Kapitel 16: Kekse

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Langsam aber sicher hatte Selene genug davon sich ständig in Luft aufzulösen. Als sie die Augen aufschlug und erkannte, dass sie in ihrem Bett lag, beschloss sie herauszufinden was es mit diesem komischen Traum auf sich hatte. Anscheinend sollte sie nicht so etwas träumen, was sie zu der Frage brachte, wer überhaupt über die Zuordnung von Träumen entschied. Der einzige Gott, der ihr spontan dazu einfiel, war Hypnos. Er wurde oft als Bruder von Thanatos dargestellt.

Es sah ganz so aus, als wären sich die beiden Brüder gar nicht so unähnlich. Auch wenn Thanatos wirkte als hätte er einen Lebensratgeber verschluckt, im Gegensatz zu seinem ziemlich traurig wirkenden Verwandten.

Selene bemerkte, mit einem ziemlich unmotivierten Seitenblick auf ihren Wecker, dass es langsam aber sicher an der Zeit war aufzustehen.

In Gedanken versunken stolperte sie durch den Tag. Erst zur Mittagszeit, als Cassius ihr mitten in der Bibliothek einen Smoothie vor die Nase warf (das laute Geräusch des Aufpralls von Plastik auf Holz brachte ihnen einen warnenden Blick der Bibliothekarin ein), gelang es Selene sich aus ihren Gedanken zu befreien. Sie bedachte ihren Gegenüber mit einem vorwurfsvollen Blick, schließlich war der Smoothie direkt auf ihrem aufgeschlagenen Buch über Traumdeutung gelandet. Wäre der Verschluss der Plastikflasche auch nur ein klitzekleines bisschen locker gewesen, wäre das gesamte Buch über und über mit einer violetten Flüssigkeit bedeckt gewesen.

 Cassius grinste sie nur an und signalisierte ihr, dass es Zeit war für das, was er gerne „Zeitreisekurs für Anfänger und Fortgeschrittene" nannte. Der „Kurs" bestand nur aus Selene und Cassius, wobei Cassius eher Lehrer als Schüler war und mit nicht sehr hilfreichen Anekdoten über misslungene Zeitsprünge und sämtlichen Horrorszenarien für Zeitreisende um sich warf. Das einzig positive an diesen Stunden voller Horrorgeschichten waren die Kekse, die Cassius immer mit sich herumschleppte und in dieser Zeit der Vernichtung durch Selene preisgab. Auch wenn sie das Gefühl hatte er würde absichtlich besonders unappetitliche Geschichten erzählen, nur um seine Kekse zu schützen. Was sie zu der eigentlichen Frage brachte warum er die Kekse überhaupt freigab. Die erste Kurstunde dieser Art hatte Cassius bei ihrer Teestunde im Café abgehalten, mit der Ankündigung weitere Kursstunden würden folgen.

Auf jeden Fall war die Vorstellung von kostenlosen Keksen so verlockend, dass sich Selene ein paar Minuten später in dem Studierzimmer wiederfand, indem sie Cass das erste Mal getroffen hatte.

Nach den ersten paar Anekdoten über die Kerker der Bastille fragte sich Selene sich plötzlich, ob Cassius die Kekse mit Brausepulver zersetzt hatte. Als sie wenige Augenblicke später allerdings den blassen roten Faden bemerkte, der fest um ihren kleinen Finger gewickelt war und mit jeder Sekunde an Farbe gewann, legte sie vorsichtshalber den Keks auf dem Schreibtisch neben sich ab.

„Ich will dich ja wirklich ungerne unterbrechen Cass, aber du wirst vermutlich gleich Selbstgespräche führen und ich werde vielleicht im nächsten Wald landen, oder in einem Fluss, je nachdem wie viel Glück ich heute habe."

Cassius hielt in seiner Erzählung inne, der Keks mit dem er die ganze Zeit über wild gestikuliert hatte hielt abrupt inne. Als er Selenes Blick folgte und er den roten Faden erkannte, den Selene ihm in ihrem ausführlichen Gespräch über ihren ersten Zeitsprung sehr genau beschrieben hatte, weiteten sich seine Augen und er setzte sich auf den nächstbesten Stuhl.

