Dreiundzwanzig

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„Ja Sir."

Diese verfickt perfekten Worte, so klein sie auch sein mögen, knallen in meinem Kopf wie Blendgranaten in einer eiskalten, afghanischen Nacht. So laut wie sie sind, so sehr blenden sie mich auch. Lassen mich vergessen, was ich tue, weshalb ich hier bin. Und das, obwohl sie bereits ein halbes Jahr her sind.

Sechs Monate in denen nichts weiter passiert ist. Weder mit Aislinn, noch mit Vienna. Letztere zeigt mir seit dem Vorfall in der Mall immer noch die kalte Schulter. Und es macht mich fertig. Ich schlafe im Gästehaus, trainiere wenn der Rest der Familie in Träumen liegt, damit ich ihr nicht im Fitnessraum begegne. Seit unserer Nacht ist es anders. Ich weiß dass es ihr gefallen hat, dass sie es geliebt hat, dass sie danach noch öfter daran dachte. Aislinn hat mir über die letzten Monate, immer wieder ein paar Details verraten, wenn ich sie zur Uni gefahren habe. Ich bin ihr dankbar dafür, dass sie versucht die Wogen etwas zu glätten, auf der anderen Seite bin ich Vienna dankbar für ihre trotzige Phase. Das macht es mir deutlich einfacher meinen Job professionell zu machen.

Auch in dieser Hinsicht habe ich einige Veränderungen getroffen. Die teuren Anzüge, die Clayfield Senior mir zur Verfügung stellt, konnte ich auf besondere Anlässe reduzieren. Der Amoklauf bei unserem letzten Shopping Trip - der wohlgemerkt auch Vienna's letzter war- hat mich dazu bewegt, die Sicherheitsmaßnahmen zu überdenken. Neue Kameras, ein renovierter Panikraum, sowohl im Keller des Anwesens, als auch auf der Etage, Vienna's Apartment. Mir fällt auf, dass ich ohne die Anzüge sehr viel besser mit der Umgebung verblende.

Gut für ihre Sicherheit.
Schlecht für mein Ego.

Ich sitze auf einem Ledersessel in einem foyerartigen Wohnzimmer im unteren Teil der Villa und muss dabei zusehen, wie Cassian den Körper, den ich eigentlich als meinen deklariert habe, anstarrt, als wolle er gleich über seine Frau herfallen. Wenn hier jemand über die brünette Designerin herfällt, dann bin ich das.
Ja, Vienna hat die vergangene Zeit genutzt um sich eine akzeptable Karriere als Fashion Designer aufzubauen. Ihre eigene Dessous Kollektion soll im nächsten Jahr folgen.
Ich bin stolz auf sie. Definitiv. Dennoch spüre ich wie sich meine Knöchel weiß färben, als ich meine Finger ins braune Leder des Sessels bohre.

„Cassian? Würdest du mir bitte mal antworten?", grummelt Vienna in einen Bikini gekleidet in die Richtung ihres Mannes, der sich für einen Moment von ihr lösen konnte, um Joseline, in ihrer Uniform auf den Arsch zu starren. „Den roten oder den schwarzen? Der rote betont meinen Po, aber der schwarze ist...heißer. Oder?"

Den blauen. Nimm den blauen, den du vor zwei Minuten zu dem Rest gelegt hast, weil er Cassian nicht offenherzig genug war.

„Nimm den schwarzen, Baby. Du siehst heiß darin aus. Und ich steh' drauf dich damit am Strand zu sehen." Du stehst drauf, die Blicke irgendwelcher Vollidioten auf deiner Ehefrau zu sehen, du kleiner, arroganter Bastard.
Aislinn und ich tauschen uns vielsagende Blicke aus. Sie ist ebenso genervt von der Situation wie ich. „Wir fliegen nach Mexiko um Urlaub zu machen, also halt dich zurück, wenn wir am Strand liegen. Meine Haare werden sowieso voll mit Sand und Salz sein.", meckert Grayson's Tochter mit einem Augenrollen, in das ich aus ganz anderen Gründen einstimme.

