Connor hatte gestern wirklich nicht übertrieben, was Kenburry angeht. Schon beim einfahren in die kleine Stadt, fühlt es sich an, als hätten wir die ländliche Gegend rund um das Clayfield Anwesen nie verlassen. Das flackernde Neonschild eines Motels prangt über einem alten Gebäude. Unser SUV ist wahrscheinlich das modernste Auto hier. Doch irgendwie kann ich diesem Fleckchen Erde etwas abverlangen. Der Südstaaten Charme ist unverkennbar. Eine Mischung daraus und britischer Architektur. Als ich vor ein paar Jahren in London war, um Rekruten des Special Air Service zu trainieren, habe ich aus Langeweile angefangen die Architektur der Innenstadt von meinem Hotelzimmer aus zu zeichnen. Auch Aislinn erinnert mich irgendwie an die zahlreichen Londoner Mädchen. Diese schüchterne, liebenswürdige in ihrem Wesen, dazu ein Hauch von britischem Akzent. Wahrscheinlich weil ihre Familie von mütterlicher Seite aus, längere Zeit in Shoreditch gelebt hat.
Connor hält mit dem Wagen unmittelbar neben dem Eingang zu einer kleinen, unscheinbaren Eckkneipe. Darüber hängt ein im Wind wackelndes Holzschild, an dünnen Ketten. Von innen fällt schales Licht durch die verwaschene Glasscheibe der Eingangstür. „Der rauchende Colt, ja?",frage ich schmunzelnd, als ich die geschwungenen Lettern auf dem Schild entziffere. „Die Drinks sind besser als der Name. Versprochen.",verspricht Connor.
Wir steigen aus unserem Wagen und betreten den verrauchten Empfangsbereich des Lokals. Eine volle Garderobe zu meiner rechten, sondert den hängen gebliebenen Gestank von Zigaretten ab. Eine weitere Tür führt uns direkt in den Gastraum. Dieser ist überraschend voll. Moderne Popmusik spielt in den Boxen oberhalb der langen Bar. Die Altersgruppen sind breit gefächert. Von Jugendlichen, über Studenten und eine Gruppe älterer Männer, die Scart an einem der Nischentische spielen. Connor führt mich direkt zur Bar, wo wir uns jeweils an zwei nebeneinander liegenden Ecken positionieren. Der Stoff auf meinen Barhocker ist abgeranzt. Aber ich verstehe warum die Menschen hier her kommen. „Was trinkst du?",möchte Connor wissen. „Nur ein Bier." Die Barkeeperin nickt mir zu und sieht meinen Begleiter an. „Mach zwei." Ich sehe mich etwas in dem Laden um. Ein paar junge Frauen am anderen Ende der Bar, sehen immer wieder zu uns. „Deine Fans?",frage ich. „Studentinnen aus Atlanta. Die Bar ist abgelegner von den überfüllten Studentenbars in der Stadt. Wie war dein erster Tag?" Ich lehne mich seufzend gegen eine unsichtbare Lehne des Barhockers. Mein erster Tag? „Fassettenreich. Hab das Gefühl, als wäre ich in ner' scheiß Sekte. Jeder ist so...reserviert. Eine Familie die auf engstem Raum zusammen lebt, aber dann irgendwie doch nicht?" Connor nickt verständnisvoll und schiebt mir mein Bier entgegen. Wir stoßen an und nehmen direkt einen großen Schluck des kalten Getränks. „Das Gefühl legt sich irgendwann. Dann bist du nur noch dankbar dafür, in einer verdammten Villa zu wohnen, den Whirlpool zu genießen, wenn Mom und Dad nicht da sind..." Ich stimme Connor lachend zu. Bei all den Verrücktheiten, muss man schon zugeben, es könnte einen deutlich schlimmer treffen. „Vergisst man auch, weshalb man hier ist? Ich hab das Gefühl dieses ständige zusammen sein löst die Professionalität." „Mach dir darüber mal keine Gedanken. Clayfield steht darauf seinen Angestellten immer wieder klar zu machen, dass sie für ihn arbeiten." Ist wahrscheinlich besser so. Eine Portion Realität schadet mir nicht, wenn ich jeden Tag zwei attraktive Mädchen vor den Augen habe.
