Wieder höre ich das Knirschen des Kiesbodens unter meinen Rädern, als ich die Auffahrt zum Haupttor des Clayfield Anwesens nach oben fahre. Inzwischen habe ich eine Schlüsselkarte, die Madelyn mir heute morgen zugesteckt hatte. Ich halte die Magnetkarte gegen das Tastenfeld am Tor, woraufhin das kleine rote Lämpchen daran grün aufblinkt. Auf dem Weg vom Parkplatz vor der Scheune, zum Eingang, kommt mir Connor entgegen.
„Bodyguard!",ruft er mir von einem der Bentley's zu. Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung und hebe die linke Hand zur Begrüßung. „Chauffeur. Lassen sie mich irgendwann mal mit so nem' Teil fahren?",frage ich lachend. Wir schlagen freundschaftlich ein. „Wenn sie mir Zutritt zum Fitnessraum von Clayfield's Tochter gewähren." „Da verpassen sie nichts. Wirklich." Ich schüttle schmunzelnd den Kopf. „Die kleine ist in der Uni?",wollte Connor von mir wissen. „Hab sie gerade hingebracht. Ich muss mal nach Vienna sehen. Wir sehen uns heute Abend, ja?" Auch wenn ich noch etwas mit ihm hätte Plaudern können, will ich lieber nach dem Mädchen oben sehen. Sie wird völlig fertig sein.
Als ich die Tür öffne, höre und sehe ich nichts. Es ist völlig dunkel, so wie Aislinn und ich das Apartment verlassen hatten. Ich lege die Schlüssel auf die Kücheninsel und beschließe die Vorhänge zu Lüften, bevor ich noch depressiv werde. In dem Moment, indem die Morgensonne durch die offenen Vorhänge ins Innere fällt, höre ich hinter mir ein lautes Grummeln. „Mach das Licht aus!" Ich sehe mich um und entdecke Vienna, die in kurzen Shorts und dem BH von gestern auf der Ledercouch liegt. Sie hält ihre Hand schützend vor ihr Gesicht, welches von der hellen Sonne zum glänzen gebracht wird. „Das...ist die Sonne, Miss Clayfield.",erwidere ich und öffne eines der Fenster. Die Luft hier ist so dick, ich könnte sie mit meiner Glock zerschießen. „Lassen sie dieses Miss Clayfield. Vienna reicht. Ist Aislinn schon da?" Ich blinzele einige Male verwirrt und lasse mich auf der Eckcouch schräg neben ihr nieder. „Aislinn ist in der Uni. Sie war eben bei ihnen." Vienna sieht mich mit einem offenen Auge vielsagend an. „Dir. Verzeihung.",korrigiere ich mich. „Stimmt, ich... sie ist ja jetzt in der Uni.",seufzt sie ins Kissen. „Du scheinst damit nicht zufrieden zu sein.",teile ich meine Bedenken mit. Auf die Gefahr hin eine Grenze zu überschreiten. Doch meine Schützlinge zu kennen, ist weit oben auf meiner to-do Liste. Langsam setzt sich Vienna mit verzerrten Gesichtszügen auf. „Wir haben die letzten Monate immer zusammen verbracht. Ich bin sowieso die ganze Zeit hier und sie hatte Ferien. Und jetzt bin ich...allein." Nickend stehe ich wieder auf und reiche Vienna eine Decke. „Ganz ruhig Drama Queen, sie ist nur ein paar Stunden weg." „Danke. Holen sie mir eine Tablette? Oder zehn?" Ich helfe Vienna auf die Beine und lege die Decke etwas enger um sie. „Jack reicht. Und zweitens. Tabletten wären viel zu einfach. Du hättest gar nicht trinken dürfen. Jetzt geh duschen und ich mach dir das Kater Frühstück der Navy. Kleine Vorwarnung. Kein Egg Benedict." Vienna rollt genervt mit den Augen. „Verstanden, Dad." Ich schmunzele beim Gedanken daran, dass sie die zweite heute ist, die mich so bezeichnet. Das Mädchen verschwindet im Badezimmer und ich kümmere mich um ihr Frühstück.