„Lass dich nicht aufhalten. Ich warte einfach hier und esse alle Kekse auf."

„Lässt du mir vielleicht einen klitzekleinen Keks übrig ?"

„Ganz sicher nicht!"

Schade.

Mit diesen Worten von Cassius fing Selens ganzer Körper an zu kribbeln und der rote Faden wurde wärmer und wärmer, glühte beinahe, während sich Selene innerhalb weniger Momente vollkommen auflöste.

Das Nächste was Selene wahrnahm, war die leichte Kälte und das Strohbett auf dem sie gelandet war. Ein Blick zeigte ihr, dass sie in ihrer kleinen Kammer in Camelot gelandet war. Dem Lichtschein nach zu urteilen, der aus ihrem kleinen Fenster kroch, war es bereits Tags. Möglicherweise an die 6:00 Uhr. Eigentlich die ideale Uhrzeit um sich Arbeit zu suchen, denn ehe sie herausfand, warum sie hier war könnte sich Selene möglicherweise sehr langweilen. Außerdem war Zeitreisen an sich ja eigentlich ziemlich spannend. Wer wollte nicht schon immer mal eine mittelalterliche Burg im Originalzustand bestaunen? 

Selene fielen auf Anhieb drei Personen ein die sich bereits bei harmlosen Ausstellungensbesuchen fast zu Tode gelangweilt hatten und versucht hatten ein paar unersetzbare Kunstwerke zu zerstören. Allen voran ihr Bruder Helios. Sie konnte sich noch ziemlich gut an einen Besuch im Louvre erinnern, bei dem Helios die Mona Lisa mit einem ziemlich unheimlichen Funkeln in den Augen betrachtet hatte und dabei verdächtigt lange einen Kugelschreiber in der Hand gehalten hatte, ehe ihr Bruder diesen zögerlich zurück in seine Hosentasche gesteckt hatte.

Es war fast ein Wunder, dass er nun beim IMDLC arbeitete. Selene hatte immer gedacht ihr Bruder würde eher ein Meisterdieb werden, als ein Ermittler.

Selene wurde aus ihren Gedanken gerissen, als es ziemlich laut an der Tür ihrer kleinen Kammer klopfte. Bevor sie überhaupt einen Laut von sich geben konnte, steckte Merlin bereits seinen Kopf durch die Tür.

"Du bist wach. Sehr gut. Komm mit, ich habe eine Stelle für dich gefunden. Was weißt du eigentlich über Gift? Hast du jemals versucht jemanden zu vergiften?"

Wie kam Merlin den bitte auf das Thema Gift? Selene war verwirrt. Mal wieder.

"Ich kenne mich nicht im geringsten mit Gift aus, habe noch nie versucht jemanden zu vergiften und ich habe nicht vor etwas in naher Zukunft daran zu ändern. Warum fragst du ?"

Merlin wirkte ein wenig enttäuscht, als hätte er erwartet, dass jeder dem er zuerst mitteilte er habe Arbeit für sie gefunden und dann anschließend nach Gift fragte, sich als Experte auf diesem Gebiet outen würde. Außerdem stellte sich die Frage ob er sichergehen wollte, dass von Selene keine Gefahr darstellte oder aber er ganz dringend jemanden vergiften wollte.

"Schade. Vergiss einfach, dass ich dich gefragt habe und komm mit." Mit eiligen Schritten verließ er die Kammer wieder und Selene stolperte etwas ungeschickt hinter ihm her. Er wollte also tatsächlich jemanden vergiften. Kaum zu glauben.Wo war sie da nur hineingeraten?



Wer an einem kleine Spoiler interessiert ist, der scrolle weiter. Ihr wurdet gewarnt.

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Klitzekleiner Spoiler: Selene sollte später feststellten wie falsch sie diese Situation aufgefasst hatte. Im Nachhinein war das Ganze wirklich sehr lächerlich. 

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