Mexiko. Ja, mit diesem Urlaub ist Grayson vor einigen Wochen auf mich zugekommen. Ich sollte ein Konzept zusammenstellen, dass die Sicherheit seiner Familie garantiert. Er ist wegen eines Geschäftstermins für ein paar Tage in Mérida. Eine kleine Stadt auf der Halbinsel Yucatán. Was für Geschäfte man auch immer in einer alt- kolonialen Maya Stadt macht. Mein Job ist es nicht fragen zu stellen, sondern dafür zu sorgen, dass alle die zwei Wochen angehängten Badeurlaub überleben.
Ein Familienausflug mitsamt hübscher Assistentin und ihrer Tochter.

„Unsere Überfliegerin kann sich nicht entscheiden, was?", schmunzelt mir eine vertraute Stimme zu, als ich mich für einen kurzen Moment von den anderen absondere und ein Glas Wasser in der angrenzenden Küche trinke. Verwundert drehe ich mich zu Connor, der in seiner Chauffeur Uniform neben mir steht. Ich habe viele freie Abende mit ihm verbracht. Ob in unserer Stammkneipe in Kenburry, oder im Gästehaus bei einem Call of Duty Match. Er hat mir dieses Spiel vor längerer Zeit nahegebracht und was soll ich sagen... Den Frust über Vienna's Verhalten kann man am besten verlieren, wenn man Highschool Schülern die digitalen Köpfe weg bläst.

„Ich denke Ken da hinten hat was gegen jeden Bikini, den sie anprobiert.", erwidere ich in seufzendem Ton. Wie gerne ich das Wasser jetzt gegen ein Bier austauschen würde.
„Hab gehört du fährst mit nach Mexiko. Ich hoffe Grayson hat dir von dem Vorfall erzählt, der ihn beim letzten Mexiko Trip fast zwei Finger gekostet hat."

Was. Zum. Fick.

In den nächsten zwanzig Minuten erläutert mir Connor, dass Grayson ein Geschäft mit einem mexikanischen Geschäftsmann, namens Enrico Vargas versaut hat, indem er es für klug hielt, ihn mit einer Vertragslücke über den Tisch zu ziehen und um ein paar Millionen Dollar zu bringen. Peanuts für beide, doch zu dem Zeitpunkt wusste Grayson noch nicht, dass sein kleiner mexikanischer Kumpel der Kopf des Vargas Kartells ist.

„Gott verdammte...fuck, was für einen Scheiß hat dieser Mann da am laufen? Sich mit der Vargas Familie anzulegen ist eins, aber mir nichts davon zu erzählen, wenn wir hinter feindliche Linien reisen..." „Du kennst diese Typen?", möchte Connor wissen, während wir beide unsere Augen auf das Geschehen im Wohnbereich richten. „Ich hatte ein paar mal mit ihnen zu tun.", erzähle ich und kann die Narbe in meinem Gesicht deutlich Zucken spüren. „Scheiße, Thornton, sag mir bitte, dass du gegen dieses Kartell gekämpft hast." Wir müssen beide lachen. „Ich hab dir das nie gesagt, klar? Die CIA hat vor knapp fünf Jahren Verbindungen einiger Vargas Mitglieder zu Terrorzellen auf der ganzen Welt festgestellt. Es gab einen Haufen verdeckte Operationen und Razzien in Europa, den USA und Mexiko. Wir sollten den Kopf der Schlange abschlagen."
„Ich nehme an, das hat nicht so funktioniert wie es sollte?", murmelt der Chauffeur mit runzelnder Stirn.
„Ich hab an dem Tag vier meiner Brüder verloren. Es gab einen Maulwurf innerhalb der Agency. Er hat seine Freunde gewarnt und die haben uns schon erwartet."

Ich erwarte kein Mitleid von Connor oder sonst wem und ich bin dankbar dafür, dass er es anscheinend versteht, ohne das ich etwas dazu sagen muss. Irgendwann werde ich Grayson zur Rede stellen, nicht nur für diese eine Sache. Was ich in dem knappen Jahr hier mitbekommen habe, ist wirklich mit nichts zu vergleichen.

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