Als ich den Kühlschrank öffne, muss ich erstaunt feststellen, dass so gut wie nichts vorhanden ist. Wie konnte Vienna nur überleben? Ach stimmt. Privatköche. Aber gut. Das wesentliche ist da. Ich nehme zwei Eier aus dem Seitenfach und schlage diese mit einer Hand über einem Wasserglas auf. Zu den beiden rohen Eiern gesellen sich mehrere Gewürze, etwas Milch, der Saft einer Zitrone und ein Schneebesen, der alles gut verrührt. Ich garniere das ganze spaßeshalber mit einem Blatt Petersilie. Aus der Tüte natürlich. Gott bewahre, dass in diesem Haushalt frische Kräuter verwendet werden.Nach zwanzig Minuten, kommt Vienna wieder aus dem Badezimmer. Sie trägt die selben Shorts wie eben, dazu ein babyblaues Crop Top. Noch mit nassen Haaren, schreitet sie auf mich zu und lehnt sich über die Marmorplatte. „Wo bleibt mein Frühstück Bodyguard?",fragt sie gähnend. Ich schiebe Vienna das Glas mit der wenig einladenden Flüssigkeit darin rüber. „Einmal Katerfrühstück. Wie bestellt." Vienna's Gesichtsausdruck sagt so einiges. Sie runzelt die Stirn und sieht angewidert zu mir. „Was ist da drin?" „Nicht fragen. Einfach trinken.",nicke ich. Auf meine Aufforderung hin, hält Vienna ihre Nase zu und kippt ihr Frühstück in einem schnellen Satz herunter. Hustend beugt sie sich über die Platte, dabei stumme Flüche gegenüber mir aussprechend. Ich verstehe nur einen Haufen undefinierbarer Schimpfworte. „Das ist ja...widerlich." „Die Dinger wurden nicht erfinden um lecker zu sein. Das nächste mal hörst du auf mich und trinkst nicht so viel. Am besten gar nicht, wenn es nach mir geht.",protestiere ich. Das Glas landet wieder in der Spüle. Habe ich schon erwähnt, dass ich Unordnung hasse?
"Jack!",ruft Vienna aus dem Wohnzimmer. Es ist bereits Nachmittag und ich sitze vor dem Laptop in meinem Zimmer, um einen Bericht für meinen Boss zu verfassen. Auch wenn ich nicht ganz weiß, was ich hinein schreiben soll. Viennas Ruf rettet mich glücklicherweise aus meiner Phase der Prokrastination. Ich klappe seufzend den Laptop zu und erhebe mich vom Drehstuhl. Vienna sitzt mit ihrem IPad und einer zotteligen Zopf Frisur auf dem Sofa und sieht sich schon seit heute Morgen sämtliche Folgen einer Kochshow an. „Was gibt's? Bis auf die fünfte Kartoffelsalat Folge natürlich.",frage ich beim eintreten ins Wohnzimmer. „Mir ist langweilig. Ich will was unternehmen.",meckert sie und legt ausnahmsweise mal das Tablet zur Seite. Einen Moment sehe ich nur an Vienna herunter. Dieser gemütliche Look hatte schon etwas besonderes. Ich bin wahrscheinlich so einfach gestrickt wie jeder andere Mann. Stattdessen lenke ich mich selbst mit einer Antwort ab. „Ich muss Aislinn noch abholen. Wollte gerade los. Du kannst mitkommen, wenn du willst." Hoch erfreut über dieses Angebot, rafft sich Vienna vom Sofa auf und stolpert leichtfüßig zu mir herüber. „Ich ziehe mich nur noch um!",grinst sie mit ihrem Zahnpasta- Lächeln. Ich nehme schmunzelnd die Schlüssel von der Küchenplatte und warte auf meine Mitfahrerin. Diese kommt fünf Minuten später in einem kurzen Rock und Stiefeln, die fast als Hose gelten könnten aus ihrem Zimmer. Oberhalb trägt Vienna einen viel zu großen Strickpullover.
Wie kann jemand in etwas so kaltem, bloß so heiß aussehen?
„Bereit.",kichert sie. Ich öffne ihr wortlos die Tür und lasse Vienna vor gehen. Ihr Vater sitzt wie jeden Tag vor meine Zeit hier in seinem Büro und kümmert sich um geschäftliches. Welch Ironie, dass eine Familie so dicht zusammen wohnt und doch so entfernt voneinander lebt.
