Dreiunddreißig

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Jack

Ranger lead the way

Die Sonne steht noch so tief am Himmel, dass sie einen Schleier aus orangenem Licht über einem bewaldeten Berg in der Ferne hinterlässt. Meine Augen sind schwer, meine Atmung flach, als ich aufwache und das Zwitschern von Vögel um mich herum wahrnehme. Bailey liegt genau wie ich, auf einem provisorischen Schlafsack aus unseren Regenjacken, auf dem modrigen Boden.

Rip und Pedro sitzen konzentriert auf einem Felsen in der Nähe, überblicken das Tal zu unseren Flanken. Ich klopfe meinem Freund auf die Schulter und reiche ihm gähnend eine Flasche Wasser.

„Aufstehen, Dornröschen. Wir gehen weiter."
„Nächstes mal übernimmst du die zweite Schicht.", grummelt er aus rauer Kehle.
Wir treten unser Lagerfeuer aus, um keine Spuren zu hinterlassen und machen uns zügig auf den Weg, entlang der Schlucht. Sie ragt an manchen Stellen bis zu dreißig Meter in die Tiefe, ein rauschender Bach, fließt am Boden zwischen den steinernen Wänden und übertönt unsere Geräusche noch in weiter Ferne.
Ein Vorteil.

Nach einer knappen Stunde Fußmarsch, bleibe ich abrupt stehen. Ich halte meine Faust hoch, wie Rip es gestern getan hat.
„Keinen Schritt weiter. Sprengfalle, linker Fuß.", informiere ich die anderen darüber, dass ich bei der kleinsten Bewegung zu Hackfleisch verarbeitet werde. Rip löst sich aus der Gruppe, kniet sich vor mir auf den Boden und fährt mit seinem Messer den Draht entlang, den ich mit meinem Knöchel gespannt habe.

„Nicht bewegen, klar? Ich hab keine Lust mir von Huren einem runterholen zu lassen, weil ich keine Arme mehr hab."
Pedro schmunzelt, wird von Bailey misstrauisch beäugt, während Rip seine Klinge zwischen den Kontakt einer Schrotpatrone am Ende des Drahts steckt und somit verhindert dass sie losgeht, wenn ich meinen Fuß bewege.

Eine Falle die uns nicht lange aufhält, die mir keine Angst macht, mich maximal ein wenig nervt.
Und nach weiteren zwei Stunden eines anstrengenden Marschs, erreichen wir eine Lichtung, die mir Hoffnung gibt, alles beenden zu können. Vienna's Martyrium beenden zu können.

Das Mädchen zu retten, für das ich sterben würde. Jederzeit.

„Sieht aus wie unser Ziel.", murmelt Rip, ehe wir uns alle auf die Knie begeben und ich ein Fernglas aus meinem Rucksack nehme. Vor uns liegt ein hohes Gebäude, relativ heruntergekommen und umgeben von dichtem Dschungel. Davor eine verwilderte Parkanlage, betoniert und anscheinend in Eile verlassen.

„Zwölf Stockwerke, auf keinem brennt Licht. Ich zähle...fünf, sechs, sieben Tangos, die vor dem Eingang patrouillieren. Zwei Fahrzeuge links, ein Konvoi rechts. Keine sichtbare Straße.", kläre ich die Szenerie vor uns auf. „Ramirez, sie übernehmen die Sicherung von hier. Der Rest kommt mit mir."

„Klopfen wir an der Vordertür an?", nuschelt Bailey in meine Richtung.
„Wie der beschissene Zimmerservice.", antworte ich.

Pedro richtet sich einen Sniper Posten ein, bevor der Rest von uns den Hang nach unten schleicht und wir parallel zueinander über den Parkplatz vor dem Gebäude, auf den Haupteingang zugehen.
Scheiß auf still und heimlich.

Ich will die Hölle über Enrico Vargas losbrechen lassen.

Drei Kartellsoldaten gegen zeitgleich mit unserem Vormarsch zu Boden, zwei werden von Pedro aus der Ferne erledigt. Die anderen beiden bekommen mit, wie ihren Kollegen einem nach dem anderen das Leben ausgehaucht wird. Ich ducke mich hinter einem der Mercedes Geländewagen und ziehe eine Splittergranate von meiner Weste. Splint und Bügel fliegen zur Seite weg, als ich das Geschoss hinter mich, in Richtung des Feindes werfe. „Granate!", brülle ich, den Flug des kleinen Objekts begleitend, komme aus meiner Deckung hoch und schieße auf zwei Männer, die aus dem Gebäude kommen.

Es knallt, ein gleißender Feuerball blendet die Männer, die die Explosion der Granate überlebt haben, sodass wir ihnen den Rest geben können. „Wechsel.", kommt es neutral von meinen Lippen, als wir den Haupteingang passiert haben und einen langen Flur entlang zu den Aufzügen gehen. Das neue Magazin rastet im Schacht ein und ich mache mich daran, die Tür des Aufzugs zu präparieren.