Eine blonde Frau, aus der Studentengruppe am Barende, sieht öfter als die anderen zu uns herüber. Ich nehme mir vor sie einfach mit einem stummen Lächeln abzuspeisen und mich wieder Connor zu widmen. Doch er hat es ebenso auf mein Liebesleben abgesehen. „Du weißt, dass dich die ganze Zeit eine Blondine anstarrt, die aussieht als wäre sie aus meinen Träumen?",murmelt Connor mir hinter seinem Bierglas zu. Bevor ich ihm eine enttäuschende Antwort geben kann, spüre ich wie mein Handy gegen das Holz der Platte, auf der es liegt vibriert. Das Display leuchtet auf. Eine Nachricht von Aislinn. In der Hoffnung, beide noch lebend zu sehen, nehme ich das Gerät und die Hand und öffne die Nachricht.
Danke für's zuhören.
Als ich die drei Worte lese, atme ich erleichtert auf, frage mich aber, was die gefühlt 17 Boxen mit Kreuz darin zu bedeuten haben. Emojis sind wohl nur was für junge Leute. Gerade als ich das Handy wieder zurück legen möchte, kribbelt meine Hand durch eine weitere Nachricht. Ein GIF, auf dem zu sehen ist, wie Vienna und Aislinn sich glücklich lächelnd küssen und danach in Kichern ausbrechen. Wärme steigt in meine Brust, während ich gar nicht aufhören kann, das Bewegtbild anzusehen. „Jack? Hallo, Jack?" Ich nehme mir einige Sekunden, um mein Handy wieder zu sperren und zur Seite zu legen. „Sorry. Arbeit. Da hab ich schon zwei Mädchen die ständige Aufmerksamkeit brauchen, wo soll ich da noch eine andere Frau unterbringen?",sage ich schulterzuckend und nippe am hellen Bier. „Sag das nicht mir, sondern ihr.",flüstert Connor mir grinsend zu und zeigt mit seinem Glas unauffällig hinter mich.
Ich drehe mich mit hochgezogener Augenbraue um. Die Blondine von eben hat sich von ihrer Gruppe gelöst und kommt auf uns zu. Ihre langen Haare liegen gewellt über den Schultern und reichen der Fremden bis auf Höhe ihrer Brustmitte. Darunter eine dunkelgrüne Bluse und eine schwarze Jeans. Lederjacke und höhere Stiefel vervollständigen das Outfit. Ich blicke nochmal zurück zu Connor, doch Blondie ist schon bei uns angekommen. „Hey Jungs. Wer von euch will mir einen Drink ausgeben? Meine Freunde langweilen mich." Die Frau lehnt sich mit den Armen auf jeweils eine Schulter von Connor und mir, bevor sie sich mit dem Fuß einen Barhocker heran zieht. „Nina.",stellt sie sich vor. Ich sehe nach unten auf die Bar und dann schmunzelnd zu ihr. „Okay Nina, wie alt bist du?",frage ich. „Bist du ein Cop?",grinst die junge Frau schmollend. Ich lehne mich zu ihr und flüstere. „Ich bin schlimmer." Connor lacht mir zu und unsere neue Bekanntschaft zieht tatsächlich mit. „Ich bin 22 und du? 40?" „Sie hat dich, Alter.",seufzt Connor nur und bestellt Nina den geforderten Drink. „Fast. 32.",antworte ich ihr.
„Ich steh auf Männer die wissen, was sie wollen. Ich will euch eure Männerrunde nicht verderben, deshalb gibst du mir einfach deine Nummer und ich schreibe dir mal." Diese Selbstsicherheit in Nina's Stimme ist einnehmend. Geradezu verführerisch. Sie lässt mich die Mädchen einen Moment vergessen. Also reiche ich ihr mein Handy und lasse sie ihre Nummer eintippen. Dabei bemerke ich nicht, dass ihre Augen auch die Nummer meines Bosses erfassen, die unter dem Firmennamen in meinen Kontakten steht. „Bis dann, großer.",zwinkert sie und verschwindet so schnell wie sie gekommen ist.