Die kühle Luft wirbelt das Laub unter den bunten Bäumen rund um das Rondell vor der Veranda auf, als wir nach draußen schreiten und entlang des Kiesweges zu den SUVs gehen. Connor sehe ich nicht mehr. Er wird wahrscheinlich in der Scheune arbeiten. „Darf ich fahren?",fragt Vienna mit klimpernden Wimpern. Ich öffne ihr die Beifahrertür und mache eine bittende Geste, um sie zum einsteigen zu bewegen. „Wenn du einen Führerschein hast, reden wir darüber." Das Schmollen ihrer Majestät bekomme ich auch durch einige schlechte Witze während der Fahrt nicht aus ihrem Gesicht. Ich hoffe es legt sich, wenn sie Aislinn gleich wiedersieht. Schon jetzt wirken beide auf mich, als können sie nicht ohne einander. Co- Abhängigkeit hat mein Biologielehrer diesen Effekt immer genannt. Eine Sucht in die ich nicht auch fallen darf.
Ich soll recht behalten. Kaum sieht Vienna das lächelnde Mädchen auf dem Parkplatz wartend, liegt ihre Hand auch schon auf dem Türgriff, bereit auszusteigen sobald wir angehalten haben. Die Mädchen fallen sich in die Arme, als würde Aislinn nicht aus der Uni, sondern aus dem Krieg zurück kommen. Ich freue mich dennoch für die zwei. Ihre Bindung zueinander ist einfach erfrischend. „Wie war dein erster Tag zurück? Du musst mir alles erzählen!",grinst Vienna, nachdem ich Aislinn's Handtasche auf dem Rücksitz abgelegt habe. Tatsächlich dauert es nicht lange, bis der von Connor angesprochene Fall eintritt und die Mädchen mich hinter dem Lenkrad vollkommen ausblenden. Das Auto fährt für sie auf Autopilot. Sie reden, tuscheln und lachen zusammen, wie alte Freundinnen die sich jahrelang nicht gesehen haben.
„Ich unterbreche euch ja nur ungern, aber wir sind wieder zuhause.",sage ich, dabei in den Rückspiegel blickend. Vienna und Aislinn steigen aus dem Wagen aus und gehen vor mir her, zurück ins sichere Apartment. Nicht dass die Welt hier draußen unsicher wäre. Bodyguard Ängste nunmal.
„Okay, ich bin jetzt noch verabredet. Kommt ihr ohne mich klar?",möchte ich wissen, als wir wieder in Viennas Wohnung ankommen. Kichernd sehen sie erst einander und dann mich an. „Was ist?",frage ich. „Hat da jemand ein Date?",kontert Aislinn schmunzelnd. Ich werfe lachend die Schlüssel zurück auf das Sideboard neben der Tür. „Ein Date? Ich hab schon genug damit zu tun, euch zu beschützen. Wie soll ich da noch jemandem gegenüber verpflichtet sein?" Vienna kommt auf mich zu. „Wer redet denn von Verpflichtungen?",zwinkert sie. „Das ist irgendwie nicht mein...Ding." „Vienna, lass Jack zufrieden.",schmunzelt Linn und zieht ihre Freundin wieder von mir. Nein. „Viel Spaß Jack. Wir kommen klar.",fügt sie hinzu. Ich sehe beide Mädchen nochmal ernst an. Mir ist es wichtig, dass sie hier wirklich auch ohne ihren Bodyguard klar kommen. Schließlich bin ich nicht 24/7 verfügbar. „Okay. Das wollte ich hören. Fackelt nicht das Haus ab, klar?" „Jetzt geh schon, bevor wir dich doch noch brauchen.",meint Vienna augenrollend. Verdammt, habe ich ein Glück.
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PROTECTOR
Romance𝐼 𝑤𝑖𝑙𝑙 𝑎𝑙𝑤𝑎𝑦𝑠 𝑏𝑒 𝑝𝑎𝑟𝑡 𝑜𝑓 𝑡ℎ𝑒𝑖𝑟 𝑙𝑖𝑣𝑒𝑠. 𝐵𝑢𝑡 𝐼'𝑙𝑙 𝑛𝑒𝑣𝑒𝑟 𝑏𝑒 𝑎 𝑝𝑎𝑟𝑡 𝑜𝑓 𝑡ℎ𝑒𝑚. Seit einer Stunde sitze ich nun vor dem Fernseher. Mein Blick wechselt zwischen dem langweiligen Progra...