Kapitel 15: Schatten

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Als Selene mit einem dumpfen Aufprall in ihrem Bett landete dachte sie daran in Zukunft möglicherweise als Hellseherin zu arbeiten. Sie würde ihren Kunden zwar nur sagen wo sie im Falle eines Sturzes landen würden, aber das war immerhin etwas. Vorausgesetzt die Konfrontation mit ihrer größten Angst traf vorher ein.

Ein Blick auf ihren Wecker offenbarte Selene, dass sie noch ungefähr vier ganze Stunden schlafen konnte, ehe sie möglicherweise erneut von Mister Dunam mit einer Vision ihrer Tante Amara konfrontiert wurde. Also schloss sie ihre Augen und empfing Hypnos mit offenen Armen. Er schien auf jeden Fall ein angenehmerer Zeitgenosse als sein Bruder zu sein, wenn man nur von ihren Zuständigkeitsbereichen ausging .

Ein paar Minuten später beschloss Selene diesen Satz zurückzunehmen. Todesprophezeiungen waren das eine, aber von Flammen umgeben zu sein, ohne einen möglichen Ausweg war etwas ganz anderes.

Der Rauch war das Erste was Selene in ihrem neuesten Traum bemerkte. Das Zweite waren die meterhohen Flammen und sie sengende Hitze, die sie umgaben. Während Thanatos nur auf ihr Ende spekulierte, hatte Hypnos anscheinend vor ihr das Schlafen so unangenehm wie möglich zu machen.

Außer den Flammen, konnte Selene nur schemenhaft ihre Umgebung ausmachen. Sie schien sich in einer riesigen Halle zu befinden, die lichterloh brannte. Außer ihr war niemand in der Halle.

Doch langsam nahm sie neben dem Knistern und knacken des Feuers auch verzweifelte Stimmen, genauso wie in ihren anderen Träumen konnte sie die Worte nicht ganz ausmachen, aber sie erkannte, dass es sich nur um 3 Personen handeln musste. Selene blickte sich um, doch sie konnte niemanden in den Rauchschwaden ausmachen.

Dann jedoch bemerkte sie mehrere Meter von ihr entfernt eine Stelle an der sich der Rauch zu verdichten schien, sie blinzelte mehrmals dann realisieret sie, dass es sich nicht um Rauchschwaden handelte, sondern um Schatten. Drei Schatten die verzerrt und verschwommen waren, sie schienen beinahe mit dem beißenden Rauch zu verschmelzen und doch gingen von diesen Schatten die Stimmen aus.

Es war Selene unmöglich zu ihnen zu gelangen, der Weg war von den Flammen blockiert.

Als einige der Flammen auf sie zu stoben, schloss Selene ihre Augen und wappnete sich gegen die unvermeidliche Kollision.

Als nach mehreren Sekunden, die sich wie Stunden anfühlten nicht passierte, öffnete sie vorsichtig die Augen. Überrascht stellte Selene fest, dass die Flammen wenige Zentimeter vor ihr innegehalten hatten und sich nicht mehr auf sie zu bewegten. Bis zu diesem Moment war sie so konzentriert auf die Schatten gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass die Flammen sie zwar umrundet hatten und einkesselten, sich aber nicht in  ihre Richtung ausbreiteten. Sie war das Zentrum eines kleinen Kreises, den die Flammen nicht berührten.

 Als sie jedoch einen Schritt in die Richtung der Schatten machte, musste sie feststellen, dass dieser Kreis nicht ihren Bewegungen folgte, er blieb exakt an einer bestimmten Stelle. Verzweifelt blickte sich Selene um, suchte nach einer Möglichkeit den Schatten zu helfen. Dabei entdeckte sie einen Mann in der zweiten Etage der Halle, der am Geländer stand und gedankenverloren und mit tieftraurigem Gesichtsausdruck auf die drei Schatten blickte. 

Im aufsteigenden Rauch wirkten seine Haare grau, als wäre sämtliche Farbe aus ihnen gewichen und hätten einer tiefen Melancholie Platz gemacht. Anhand seines alterslosen Aussehens konnte Selene mit Gewissheit sagen, dass es sich bei ihm um einen Gott handelte. Seine Gestalt wirkte in sich zusammengesunken, als lastete die Bürde von Jahrhunderten auf ihm und würde ihn langsam aber sicher erdrücken, er wirkte erschöpft und müde. 

Beinahe fürchtete Selene er würde jeden Moment zusammenbrechen und über das Geländer in die Flammen stürzen.

Doch dieser Gott stand nicht inmitten von Flammen und war in Lebensgefahr, so wie die Schatten. Also riss sie sich von seinem Anblick los.

„Hey!"

Der Mann schien aus seiner Starre zu erwachen und runzelte verwirrt seine Stirn, als hätte er nicht erwartet laute Stimmen zu hören und wäre komplett von dem Anblick gefangen gewesen. Sein Blick schweifte über das Flammenmeer bis er sie entdeckte und überrascht die Augen aufriss. Der Gott lehnte sich weit vor und blickte Selene fest in die Augen.

„Wie bist du hier hergekommen?" Seine Stimme war nicht mehr als ein leises Wispern, als hätte er seit Jahrhunderten nicht mehr gesprochen.

„Das ist eine sehr gute Frage auf die ich auch keine Antwort habe. Ich bin eingeschlafen, danach war ich hier. Was ungewöhnlich ist weil ich normalerweise nicht so etwas träume."

„Wer immer du auch bist, du solltest nicht hier sein."

Mit diesen Worten schnipste der Gott mit den Fingern, den Blick fest auf Selene geheftet und beobachtete mit aufmerksamen Augen, wie die Umrisse seines Gegenübers immer mehr verschwammen, bis es keine Spur mehr von Selene gab. Erst dann fiel sein Blick wieder auf die Schatten, die sich immer noch inmitten der Flammen befanden. Mit einem seufzen trat er von dem Geländer der ersten Etage der Halle zurück und sank in sich zusammen.

Seine Augen wirkten leblos, als wäre Ihnen vor Jahrhunderten jegliches Licht entzogen worden und bis zum heutigen Tag hätte er keine neuen Lichtquelle gefunden.

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Habt ihr irgendwelche Vermutungen wen oder was die Schatten darstellen sollen? 

Und wer ist der neue Gott? 

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