Vier

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„Jetzt stellen sie sich nicht so an. Als hätten sie noch nie eine Frau in Unterwäsche gesehen. Wer sind sie und was machen sie in meinem Zimmer?" Ihre Frage und der damit einhergehende forsche Umgangston waren nur allzu berechtigt.

„Jack Thornton, Ma'am. Ihr Vater schickt mich. Als ihren Leibwächter." Ich erinnere mich selbst wieder daran, wer ich bin und was ich hier mache. Diese Situationen passieren nunmal. Also lasse ich vom Türgriff hinter mir ab und blicke der Brünette voll Selbstsicherheit in die Augen. Den Körper darunter blende ich aus und konzentriere mich darauf, die weichen Kanten ihres Gesichts mit meinen Augen zu scannen.
„Okay, Bodyguard. Ich habe jemand anderen erwartet, aber sie sind bestimmt genauso gut dafür."

Vienna verschwindet für einen Augenblick in das Ankleidezimmer und kommt kurz darauf mit einem zweiten Kleid in Lavendel Tönen zurück. Sie hält beide Kleidungsstücke vor ihren Körper und sieht abwechselnd daran vorbei. „Welches soll ich heute Abend zum Dinner tragen?" Leicht perplex kneife ich die Augen zusammen und bemühe mich wirklich nur die Kleider zu begutachten. Aus der Akte, die Coldwell mir gegeben hat, weiß ich dass sie verheiratet ist. „Sollten sie eine solche Frage nicht lieber ihrem Ehemann stellen?",frage ich mit wieder gefundener Professionalität. Auf Zehenspitzen, tappt die 20 jährige Vienna auf mich zu. Ihr forderndes Grinsen ist nicht zu übersehen.

„Mein Ehemann ist auf Geschäftsreise in Japan. Und sie sehen aus, als wüssten sie was sie sagen müssen." Provokant zwinkert Vienna und zieht sich einen Schritt zurück. „Also...",sagt sie wartend. Ich seufze.
„Als Angestellter ihres Vaters, werde ich mich dazu nicht äußern." Kurz bevor sie intervenieren kann, setze ich zu einem weiteren Satz ein.

„Als Mann jedoch. Ziehen sie das Schwarze an. Ich habe das Gefühl, dass passt zu ihnen." Zufrieden nickt mein neuer Schützling. „Richtige Antwort, Mr Thornton."
Vienna dreht sich um und verschwindet zum Ankleidezimmer, aus dem sie gekommen ist. Im Türrahmen dreht sich das Mädchen nochmal zu mir um. „Nehmen sie Platz, Jack. Es gibt noch ein paar Dinge, die zu besprechen sind.",fordert sie mich auf.
„Selbstverständlich, Miss Clayfield."

Ich setze mich auf die seidene Couch vor ihrem Bett und falte die Hände vor mir. Plötzlich wird die Zimmertür ein zweites Mal geöffnet. Ein weiteres Mädchen tritt in den Raum, etwa in Vienna's Alter. Sie trägt hellere Haare, als Clayfield's Tochter und wirkt in ihrem Auftreten etwas jünger. Zarter und irgendwie schüchtern. Sofort stehe ich auf; der Höflichkeit halber.
„Oh, wer sind sie denn?",fragt das Mädchen zurückhaltend. „Jack Thornton. Ich bin..." „Vienna's neuer Bodyguard. Ich weiß. Sie können einen schon einschüchtern in der Uniform.",lächelt sie zaghaft.
„Ich bin Aislinn. Aislinn Voss." Noch bevor ich erfragen kann, ob sie genannte Tochter von Madelyn ist, meldet sich Vienna aus dem Ankleidezimmer. Sie kommt bekleidet mit kurzen Sweatpsants und einem pinken Top heraus.

„Hey, dich hab ich eigentlich erwartet." Aislinn umarmt ihre Freundin eng, ehe diese sie mit sich zur Couch zieht, auf welche sich beide setzen. Ich nehme gegenüber, auf einem Stuhl mit selbem Bezug Platz. Obwohl Vienna und Aislinn anfangs wie gute Freundinnen wirkten, kommen sie mir jetzt eher wie fremde vor. Sie versuchen schon fast sich nicht anzusehen.