Hinter einer Wand zum Treppenhaus, verharren wir, bis die Zahl über den Aufzugtüren eine 0 anzeigt.

Pling

Die Soldaten in der Kabine haben wenig Zeit, meine Konstruktion zu bewundern, die aus einer an einem Draht befestigten Granate besteht. Durch das öffnen der Türen, spannt dieser und zieht automatisch den Splint. Die folgende Explosion macht den Aufzug unbenutzbar.

Durchs Treppenhaus kämpfen wir uns nach oben, räumen Stockwerk für Stockwerk, bis ich etwas höre.
Vienna. Das ist sie. Sie schreit nach mir.

„Rip, C2.", kommandiere ich, da wir uns einer stählernen Tür durch einen düsteren Flur nähern. Wie befohlen, zieht Rip eine Stange Sprengstoff auf seinem Rucksack, befestigt sie an den Angeln der Tür und rollt eine Zündschnur aus, die bis hinter die Wand reicht, hinter der wir uns aufstellen.

„Ranger, geh voran."
„Crash ist fertig."
„Drei, zwei, eins, ausführen."

Es knallt heftig, die Stahltür springt aus ihrer Aufhängung, ehe Bailey eine Blendgranate in die entstandene Öffnung wirft.
„Crash ist raus."

Ein greller Lichtblitz scheint aus dem Türrahmen, durch den wir drei einen Raum betreten, in dem etwa ein Dutzend Mädchen, zusammengepfercht auf dem Boden hocken, geschockt und innerlich ausgeknockt von der Blendgranate. Rip und mir gelingt es, zwei maskierte Männer in die Hölle zu schicken, bevor jedoch ein Dritter zwischen all den jungen Frauen auftaucht und einem brünetten Mädchen eine Waffe an den Kopf hält.

Vienna.

Da steht sie. Vienna. Mein Mädchen. Gebrochen, weinend, in eine Jogginghose und ein einfaches T Shirt gehüllt. Sie sieht aus wie jedes andere Mädchen im Raum.

Was zum fick ist das hier?
Eine verfluchte Shit Show.

„Einen Schritt weiter und sie stirbt.", droht Vargas, den ich schon bevor er seine Maske abstreift erkenne.
„Ein Schritt..."
Ich richte meine Waffe auf ihn, sehe jedoch nur Vienna an. Erleichterung blitzt in ihren Augen auf. Gepaart mit Angst. Furcht und Hoffnungslosigkeit.
„Ich jage dir eine Kugel zwischen die Augen, Vargas, das schwöre ich. Lass sie gehen. Es ist vorbei."

„Ist es nicht. Noch lange nicht. Ich habe schon vier deiner Brüder ins Jenseits geschickt, ich freue mich darauf, der Liste einen weiteren hinzuzufügen. „Deine Leute können gehen. aber du...Navy Seal. Du bleibst."

„Fick dich, Vargas, wir denken nicht dran!", zischt Rip hinter mir. Doch ich nicke.
„Tut was er sagt. Nehmt die Mädchen und verschwindet. Sagt Grayson bescheid, ich bringe Vienna nach Hause. Das hier ist persönlich."
„Jack, das..." „Rip. Tu einfach was ich sage. Nimm die Mädchen und geh. Ich komme klar."
Bailey sieht zwischen uns her, scheucht die zarten Gestalten aus dem Raum, bevor Rip mir auf die Schulter klopft und meinem Befehl folge leistet.

„Und jetzt? Liefern wir uns ein scheiß Revolver Duell?", frage ich, die Waffe noch immer auf ihn gerichtet. „Runter mit dem Ding. Leg sie auf den Boden, dann deine Pistole. Und die am Knöchel." Vargas grinst. „Ihr seid alle gleich. Danach ziehst du die Weste aus und leerst deine Taschen."

Ich tue das hier für Vienna. Und ich weiß, er tut ihr nichts an, wenn ich seinen Forderungen nachkomme. Wir kommen hier raus, das weiß ich. „Anlegen.", befielt Vargas mir, als ich nur noch in Hose und Shirt dastehe und er mir Kabelbinder vor die Füße wirft.

Ich sehe ihn an, als wolle er mich verarschen. Fucking Kabelbinder. Aber ich schlucke meinen Stolz runter. Für sie.

„Die Dinger stehen dir, Seal.", grinst Vargas mich an, als er mit Vienna im Arm an mir vorbei in Richtung Tür geht. Sie nicht aus Versehen zu verletzen, ist der einzige Grund aus dem ich noch hier stehe. Ruhig. Beherrscht.
Vargas führt mich mit ihm und Vienna in einen anderen Raum. Lässt mich als erster hinein gehen und stößt Vienna in meine Arme, ehe er die Tür schließt und wie allein sind.

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