„Du bist einen Tag hier und schon machst du Miss America klar? Ich sollte dich hassen.",lacht Connor kopfschüttelnd. „Hass nicht die Spieler, hass das Spiel.",erwidere ich.
Zwei Stunden bleiben wir noch in dieser abgeschiedenen Bar, bis der Zigarettenrauch allmählich zu einer nervenden Nebensache wird. „Geht auf mich.",winkt Connor ab, als ich in Begriff bin mein Portmonee zu zücken. Ich nehme dankend an, stelle aber die Bedingung beim nächsten mal zu zahlen.Unsere Wege trennen sich vor dem Clayfield Anwesen. Ich verabschiede Connor noch und danke ihm für den unterhaltsamen Abend. Müde und verwirrt durch die Situation mit dieser Nina, verbringe ich mehr Zeit als zuvor damit, den richtigen Schlüssel zu finden, um Viennas Apartment aufzuschließen. Schon draußen höre ich die eindringliche Stimme von Vin Diesel und Hintergrundmusik die eindeutig zu irgendeiner Szene gehört, in der Mädchen in Bikinis Sportwagen waschen, oder für reiche Prinzen in Dubai tanzen. Als ich die Tür zur Wohnung aufschiebe, verdeutlicht sich das dumpfe Geräusch des Fernsehers von eben. Es ist ziemlich dunkel im Apartment, der flackernde Flatscreen, dient momentan als Hauptlichtquelle. Auf der Suche nach den Mädchen, komme ich an der Couch vorbei, um den Fernseher auszuschalten. Vienna und Aislinn liegen eng aneinander gekuschelt unter einer Wolldecke auf der Couch. Vienna's Brille ist ihr halb von Gesicht gerutscht. Die Popcornkrümel auf der Decke, bringen mich zusätzlich zum Lächeln. Ich freue mich für die beiden. Wirklich. Auch wenn Vienna immer noch ihren Mann zurück erwartet. Nachdem ich den Fernseher ausgeschaltet habe, lege ich die Decke komplett über die Oberkörper der beiden Schlafmützen. „Schlaft gut.",flüstere ich noch in den Raum, drehe mich zum gehen um, werde jedoch aufgehalten, als sich eine zarte Stimme hinter mir zu Wort meldet.
„Jack?" Vienna richtet sich auf und versucht verschlafen neue Orientierung zu finden. „Oh hey. Wollte euch nicht wecken.",sage ich leise. „Nein, schon okay. Wir wollten sowieso...mal mit dir reden." Ich komme mit fragendem Blick auf die junge Frau zu und setze mich auf die Rückenlehne der Couch. „Verschieben wir das auf morgen? Ich bin wahrscheinlich nicht mehr so aufnahmefähig.",gebe ich zu. Vienna reibt sich die Augen und nickt. „Klingt gut. Geh ins Bett, ich bleib hier bei Linn." „Alles klar. Schlaf gut." Mit einem Lächeln verabschiede ich mich, bleibe aber nochmal stehen und sehe zurück. „Übrigens. Bin stolz auf euch. Wirklich."
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PROTECTOR
Romance𝐼 𝑤𝑖𝑙𝑙 𝑎𝑙𝑤𝑎𝑦𝑠 𝑏𝑒 𝑝𝑎𝑟𝑡 𝑜𝑓 𝑡ℎ𝑒𝑖𝑟 𝑙𝑖𝑣𝑒𝑠. 𝐵𝑢𝑡 𝐼'𝑙𝑙 𝑛𝑒𝑣𝑒𝑟 𝑏𝑒 𝑎 𝑝𝑎𝑟𝑡 𝑜𝑓 𝑡ℎ𝑒𝑚. Seit einer Stunde sitze ich nun vor dem Fernseher. Mein Blick wechselt zwischen dem langweiligen Progra...