„Darf ich fragen, weshalb ihr Vater mich beauftragt hat, sie zu schützen? Es scheint, als würde hier niemand sonst einen Leibwächter haben." Aislinn schluckt betroffen. Vienna zieht scharf die Luft ein. Ich habe wohl einen wunden Punkt getroffen. „Es ist etwas vorgefallen. Vor ein paar Tagen. Aber...darüber wollte ich nicht mit ihnen reden."
Ich merke, was auch immer es war, Vienna ist nicht bereit es mir mitzuteilen. Und das gilt es zu respektieren. „Worüber möchten sie denn mit mir sprechen?",frage ich. Vienna fasst sich wieder und streicht eine Strähne von ihrer Stirn.

„Ich weiß, mein Vater hat sie damit betraut auf mich zu achten und zu beschützen. Ich trinke zu viel, ich rauche, nehme Drogen, er will nicht mich vor der Welt schützen, sondern die Welt vor mir. Ist auch egal. Jedenfalls möchte ich ihren Auftrag ausweiten. Bitte halten sie auch Aislinn im Auge." Leicht verwirrt blicke ich zwischen den beiden her. „Ich verstehe nicht ganz. Zwei Schutzpersonen benötigen zwei Leibwächter, wenn ihr Vater..." Wieder fällt Vienna mir ins Wort, bevor ich den Satz beenden kann.

„Mein Vater hat damit nichts zu tun. Ihre Sicherheit ist ihm keinen Bodyguard wert." „Aber ihnen schon.",nicke ich. Vienna und Aislinn sehen sich einen Moment lang an. „Ja. Ich bezahle sie aus meiner Tasche, dass..." Diesmal bin ich es, der dankend die Hand hebt und sie unterbricht. „Nein, nein. Sie müssen dafür nicht extra zahlen, ich...werde ein Auge auf sie beide haben. Immerhin wohne ich hier schon kostenlos." Vienna nickt mir anerkennend zu.
„Danke. Folgen sie uns doch für eine kleine Tour. Die obere Etage gehört fast ausschließlich mir."

Vienna und Aislinn erheben sich wieder und deuten mir an ihnen zu folgen. Unsere kleine Tour führt uns aus dem Schlafzimmer ins angrenzende Bad. Eine Badewanne mitten im Raum, bildet das Highlight des Raumes. Waschbecken und die offene Regendusche, sind nicht minder luxuriös gehalten. Wenn man aus dem Schlafbereich ins Wohnzimmer geht, fallen einem sofort die breiten Fenster mit Durchgang zu einem von Säulen über der Terrasse gestützten Balkon, auf.

Eine Ledercouch fordert jeden Ankömmling auf, sich darauf auszuruhen und einen Film auf dem Flatscreen an der Wand anzusehen. „Die Küche ist gleich hier. Wenn sie etwas essen oder trinken wollen, bedienen sie sich." Ich staune einen Moment lang nur über die Ausstattung und Größe dieser Küche. Schwarzer Marmor wird als Material für sämtliche Arbeitsplatten genutzt. Goldene Armaturen zieren den Rest der edlen Garnitur.

Vienna führt mich weiter durch den Flur aus dem wir kamen. Zwei weitere Badezimmer, eine Lounge und ein Wellnessbereich bleibt mir vorerst verborgen. Gegenüber des Zimmers in welches ich eben herein geplatzt bin, befindet sich ein Gästezimmer. „Hier schlafen sie. Richten sie es sich ein wie sie möchten.",erzählt mir die brünettere der Mädchen.

„Tut mir leid, hab ich das richtig verstanden? Ich schlafe hier? In ihrem Apartment?",frage ich sicherheitshalber. Vienna sieht schmunzelnd zu ihrer Freundin. Diese Art von Schmunzeln, die sagt; will er uns verarschen? „Naja, ich habe meine Security gern dicht bei mir. Ist das ein Problem?" Die tausenden Gedanken, die gerade meinen Hirnstamm fluten, schiebe ich beiseite. „Nein, kein Problem." ,antworte ich mit einem aufgesetzten Lächeln. Die Mädchen kichern leise in sich hinein, als hätten sie sich abgesprochen. „Ich lasse sie dann allein und richte mich etwas ein."

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