der Website steht er auch nicht- macht sich gerade eine Tasse brühend heißen Kaffee. Sein Angebot mir ebenfalls einen zu zu bereiten, lehne ich dankend ab. „Sie bekommen alle weiteren Instruktionen von Mr Clayfield persönlich. Er bat uns ausdrücklich darum, uns bedeckt zu halten. Alles weitere hält Cara für sie bereit."

Ich ziehe meine Mütze unter dem rechten Arm hervor, um ihm die Hand zu schütteln. „Vielen dank für diese Chance, Sir.",sage ich voller Dankbarkeit. „Willkommen bei Red Wing, Jack. Machen sie uns stolz." Wir verabschieden uns für's erste. Mein Weg bringt mich zurück durch die verglasten Flure zum Empfangstresen, wo Cara schon mit einer dicken Akte auf mich wartet. Darin befinden sich alle nötigen Informationen zu meiner Schutzperson, ihrer Familie und den Aufgabenfeldern meines Jobs bei ihnen. Unmöglich in so kurzer Zeit zu studieren, weshalb ich mit mir selbst ausmache, die Akte am Abend zu lesen. Wenn ich angekommen bin und sich alles etwas gelegt hat. Nachdem ich auch Cara verabschiedet habe, fahre ich mit dem Aufzug wieder ins Erdgeschoss. Erneut blendet mich die Sonne so stark, dass die verdunkelten Gläser der Brille die ich trage wenig dagegen ausrichten können. Ich suche die Adresse zu der ich fahren soll im Navigationsgerät des Pick Up's. Die Postleitzahl lässt darauf schließen, dass das Anwesen etwas weiter draußen liegt. Gespannt darauf, was mich gleich erwartet setze ich meinen Wagen in Bewegung und fahre entlang des Highways aus der lauten Innenstadt.

Die Hochhäuser werden immer weniger, ab und zu treffe ich auf abgelegene Tankstellen. Die lange Landstraße, über die mich mein Navi führt ist umgeben von dichtem Wald. Hohe Bäume schließen meinen Pick Up ein, bis ich schließlich einen breiten Kieselweg entlang fahre. Er sieht gepflegt aus und führt zu den Seiten in kleine Seitenstraßen, die in Pferdekoppeln mündeten. Ich jedoch, fahre gerade aus einen Hügel herauf. Bis ich irgendwann die Konturen eines prächtigen Anwesens erkennen kann.

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